Die Garten und Gärtchen der Kultur

Martin Heller – einst künstlerischer Leiter der Schweizer Landesausstellung expo.02 – entwickelt heute kulturelle Projekte für Dritte und macht sich Gedanken zur Kulturpolitik und damit auch zur Kulturförderung. In seinem Interview mit der Zeitschrift BILANZ finden sich einige interessante und leicht bösartige Bemerkungen zur Schweizer Kulturszene.


Seine Überlegungen sind in eine Kritik an der offiziellen Schweizer Kulturpolitik verpackt – gehen aber darüber hinaus in eine noch wichtigere, grundsätzlichere Richtung:
„Ich möchte gerne Ziele sehen. Wohin will die Kultur in unserem Land? Welche Rolle spielt sie in einer postindustriellen Gesellschaft? Darüber hört man sehr wenig. Weil es letztlich immer noch um einen betulichen, bürgerlichen Kulturbegriff geht, der Kultur zwar als eine schöne, aber irgendwie entbehrliche Sache begreift, im Sinne von: Zuerst muss Geld da sein, dann können wir uns Kultur leisten. Eine scheinbar vernünftige Formel, die so längst nicht mehr funktioniert. “
Zum Glück bleibt er nicht bei der Kritik an Bundesrat Couchepin und seinen unininspirierten Ideen stehen, sondern geht einen Schritt weiter und da kriegen auch die Kulturschaffenden ihr Fett ab. Auch von dort sieht Heller keine Visionen. Warum?
„Die Antwort ist einfach: Weil es mehr interessante kleine Gärten denn je gibt. Und weil die Schweizer Kulturszene mit wenigen Ausnahmen nicht die grosse Linie sucht, sondern der eigenen täglichen Arbeit nachgeht. Was ich durchaus verstehe. Man gräbt erst einmal dort, wo man steht.
Das klingt sehr uninspiriert.
Es ist kein politischer Wille da, von der Kultur etwas zu wollen. Ich würde die Kultur nicht nur fördern, sondern etwas von der Kultur fordern wollen.
Das ist die politische Seite. Aber auch die kulturelle Seite verhält sich passiv in dieser Frage.
Es gibt einen hohen Sättigungsgrad. Alle haben ihr Auskommen. Es ist wie überall in der Schweiz: Wir laufen nicht auf dem Zahnfleisch, man kann sich einrichten, und das macht bequem.“
Tatsächlich. Das deckt sich stark mit meinen eigenen Beobachtungen: Wir leben in einem fein austarierten System. Die Kulturschaffenden sind organisiert in Gruppen und Grüppchen und jede hat ihre Lobby: Film, Theater, Tanz, Literatur….natürlich, alle mehr oder weniger. Neuere Disziplinen wie Pop oder Neue Medien sind gerade daran, bei den anderen abzugucken und abzuschätzen, was für sie denn in nächster Zeit so „drin liegt.“
An den Fachhochschulen werden Kulturmanager ausgebildet, die das System schön am Laufen halten. Dort lernt man, wie man einen gut geölten Event vorbereitet, ein Gesuch verfasst, das allen Anforderungen gerecht wird, welche Akteure ins Netzwerk-Portfolio der Kulturworker gehören…so kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Und so lange weiterhin so viel Geld wie heute zur Verfügung steht, wird dieser Betrieb genau so weiter gehen.
Auch von dort kommen keine Ideen, Visionen… Und selbst der Schreibende überlegt sich, ob er die Gedanken nicht einer rigorosen Selbstzensur unterziehen soll. Man sägt schliesslich nicht am Ast, auf dem man sitzt.
Die Gedanken, die in diesem Interview nebenbei geäussert wurden, verdienen es, weitergesponnen zu werden. Sternenjäger wird also auf die Jagd gehen müssen. Auch wir bleiben dran…
Das ganze Interview mit Martin Heller in der BILANZ vom Januar 2006
Und auch auf den Websiten von Martin Hellers Heller Enterprises
Und hier gehts direkt zu Heller Enterprises

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