Czernowitz: Stadt der Jugend – Reisenotizen Ukraine

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Ein Blick in einen Innenhof in Czernowitz: Zwei Burschen, noch keine 20, posieren bereitwillig vor einem bunten Graffiti. Überhaupt: In Czernowitz dominiert die Jugend. Da mögen Wolken und Regen sich noch so trostlos mit dem Grau der Häuser und dem Dreck der Strasse mischen. Wer sich umschaut blickt in junge Gesichter. Ähnliches ist uns übrigens auch anderswo im Osten Europas widerfahren, sei es in Tirgu Mures, Budapest oder Bukarest, in Zagreb ebenso wie in Szeged.


Kurz vor der Turnstunde sprechen wir mit einer Gruppe von Jugendlichen, die sich für die Krankenpflege ausbilden lassen. In sicherer Entfernung vom Radio-Mikrophon des Kollegen bittet ein etwa 17jähriger Jugendlicher um ein Foto: Die Bitte erfüllen wir gerne und seine Breakdance-Pose im städtischen Stadion von Czernowitz ist vom Foto her bestimmt ein Höhepunkt unserer Reise.
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Wovon träumen die Jugendlichen: Schwer, unter den strengen Augen der Lehrerin ehrliche Antworten zu kriegen. Alle möchten eine Praxis eröffnen und den Armen in ihrer Stadt helfen. Sie wissen wovon sie sprechen. Unsere Blicke fallen kaum in die Schattenräume der heutigen Ukraine.
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Tatsächlich ist es die Armut oder die fehlende Perspektiven, welche viele zur Emigration veranlasst. Die ukrainischen Prostituierten, die in Westeuropa auftauchen, bilden nur die Spitze eines Eisberges. 2005 arbeiteten rund 40 000 Czernowitzer im Ausland; die Männer häufig aus dem Bau, die Frauen meist als private Pflegerinnen in Italien und Spanien, schreibt etwa der hiesige Journalist Bohdan Zahajskij. Zerrissene Familien und Kinder, die zwar Geld aber keine Fürsorge der Eltern hätten, seien das Resultat davon, erklärt uns unsere Führerin Tanja B.
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Noch eine Beobachtung zum Thema Jugend: Immer wieder sehen wir Hochzeits-Zeremonien. Hier eine festlich geschmückte pompöse Stretch-Limousine, gemietet für diese wichtigen Stunden, dort eine Gruppe von herausgeputzten jungen Leuten, mit dabei riesige, symbolstarke Brote, die eher an Kuchen als an Laibe erinnern. Olga, unsere Lemberger Übersetzerin und Führerin meint lakonisch dazu: „Sie gehen ins Kino, danach heiraten sie. Danach kommt die Scheidung und dann gehen sie wieder ins Kino…“

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