Essen und Trinken in Georgien: Khachapuri, Tomaten, Wein & Chacha

Das kleine Georgien hat viele Regionen und Klimazonen – vom Kaukasus über die fruchtbaren Schwemmebenenen im Innern des Landes bis zum Schwarzen Meer. Palmen wachsen neben Weinreben, ausgedehnte Obstgärten und Viehweiden sorgen für einen vielfältigen Speisezettel.

„Sie betraten eines der Uferlokale mit georgischer Küche. Er sah so hungrig aus, natürlich hatte er Hunger, sie hatte es sofort gewusst, als sie ihn angesehen hatte. Sie bestellte trotz seiner lauten Proteste, glücklich über die Möglichkeit, ihn wenigstens durch das Essen für eine Stunde in ihrer Nähe behalten zu dürfen. Erst wurden das warme Ofenbrot und die Zwetschgensauce, die Tomatensauce, die Granatapfelsauce gebracht. Dann folgte die Bohnensuppe als Vorspeise, mit warmem Maisbrot und viel Koriander, genau, wie er es liebte. Spinat- und Auberginenpasten mit extra Knoblauch ließ sie den Kellner daraufhin servieren. Er stürzte sich gierig auf das Essen. Seine Augen glühten, als anschließend Baje auf den Tisch gestellt wurden. Er tunkte das Brot in die verschiedenen Saucen und warf ihr dabei dankbare Blicke zu.“

Aus: „Das achte Leben“ von Nino Haratschwili

Essen und Trinken in Georgien – ein grosses Thema zu dem es viel zu sagen gibt. Legendär ist diese Geschichte aus der Sowjetzeit: Georgische Bauern sollen jeweils per Flugzeug mit einem kleinen Koffer voller Tomaten nach Moskau oder Petersburg geflogen sein. Mit dem Erlös hätten sie das Flugticket bezahlen und erst noch einen schönen Gewinn machen können. Nun weiss ich nicht, ob das mehr als eine urbane Legende ist. Es zeigt aber, wie sehr man in der Mangelwirtschaft der Sowjetunion den Agrarreichtum der Georgier bewundert hat.

Die Märkte im Land legen Zeugnis ab, über das vielseitige Angebot. Wir besuchen das Land am Kaukasus im Sommer und da herrscht natürlich kein Mangel an frischem Obst und Gemüse. Besonders geschätzt werden auch Walnüsse. Wir finden sie in jedem Markt, oft in den unterschiedlichsten Qualitäten Preisen.

Ohne Zweifel sind die Nüsse mit grosser Sorgfalt von Hand geknackt. Nüsse werden auch in der Küche verwendet, so essen wir immer wieder ein wunderbares Gericht mit Auberginen und Nüssen. Nigsiani Badrijan heist die Speise, die sich auch bei uns ganz leicht zubereiten lässt, wie ich im Blog der Georgierin Sophiko lese.

Und immer wieder Tomaten, Tomaten, Tomaten, in allen Grössen und Formen. Ebenso sinnlich präsentieren sich die Melonenverkäufer mit ihren prallen runden Melonenbällen. Märkte finden wir in Georgien nicht nur in den Städten und Dörfern, sondern nicht selten einfach rechts und links der Strasse.

Besonders beliebt in den Bergen ist Honig. Oft haben die Wanderimker ihre Bienenkisten gleich neben der Strasse aufgestellt.

Ebenso präsent sind die Bäcker und das Brot. Wir finden sie an jeder Ecke. Dabei ist die Brotvielfalt überschaubar. Es dominieren die Fladenbrote, die in einem runden Ofen gebacken werden, der an den Boden festgemauert wird. Der Bäcker klebt dazu den Teig, den er zuvor auf einer Art Kissen geformt hat, an die innere Wand des heissen Ofens.

Nach wenigen Minuten ist das Brot gebacken und verkaufsbereit. Gebacken wird nicht auf Vorrat, sondern nur gerade soviel, wie in absehbarer Zeit verkauft werden kann. Das Verfahren erinnert uns an das pakistanischen Naan, nur sind die Öfen hier in den Boden eingelassen und nicht über dem Boden.

Wie sieht es mit tierischen Produkten aus? – Die Kühe werden offenbar vor allem für die Milch- und Käseproduktion gehalten.

Es dominiert eine Art von weissem Frischkäse, der für unseren Gaumen etwas gar salzig ist. Brot und Käse werden in Georgien auf eine besondere Art gegessen: Als Khachapuri. Eine Art gedeckter Pizza mit Käse drin. Schmeckt vorzüglich ganz frisch aus dem Ofen oder aus der Bratpfanne. Einziger Nachteil: Nach einer solchen Vorspeise ist der Hunger meist ganz weg. Die georgische Bloggerin Sophiko hat hier das Rezept für Khachapuri  beschrieben. Es lässt sich nach Belieben verändern und jede Köchin hat wohl ihr eigenes Rezept. Wir haben es mit Pizzateig aus der Migros (nicht ausgewallt) und Mozzarella versucht, das Ergebnis liess sich sehen.

