Domodossola: Ein Kreuzweg für die Gegenreformation

Ein Kreuzweg mit lebensgrossen Darstellungen der Leiden Christi gehört zu den Sehenswürdigkeiten von Domodossola, er ist sogar Unesco-Welterbe.

Man kann die erste Station nicht verfehlen, auch wenn es da wegen Renovation gerade nichts zu sehen gibt. Über insgesamt zwölf Kapellen gelangt man am Südrand der Altstadt zum «Sacro Monte Calvario», wie es hier heisst. Nimmt man sich etwas Zeit um Darstellungen anzuschauen, so vergeht schnell mal eine Stunde. Schade, dass man die Skulpturen nur durch ein Gitter ansehen kann, die Lichtverhältnisse sind meist nicht sehr gut – auf meinen bearbeiteten Fotos sind man fast mehr als mit blossem Auge.

Ein breiter Weg verbindet die verschiedenen Kapellen, die eine stattliche Grösse aufweisen. Foto Dominik Landwehr

Die Geschichte ist schnell erzählt: In der Zeit der Gegenreformation im Jahr 1656 wählten zwei Kapuziner aus dem Kloster des Orts den Hügel um hier einen Kreuzweg zu bauen , Pater Gioacchino aus Cassano und Pater  Andrea aus Rho. Am Ende des Weges auf dem Monte Mattarella wurde eine zusätzliche Kapelle für die Auferstehung und eine Wallfahrtskirche gebaut. 1662 wurde die Kirche eingeweiht. Zu den Geldgebern gehörte der in der Schweiz wohlbekannte Statthalter von Brig, Kaspar Stockalper (1609-1691) aus dem Wallis, nach ihm erhielt der Stockalper-Schloss in Brig seinen Namen. Er selber, der sich an verschiedenen Kirchenbauten beteiligte, soll in einer Darstellung der Heiligen Drei Könige verewigt worden sein.$

Wallfahrtskirche auf dem Monte Mattarella und Sitz des Ordens Ordens «Istituto della Carità» von Antonio Rosmini. Foto Dominik Landwehr

Eine weiterer Name ist mit dem Berg verbunden: Der Priester Antonio Rosmini (1797-1855) , der 1828 hier eintraf und das Mutterhaus seiner Ordens «Istituto della Carità» errichtete. Rosmini wurde 1907 vom Papst seliggesprochen.

Die lebensgrosse Darstellung der Leidensgeschichte von Christus mit ihren zahlreichen Details vermag auch den modernen Betrachter zu beeindrucken. Wie aber wirkten sie auf das zeitgenössische Publikum 17. Und im 18.Jahrhundert. Als Projekt der Gegenreformation gaben sie ja den Zeitgenossen die Bilderwelten zurück, welche die Reformation abgeschafft hatte. Nun ist bekannt, dass die Reformation und das von ihr vorangebrachte Bibelstudium für die wissenschaftliche und kulturelle Revolution der Industrialisierung sozusagen eine Bedingung war, aber die Erweiterung des menschlichen Horizonts über das Medium der Sprache hat sich über eine sehr lange Zeit erzogen. Die Zeitgenossen dürften die Bilder vermisst haben und wenn nun die barocke Pracht der Gegenreformation ebendiese Bilder zurückbrachte, so dürften sie darüber froh, erleichtert, glücklich gewesen sein. Dem Vernehmen nach war das Projekt der Gegenreformation in diesem Landesteil ja erfolgreich, obwohl die Dinge komplexer liegen mögen.

Dokumentation „Sacri Monti“

Jesus stürzt und wird von seinen Häschern geschlagen. Foto Dominik Landwehr.
Simon von Kyrene wird von den römischen Soldaten gezwungen, das Kreuz für Jesus zu tragen. Foto Dominik Landwehr
Veronika reicht Jesus das Schweißtuch. Foto Dominik Landwehr.
Kreuzabnahme Christi in der Wallfahrtskirche am Monte Calvario. Foto Dominik Landwehr
Der wiederauferstandene Christus in der Wallfahrtskirche am Monte Calvario. Foto Dominik Landwehr

Wie dem auch sei, der Sacro Monte Calvario ist in der Region Piemont seit 1990 als «Sondernaturschutzgebiet» eingestuft, seit 2003 gehört der Kreuzweg zum Unesco-Welterbe. Man hofft, dass die Renovationsarbeiten zu einem baldigen Ende kommen mögen und dass sich auch ein Weg findet, die Skulpturen dem Publikum besser zu zeigen.