Putins unheimliche Schweizer Patrioten

Es gibt eine erstaunliche Vielfalt von Anhängern Putins in der Schweiz oder mit Bezügen zur Schweiz. Zu den weniger bekannten Personen gehört der ehemalige Nachrichtendienst-Mann Jacques Baud und eine Auslandschweizer in den USA, der unter dem Namen „The Saker“ auftritt.

Es gibt unter den Putin-Apologeten Grössen wie Roger Köppel und Daniele Ganser. Ob Köppel wirklich ein Anhänger Putins ist, bezweifle ich. Mir scheint ihm geht es primär um Krawall und Aufmerksamkeit. Anders ist es bei Daniele Ganser: Der Historiker arbeitete einst für die ETH und ist danach langsam in die dunkle Welt der Verschwörungstheorien abgeglitten. Er hat eine beträchtliche Fangemeinde, nach meinen Beobachtungen gehören viele seiner Anhänger auch zu den Gegnern der Covid-Massnahmen. Zum Ganser Netzwerk würde ich auch die Seite „Swiss Policy Network“ zählen, eine Ansammlung von Artikeln mit kruden Theorien. Wer die merkwürdige Seite betreibt bleibt im Dunkeln.

Zu den weniger bekannten Grössen in diesem Dschungel zählen Jacques Baud und eine Person, die sich The Saker nennt.

Der fleissige Nachrichtendienst-Mann Jacques Baud a.D.

Dem Westschweizer Nachrichtendienst-Experte Jacques Baud wird ein Hang zur Verschwörungstheorien nachgesagt. Seine Texte sind klar auf der russischen Linie. Für mich tönt das alles ziemlich abenteuerlich und abwegig. Baud gehörte im Kalten Krieg zu den wenigen Russland-Spezialisten beim Schweizer Nachrichtendienst und hat eine interessante Vita, wie man auf der französischen Wikipedia nachlesen kann. Der kurze Artikel ist übrigens für Bearbeitungen gesperrt, das lässt darauf schliessen, dass Baud in der französischsprachigen Welt kontrovers ist.

Einige seiner Stationen gemäss diesem Wikipedia-Artikel: 1983 – 1990 beim Schweizer Nachrichtendienst, danach verschiedene Uno-Missionen, unter anderem gegen Landminen, 2002 wird beim Schweizer Aussendepartement eine spezielle Stelle für ihn geschaffen, die er aber nicht lange behält, später wieder Missionen für die UN, 2002 wieder Berater für das Militärdepartement, danach Einsätze für die UN und die Nato. Ähnlich wie Ganser steht er mit seinem ganzen Namen für seine Ideen. Trotzdem ist er wenig bekannt, seine Texte werden auch wenig verbreitet, was damit zusammenhängen mag, dass seine Muttersprache französisch ist.

Seine Folgerungen: „Ce qui nous permet de déduire que les dirigeants politiques américains et européens ont délibérément poussé l’Ukraine dans un conflit qu’ils savaient perdu d’avance, à seule fin de porter un coup politique à la Russie“. Der Text findet sich in einem Artikel, der auf einer Seite des Centre Français de Recherche sur le Renseignement (CF2R)

Der gleiche Beitrag taucht später in deutscher Sprache auf einer Seite auf, die sich anthroposophischen Themen widmet. Das erstaunt zunächst. Mein Freund A.B. selber Soziologe schreibt mir dazu folgendes

„Zwischen Anthroposophie und russischem Mystizismus gibt es eine Wahlverwandschaft; vor dem ersten Weltkrieg gewann Rudolf Steiner Zunehmend Anerkennung bei russischen Philosophen, besonders bei Wladimir Solowjow und Nikolai Berdjajew und beim Dichter Andrei Bely. Umgekehrt näherte Steiner sich der slavophilen Idee, besonders Dostoevskys, dass Russland in seinem christlichen Auftrag eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Menschheit spielen werde.

Baud erscheint gelegentlich in den Webkanälen der extremen Rechten in Frankreich oder auf dem Propagandakanal Russia Today.

