Abchasien und Südossetien – Georgiens unruhige Gegenwart

Nach dem Ende des Sowjetunion hat auch Georgien 1990 seine Unabhängigkeit erklärt – und war nach den drei baltischen Staaten erst der vierte Staat, der die Sowjetunion verliess. Seither haben zwei Bürgerkriege das Land erschüttert und zur Abspaltung von Abchasien und Südossetien geführt. Diese Kriege beschäftigen das Land noch heute – und sind auch für die Präsenz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz verantwortlich.

Wir besuchen die IKRK-Delegation im Geschäftsviertel der Stadt, wo die Organisation ein ganzes Stockwerk gemietet hat. Hier bestätigt sich, was wir vermutet haben: Die beiden Bürgerkriegen haben das Land erschüttert und zur Abspaltung von zwei Regionen geführt: Abchasien (Infos BBC) im Süden mit der Stadt Suchumi am Schwarzen Meer und  Südossetien (Infos BBC)   in der Mitte des Landes mit der Hauptstadt Zchinwali.


Tafel in georgischer und englischer Sprache am Sitz der IKRK-Delegation in Tiflis. Foto Dominik Landwehr. Juli 2018

Worum ging es da? Abchasien war am Ende des Zarenreiches vor der Gründung der Sowjetunion für kurze Zeit ein unabhängiger Staat und behielt bis 1931 zunächst eine gewisse Autonomie. Nach der Unabhängigkeitserklärung von Georgien 1990 suchte die Region ihrerseits die Unabhängigkeit. Das führt zu einem blutigen zweijährigen Bürgerkrieg 1992-94, bei dem 10‘000 Menschen den Tod fanden und etwa 250 000 Georgier aus der Region von Abchasien vertrieben wurden. Russland und Armenien unterstützten die Unabhängigkeitsbestrebungen Abchasien. Nur gerade 5 Staaten anerkennen die Unabhängigkeit Abchasiens, de facto gehört die Region heute zu Russland.


Beispiel für eine der Tätigkeiten des IKRK: Am 20.März 2018 wurden die sterblichen Überreste eines getötigen Georgiers zurück in seine Heimat transportiert. Foto IKRK Georgien. Mzia Saganelidze. https://www.icrc.org/en/document/transfer-remains-mr-archil-tatunashvili

 

Auch Südossetien genoss in den Sowjetzeiten eine gewisse Autonomie und war nach dem Ende der Sowjetunion Teil von Georgien. Bereits 1990 kam es zu einem ersten Krieg mit Georgien. Südossetien bezeichnete sich seit anfangs 90er Jahren als unabhängig. Die Spannungen mit Georgien blieben und eskalierten im Jahr 2008, als es erneut zu einem offenen Krieg mit Georgien kam. Während dieses Konfliktes, der übrigens von Georgien angefangen wurde, kam es zu Artillerie-Duellen, die auch die Provinzstadt Gori in Mitleidenschaft zogen.

Das IKRK ist in beiden Regionen engagiert und unterhält Kontakte mit allen Beteiligten. Die Aufgaben sind ähnlich: Wiederherstellung von Kontakten zwischen getrennten Familien, Unterstützung von Familien im Grenzgebiet, die durch die neuen Grenzen ihre Felder nicht mehr bewirtschaften konnten und Verbreitung der Grundgedanken des Humanitären Völkerrechtes.

Ein wichtiger Teil der IKRK Operationen sind unter dem Stichwort Forensik zusammengefasst: Es geht um die Identifikation der Toten aus beiden Kriegen. Hier wird mittels modernen genetischen Methoden die DNA der der Toten analysiert und mit möglichen Verwandten abgeglichen, umso den Familien Gewissheit zu geben.

Diese Arbeit war beim IKRK in der Vergangenheit umstritten. So hat die Genfer Organisation etwa im Fall der Opfer des Massakers von Srebrenica von 1995 keine solchen Untersuchungen machen wollen. Die Aufgabe wurde dann von einer eigens gegründeten Uno-Organisation übernommen. Seither hat sich die Doktrin geändert und dem Bedürfnis der Angehörigen nach Klärung wird mehr Bedeutung zugemessen. Aktionen wie der Transfer von sterblichen Überresten oben im Bild haben einen hohen Symbolwert.

Wichtige Texte aus dem Bereich des Humanitären Völkerrechtes müssen in die Landesprache übersetzt werden. Hier dürfte es sich um die georgische Ausgabe der Genfer Konventionen von 1947 und die Zusatzprotokolle von 1977 handeln. Foto Dominik Landwehr. Juli 2018