Das Tösstal hat ein Imageproblem, das schleckt nicht einmal die SVP-Geiss Zottel weg. Zuerst waren es die Messingkäfer ? ein ganz gemeiner Schädling, der angeblich eine ganze Fabrik unbrauchbar gemacht hat. Dann gibt?s seit einigen Jahrhunderten Probleme mit den Stündelern, die sich hier offenbar bevorzugt einnisten. Neuerdings machen Kokainfunde im Durchgangsheim für Asylbewerber von sich reden. Nur wenig Gemeinde haben so viel Sozialhilfe-Empfänger wie die Tösstaler Gemeinde? Kurz und bündig: Wir haben ein Problem. Schon der Zürcher Stapi Sigi Widmer wusste: Die Medien schreiben zu viel Negatives. Und das geht nicht weiter so. Was bleibt einem anders übrig, als einen Berater zu befragen. Wir gehen gleich zum Besten nämlich zum Zürcher Star-Berater John B. Rülpser ? bekannt aus Funk und Fernsehen.
Tössthaler: Ähhm. Tschuldigung die Störung. Dürfen wir sie was fragen:
Rülpser: Fragen darf jeder. Kommt drauf an ob sie eine Antwort wollen. Zuerst aber: Was zahlen sie überhaupt!
Tössthaler: Sorry, wir haben kein Geld. Das ist ja ein Teil unseres Problems. Wir sind schon im kantonalen Finanzausgleich und da können wir uns keine Extra-Ausgaben leisten. Die würde der Regierungsrat glatt aus der Rechnung streichen. Vielleicht machen sie ja auch mal eine Gratis-Beratung. Sie können so was sicher von den Steuern absetzen?
Rülpser: Tja, da bleibt mir ja nichts Anderes übrig. (rülpst laut und vernehmlich).
Tössthaler: Wie sie ja wissen haben wir im Tösstal ein Imageproblem. Und wenn das nicht wäre?
Rülpser: Imageproblem. Ist doch egal. Schon Tucholsky hat gesagt: ?Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert?. Schauen sie doch die Stadt Zürich an: Die hat fast ebenso viele Sozialhilfe-Bezüger pro Kopf wie sie, dazu noch die höchste Rate an Wirtschaftskriminellen und die unanständigsten Preise für Wohnen und Essen. Und trotzdem wird sie Jahr für Jahr zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt gewählt.
Tösstaler: Dann könnten die das nächste Mal ja uns wählen? Die Wirtschaftskriminellen, sind doch auch ihre Kunden, oder?
Rülpser: Frech müssen sie nicht werden, auch wenn sie nicht bezahlen können. Und über meine Kunden rede ich nicht.
Tösstaler: Sorry, ich hab sie unterbrochen. Uns stinkt?s trotzdem, wir möchten etwas tun. Was schlagen sie vor
Rülpser: Lassen sie ein Atomkraftwerk in ihrem Tal bauen. Dann werden erst recht alle vom Tösstal reden.
Tösstaler: Sie sind von allen guten Geistern verlassen. Meinen sie das ernst?
Rülpser: Die Frage ist nicht, ob ich das ernst meine oder nicht. Die Frage ist, ob so was funktioniert.
Tösstaler: Das müssen sie erklären
Rülpser: Die Oberwalliser Gemeinde Oberwil war vor 50 Jahren die erste Gemeinde in der Schweiz, die das Frauenstimmrecht einführte. Meinen sie, die konservativen Oberwalliser hätten plötzlich Kreide gefressen? Sie waren nur klug und dachten sich: Das Frauenstimmrecht kommt wohl früher oder später, wenn wir aber die ersten sind, dann reden alle von uns und das beflügelt den Tourismus. Und schauen sie, es hat funktioniert: Die Gemeinde ist in die Geschichte eingegangen?
