Obstgarten: Wo einst Königin Sonja einkehrte

Die Geschichte des Wirtshauses Obstgarten in Oberlangehard reicht bis Ende des 19.Jahrhunderts. Wirtin Hedi Werren ist 77 und steht immer noch am Herd und kocht für Gruppen. Ein Portrait, das ich für den Tössthaler vom 30.Juli 2021 geschrieben habe.

Nicht jeder Tösstaler kennt das Restaurant Obstgarten in Oberlangenhard. Der Grund dafür ist ganz einfach: Wirtin Hedi Werren ist schon 77jährig, das Haus ist nur einmal im Monat geöffnet, ansonsten kocht sie gerne für Gruppen von 25 bis 30 Personen. Aber: Der Ort ist legendär und gehört zum Bestand der alten Tösstaler Wirtshäuser. «Wir sind jetzt schon in der vierten Generation am wirten», sagt die Hedi Werren. Wer in die niedrige Gaststube eintritt, erlebt eine Zeitreise: So mag es um 1900 ausgesehen haben. Holztäfer, Kachelofen, einfaches Mobiliar. Die nächste Überraschung wartet im Garten: Gezähmte Wildnis, möchte man die Gartenpracht nennen. Feldblumen, Rosen, Sträucher und alte Bäume. Einiges lässt sich in der Küche verwenden, Pfefferminz, Lindenblüten, Salbei. Im angrenzenden Feld wachsen  Äpfel, Birnen, Zwetschgen – ein richtiger Obstgarten. Die roten Fensterläden des Hauses bilden einen wundervollen Kontrast zum satten Grün und dazwischen Blumen in allen Farben. Dahinter ist viel Arbeit und tatsächlich verbringt Hedi Werren einen wesentlichen Teil ihrer Zeit mit Gartenarbeit.

Stolz präsentiert uns Hedi Werren einen Prospekt, den sie 2015 zum 125 Jahr Jubiläum des Hauses gestaltet hat. Die Geschichte des Hauses beginnt mit dem Urgrossvater Ulrich Ramp, dessen Haus 1888 einem Brand zum Opfer fiel. 1890 zog die Familie in die heutige Liegenschaft am Dorfausgang von Oberlangenhard. Das Haus hiess damals noch Rosengarten, man hat es aber bald schon in Obstgarten umgetauft. Der Urgrossvater Ulrich Ramp und seine Familie führten die Wirtschaft neben ihrem bescheidenen Bauernbetrieb. Ein altes Foto zeigt die Familie um 1920, auf dem Bild ist auch eine Kuh und der Knecht, der damals zum Betrieb gehört. Zu trinken gab es hier nur eines: Sauren Most – deshalb auch der Name Obstgarten. Der Stall bot damals Platz für gerade mal vier Kühe – heute hat man ihn zu einem zusätzlichen Raum umgestaltet, der auch für Kurse genutzt werden kann.

Die Wirtstube im Obgstarten – man hat das Gefühl, hier sei die Zeit stehen geblieben. Foto Dominik Landwehr

Hedi Werren hat den Betrieb 1975 mit ihrem damaligen Mann, Edi Werren übernommen. Von den Bauern im Dorf konnte der Betrieb nicht überleben, man hatte schon damals die Auswärtigen im Auge, Spaziergänger auf dem Weg von Kollbrunn und Tüfels Chilen zum Schauenberg oder weiter. Nach der Trennung von ihrem ersten Mann war sie lange mit dem Winterthurer Unternehmer Chrigel Hunziker zusammen. Mit ihm zusammen führten sie das Haus zu neuer Blüte. Gekocht wurde allerdings auch da nur auf Bestellung  und am Wochenende führte ihr Partner die Kochlöffel. «Wir haben in jener Zeit aus beruflichen Gründen viele Schweizer Spitzenhotels besucht», erzählt mir Hedi Werren. Hat sie das inspiriert?  «In einem gewissen Sinne schon, es hat mich ermutigt genau meinen Weg weiterzugehen und das Gegenteil von der raffinierten Spitzengastronomie zu machen: Einfache Küche mit erstklassigen Zutaten, wenn möglich Bio und viel Butter. Das gibt Geschmack», erzählt sie lachend. Zum Beweis trägt sie eine frische Rhaberberwähe auf, köstlich ist nur der Vorname. Frische Küche mit regionalen Produkten, das ist im Trend, aber Hedi Werren hat eigentlich schon immer so gekocht. Nur mit den veganen Trend kann sie nichts anfangen. «Sowas gibt’s hier nicht, ohne Butter geht gar nichts», sagt sie lachend.