Fleischgerichte sehen wir eher wenig. Schweine sind aber überall präsent und werden frei laufen gelassen. Da und dort gibt’s dann witzige Bilder von frischem Spanferkel. Gegessen haben wir das leider nicht, sieht aber lecker aus.

In Georgien wird seit Urzeiten Weinbau betrieben. Spuren deuten darauf hin, dass schon vor 7000 Jahren Wein gekeltert wurde. Der georgische Wein ist legendär – und für uns doch fremd.

Das liegt daran, dass er nach einem anderen Verfahren produziert wird: Die Vinifikation passiert in grossen Amphoren, die im Boden eingelassen sind. Das ergibt einen schweren, alkoholhaltigen, erdigen und süssen Wein. Der Weinkenner Philipp Schwander beschreibt dies im Zürcher Tages-Anzeiger vom 31.10.2014  so:

„Während meines Besuchs verkostete ich sehr viele georgische Weine. Das ­Potenzial wird bedauerlicherweise nur in den seltensten Fällen ausgeschöpft. Typisch für das Land sind die sogenannten Amphorenweine. Sie werden wie ­seinerzeit in der Antike in grossen, bis zu acht Tonnen fassenden Tonkrügen vergoren, den sogenannten Kvevris. Wichtiges Merkmal ist die darin durchgeführte Vergärung an den Traubenschalen und Stielen. Nach diesem Prozess werden die in die Erde eingelassenen Amphoren aufgefüllt, verschlossen und der Wein bis im Frühjahr an den Schalen weitergelagert. Wird sauber ­gearbeitet, gewinnt dieser so eine natürliche Stabilität und wird extrem lang haltbar. Er besitzt zudem viel mehr ­Tannin als üblich und entwickelt einen ganz speziellen Charakter.“

Interessant auch die hohe Anzahl von autochthonen Weinsorten. Laut Wikipedia gibt es hier über 500 autochthone Weinsorten. Davon sind 38 offiziell für den Weinbau zugelassen. Darunter  AladasturiAlexandrouliTschinuriTschchaweriGoruli MzwaneDswelschwari,Obtschuri,  KatschitschiChichwiKratschunaMudschuretuliMzwaneOdschaleschiOrbeluriRkaziteliSaperawiSiskaZolikuri und Ussatscheluri

In den Läden und Restaurants findet sich aber auch viel Wein, der nach westlichen Verfahren produziert ist.

Eine weitere Eigenart sind die so genannten Orange Wines. Es sind weisse Weine, die wie rote Weine hergestellt werden. Ein Verfahren, mit dem auch Schweizer Winzer experimentieren.

Wo es Wein gibt, da wird auch Weinbrand gemacht. Grappa und Cognac sind erstklassig und das gilt auch für jene Brände, die selber hergestellt werden. Der georgische Grappa heisst Chacha, ausgesprochen Tscha-Tscha.Einmal hat uns ein Gastgeber je einen halben Liter Chacha in einer Pet-Flasche als Geschenk mitgegeben. Der Schnaps war tiptop.  Fast überall findet man auch Cognac, der in verschiedenen Preis- und Altersklassen verkauft wird. Er orientiert sich offensichtlich an französischen Produkten – allerdings auch in finanzieller Hinsicht: Ein wirklich alter georgischer Weinbrand kostet dann schnell auch einmal hundert Franken und mehr.

Wir kosten von allem – das meiste schmeckt. Und lernen dabei auch die georgischen Trinksprüche kennen. Getrunken wird eigentlich auf alles und zwar in folgender Reihenfolge: Eltern, Kindern, Freunde, Kollegen, Land und Leute. In einem Fall landeten wird schliesslich bei Flora und Fauna und man kann sich vorstellen, wie viele Trinksprüche dem voran gegangen waren. Wie auch immer, am nächsten Morgen wachten wir frisch und ganz ohne Begleiterscheinungen auf – auch das ein Qualitätsmerkmal.

Die Gastfreundschaft ist wichtig – am schönsten haben wir im Gästehaus Ludwig von Käthi und Oto in Lagadeghi gegessen. Das Paar betreibt das Gästehaus erst seit wenigen Jahren – offenbar aber mit durchschlagendem Erfolg. Das liegt auch der Freundlichkeit der beiden, am wunderbaren Garten und an der Küche.

Es gibt in Georgien und zwar vor allem in Tiflis (in Batumi waren wir nicht) auch eine moderne Gastronomie. In der Altstadt von Tiflis fanden wir das eben eröffnete Restaurant Meama: Hier wird georgische Küche zeitgemässs interpretiert. Das Weinangebot ist riesig und die Klima-Anlage funktioniert einwandfrei – bei Temperaturen von bis zu 40 Grad kein Luxus.