Tössthaler: Leuchtet mir ein, aber wenn ich das öffentlich schreibe, dann werde ich geköpft, vor allem von der Kupfer-Wolle-Bast-Fraktion, die hier stark ist?
Rülpser: Politiker und Journalisten brauchen ein dickes Fell. Seien sie mal nicht so wehleidig.
Tössthaler: Aber einen Kühlturm in unserem engen Tal, das kann ich mir jetzt wirklich nicht vorstellen. Und das wenige Wasser in der Töss, das würde unmöglich reichen?
Rülpser: Nicht so schnell. Das könnte eine Machbarkeits-Studie klären. Das hält die Diskussion jahrzehntelang warm. Schauen sie nur das Theater um das Endlager für radioaktive Abfälle in der Schweiz an. Ein Riesengestürm mit einem Resultat: Heute wissen alle wo der Wellenberg ist.
Tössthaler: Trotzdem. Ein Atomkraftwerk im Tösstal. Das ist doch etwas platt.
Rülpser: Mit etwas Phantasie wird das ganz schön. Sie könnten zum Beispiel einen grossen Architekten mit der Gestaltung beauftragen: Calatrava zum Beispiel, der hat die Bunker-Unterführung im Zürcher Bahnhof Stadelhofen gebaut. Libeskind, der macht nicht nur die neuen Türme von New York sondern ein Einkaufszentrum oder Botta, der baut alles, egal ob Museum, Kirche oder Einfamilienhaus. So könnte das Tösstal zur Pilgerstätte für Architektur-Fans werden.
Tössthaler: Gut. Was könnten sie sonst noch im Rahmen ihrer Gratis-Beratung für uns tun?
Rülpser: Ich hätte da noch eine Idee ? eine Resozialisierungs-Einrichtung für abzockende Manager.
Tössthaler: ?die könnten wir dann wieder aus ihrem Kundenkreis rekrutieren. Das ist wieder so eine Schnapsidee.
Rülpser: Jetzt hören sie doch einfach zu. Es gibt doch auf dem Sitzberg diese ehemalige Raketen-Abschuss-Station. Schön abgelegen und weit weg von Börse und Internet?dort könnten so eine Resozialisierungs-Einrichtung eingerichtet werden.
Tössthaler: Und dort sollen dann Vasella und Ospel Kurse geben?
Rülpser: Sie müssen ja nicht gleich mit den hoffnungslosen Fällen anfangen. Nehmen sie zum Beispiel diesen Thomas Limberger. Der verzichtet freiwillig auf einen Teil seines Lohns und nimmt statt 23 nur 7 Millionen Franken. Ihn könnten sie zum Beispiel als ersten Lehrbeauftagten engagieren.
Tössthaler: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut?. Und was sollen die tun?
Rülpser: Durch einfache Aufgaben in Familien und Gemeinde werden diese Leute wieder langsam an das normale Leben herangeführt. Wanderwege bauen, Fluss putzen, aber auch Fremdsprachen unterrichten und hin und wieder ähnlich wie bei einem Sprachaufenthalt auch ganz normale Familien besuchen und ihren Alltag teilen?
Tössthaler: Was ist wenn die Manager wegen des Fluglärms nicht schlafen können und beginnen, mit den übrig gebliebenen Raketen auf die Flugzeuge zu schiessen?
Rülpser: Das werden die nicht tun. Denn an der Goldküste lärmt?s ja wegen den Südanflügen genauso.
Tössthaler: Fragt sich wie lange noch. Und für die Kinder besteht keine Gefahr? Rülpser: Man könnte die Frage auch umgekehrt stellen: Wer garantiert, dass die Abzocker nicht weg gemobbt werden. Eine Portion Feingefühl gehört da wohl schon dazu?
Tössthaler: Ich weiss nicht ? aber ihre Zeit ist jetzt wohl um. Danke jedenfalls mal für ihre Ideen!
Erschienen im Tössthaler vom Samstag 14. April 2007