Baud ist übrigens Verfasser eines bemerkenswerten Buches über den Nachrichtendienst: Encyclopédie du renseignement et des services secrets. Die NZZ hat dieses Buch bei seinem Erscheinen besprochen und stiess darin auf neu Informationen über den Schweizer Nachrichtendienst. Ich habe Jacques Baud damals kennengelernt, er hat mir gegenüber bestritten, dass er Geheimnisse ausgeplaudert habe. Er ist auch Verfasser weiterer Bücher, unter anderem zum Terrorismus und die Website von Amazon kündet ein Buch über Putins Operation Z an, das allerdings noch nicht erschienen ist.

The Saker: Ein Auslandschweizer mit russischen Wurzeln aus Florida

Ein anderer Fall ist die Website von The Saker. Er übernimmt zu 100 Prozent die Sprachregelung von Putin. So erklärt er die Massaker von Butscha als ukrainische Inszenierung. Wer ist dieser Mann? – Auf seinem professionell gestalteten Internetauftritt gibt er einige Informationen von sich Preis. Er ist Schweizer Bürger und seine Frau ist Amerikanerin, deshalb hat auch er eine Green Card, die ihn zum Aufenthalt in den USA berechtigt.

„I was born in Zurich, Switzerland, from a Dutch father and Russian mother. My father left us when I was 5, so my mother and my Russian family raised me and this is why I took my mother’s last name. I lived most of my life in Geneva, Switzerland. In 1984 I did my military service in electronic warfare and I was later transferred to the military intelligence service (UNA) as a language specialist where did some work with the Swiss Air Force. I then traveled to the USA where I got a BA in International Relations from the School of International Service (SIS) at the American University and a MA in Strategic Studies from the Paul H. Nitze School for Advanced International Studies (SAIS) at the Johns Hopkins University. Upon my return to Switzerland, I worked as a civilian consultant for the Swiss Strategic Intelligence Service (SND) writing strategic analyses, primarily about the Soviet/Russian military.  In the military, I was given the Major-equivalent rank of “Technical Officer”, which is a fancy way of saying that I was an analyst. I also worked as an “enemy operations” (“Red Team” in US parlance) specialist for the operational-level training of the General Staff of Swiss armed forces.

Besonders interessant ist sein Hinweis, dass er für das IKRK gearbeitet hat und die Organisation offenbar wegen Meinungsverschiedenheiten verlassen hat.

„I quit the UN and took up a position at the International Committee of the Red Cross (ICRC) which was probably the worst mistake of my life and which I shall never discuss publicly. By the time I got out of that job, I was basically blacklisted as a “dangerous element” (meaning “disloyal”) by my former bosses (my regular contacts with Russian diplomats and my efforts at providing aid to the Bosnian Serbs probably did not help).  In total disgust, I abandoned my career as a military specialist and re-trained as a software engineer. When 9/11 crashed the IT sector I was unemployed again and I left Switzerland for the USA where I homeschooled our 3 children while doing odd jobs, mostly as a translator (I am fluent in Russian, French, English, Spanish and German) while my wife worked as a veterinarian (now, that our kids have grown up, my wife and I work together). In 2007 I decided to start an anonymous blog, mainly as a psychotherapy for myself, and I called it “Vineyard Saker” – a simple machine-generated anagram of my full name :-)“

Erstaunlich am Auftritt dieses Auslandschweizers ist der enorme Umfang der Informationen. Man darf vermuten, dass er nichts anderes macht, als seinen Blog zu pflegen. Immerhin gibt er auch die Möglichkeit an, für ihn zu spenden.

Seine Position ist klar, seine Sprache pathetisch

„The Ukrainians have no agency, and neither do the Eurolemmings.  In fact, the USA is using both the Ukronazis and their EU serfs as cannon fodder because their calculation is that if Russia wins, then the Eurolemmings will become not only terrified and even more subservient, but also that the EU will burn itself down removing a competitor.  I remind you that the USA’s wealth is based on how much the USA profited from both WWI and WWII.  So why not with WWIII as long as it remains within the confines of the European theater of operations?  And that will be doubly true if Russia loses…. Basically, the EU politicians have now de facto rehabilitated the Third Reich.  At least now it is official.“ (Im Beitrag: Day 50 and….)