Der Garten ist das Lebenselixir von Hedi Werren: Hier kommen auch die Kräuter für ihre Küche her.
Foto Dominik Landwehr

In den vielen Jahren sind auch dann und wann bekannte Gäste hier vorbeigekommen: Am 4.Mai 1997 kam Königin Sonja von Norwegen zu Besuch. Ein kleiner Höhepunkt, an dem nicht alle nur Freude hatten, weil das ganze Haus für andere Gäste geschlossen war. Vor einigen Jahren filmte das Schweizer Fernsehen eine Folge der Sendung «Landfrauenküche». Dafür musste der halbe Garten umgestellt werden… Denkt sie mit ihren 77 Jahren langsam ans Aufhören? «Ich habe mir das auch schon überlegt. Aber das Haus, der Garten die Küche, das ist mein Leben. Solange es geht, mach ich weiter.» Mit Silvia Suter aus Turbenthal hat Hedi Werren eine Seelenverwandte gefunden, die ihr in der Küche zur Hand geht. Bei Anlässen helfen ihr manchmal Pensionierte unentgeltlich. «Früher haben wir grosse Feste gemacht, Freiluft-Konzerte und kulturelle Anlässe, manchmal mussten wir im Garten noch ein Zelt aufstellen, heute machen wir kleinere Anlässe mit 25 bis 30 Gästen».  Der Obstgarten in Oberlangenhard wird auch weiterhin ein Geheimtipp bleiben und das ist vielleicht ganz gut so.


Der Vater von Hedi Werren hat diesen Lindenbaum vor dem Haus in Oberlangenhard gepflanzt – der Baum ist fast so alt wie sie. Überhaupt: Alte Bäume sind eine Leidenschaft und in einem Fotoprojekt hat sie vor einigen Jahren alle alten Bäume des Dorfes dokumentiert. Foto Dominik Landwehr

Koch Tipps von Hedi Werren

Die Obstgarten-Küche ist einfach und regional. Ein paar Tipps hat Hedi Werren für die Leserinen und Leser des Tössthalers:

  • Tössthaler Spätzli: 500 Gramm Mehl, 5 Eier, Salz, Milch und Mineralwasser mit Blöterli. Daraus wird ein Teig gemischt, der ziemlich dick sein soll. Die Knöpfli werden mit dem Passvite ins kochend heisse Wasser geschabt, wenn sie oben schwimmen, sind sie gar. Darüber kommt Nussbutter.
  • Nussbutter: Ein grosses Stück Butter in der Pfanne erhitzen bis er schaumig wird, Temperatur zurücknehmen und warten, bis er sich klärt und wieder flach wird. Noch einmal aufschäumen. Der geklärte Butter lässt sich über die Spätzli oder über das Gemüsse giessen.
  • Saftplätzli: 4 Rindsplätzli in die Bratpfanne, darüber geschnittene Zwiebeln und eine neue Lage 4 mit Rindsplätzli salzen und pfeffern, danach in den Ofen, etwas Rotwein dazu geben. 90 Minuten köcheln lassen. Gut Ding will Weile haben.
  • Kartoffel-Gratin: Die rohen Kartoffeln werden mit der Röstiraffel verarbeitet und nicht in Scheiben geschnitten. Rahm mit etwas Butter bis die Form zu zwei Dritteln voll ist. Hedi Werren lässt ihn 90 Minuten im Ofen bei mittlerer Temperatur. So können die Kartoffeln Rahm und Butter aufsaugen.

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