Ein Bekannter von mir findet nach kurzer Recherche den richtigen Namen des Autors in einer einigermassen merkwürdigen und wenig vertrauenserweckenden Seite „Wikispooks“ was eine Art Wikipedia der Spionage sein will: Andrei Raevsky. Von dort gelangen wir zu einem anderen meist russischsprachigen Blog mit der Erklärung, warum er beim IKRK nicht glücklich wurde.

Unklar ist, wo sein IKRK-Einsatz genau war. Es kann in Bosnien gewesen sein oder in Tschetschenien. Meine bisherigen Recherchen im Umfeld des IKRK haben keine weiteren Erkenntnisse gebracht. Immerhin konnte ich dies in Erfahrung bringen: Es gab in der Anfangsphase des Bosnienkrieges unter den hastig rekrutierten Übersetzern, Chauffeuren und anderen technischen Spezialisten doch einige recht problematische Fälle gab, Leute, die sich sehr stark mit der einen oder der anderen Seite identifizierten und sich entsprechend engagierten. Falls die Geschichte stimmt, wäre Raevsky jedenfalls kein Einzelfall gewesen.

„The Grand Strategist he is not. I did my research on Andrei Raevsky aka the Saker ex post facto and determined that he was a Swiss citizen who had already some difficulties with the Russians with respect to Chechnya. By his own admission, he was sent there as an employee of the International Red Cross and subsequently fired for his pro-Chechen bias. He later went on record in several published works as being critical of the Russian Army’s “heavy-handed approach” towards the Chechen terrorists.“

In den Kommentaren findet sich die abenteuerlichste Theorie über den Autor:

„The Saker is a CIA tool, placed to promote shiite Islam and to undermine the slavic world. I said it ages ago and it still stands, now more obvious than ever. I exposed his lies many times before he started censoring, that of course just got me banned.“

Vielleicht ist das gar nicht so abwegig. In einer antirussischen Lobby-Website namens „EU vs Disinfo“ finden wir die Einschätzung, dass The Saker weit mehr als nur das Werk einer einzelnen Person ist, dahinter steckt eine ganze Community. Das macht angesichts der reinen Menge und der relativ hohen formalen Qualität Sinn, auch wenn unklar ist, wer genau hinter dieser kritischen Seite steckt.

„Saker is in all a fairly mainstream conspiracy site. The unique selling point is that the site combines a slightly leftist anti-colonialist sentiment – suggesting the USA as the evil force in global politics – with traditional right-wing approaches to Jews, Moslems, the LGTB community etc. He is eloquently supporting Orthodox Christian values, as long as the Orthodoxy is commanded by the Kremlin.

The Franchise “The Saker” has developed into a community. The Saker’s readers can share tips on what to read, what to grow and how to stay healthy; the list of reliably pro-Kremlin news makes the members of the community feel comfortable and cosy inside the bubble. And an entire set of different language versions is found. The English version links versions of The Saker in French, in Italian, in Spanish, Serbian and Russian. And with some digging we can find a few more: A German version, a defunct New Zealand version.“

The Saker im Interview

Ich habe am 15.April 2022 ein Mail an ihn geschickt und ihm um ein Interview gebeten – eine Option, die er auf seiner Seite unter bestimmten Bedingungen anbietet. Einige der Fragen waren bereits im Mail. Am 16.April 2022 kam die Antwort:

Thank you for your email.  You will find more info about me here: http://thesaker.is/submarines-in-the-desert-as-my-deepest-gratitude-to-you/
To your questions now:- what is the Saker?
an anagram of my full name „Andrei Raevsky“ „Vineyard Saker“
why are you anonymous and not revealing your name such as J.Baud and
others? 
I am not anonymous since many years
your career in Switzerland with Intelligence service etc. 
I was an analyst for the SND
what happend at ICRC. 
I will never discuss that.
-why you stand so strongly for Russia – given the the situation:
because the West wants to completely destroy the Russian nation.and, I apologize, I have stopped giving interviews.

Ich bin nicht der Einzige, der mit dem Saker in Kontakt treten wollte. Nach meiner höflichen Antwort erhielt ich die folgende Nachricht

Dear friend, with the current war in the Ukraine I am getting hundreds of emails each day, so while I will read your email, I cannot promise that I will answer it.  And if I do answer it, it might take me a few days.  I ask for your kind understanding.  Kind regards, AndreiPS: if your message is time critical or important, please indicate so in the subject line!