Am Jahrestreffen der Wikipedianer in Erfurt (Wikicon 2021) Teil 2

Im zweiten Teil meines Beitrages zur Wïkicon habe ich ein paar Notizen zu jenen Themen gemacht, die mich besonders interessiert haben. Die Auswahl ist komplett subjektiv und unvollständig. Das Programm ist weiterhin online zugänglich, einige Beiträge wurden aufgezeichnet, bei anderen finden sich Notizen oder Präsentationen.

  • Gender-Gap: Frauen sind in der deutschsprachigen Wikipedia krass unterrepräsentiert. Eine Initiative, zur der auch Workshops in der Schweiz gehören, versucht das zu ändern. Es sei nicht realistisch, ein 50:50 Ziel zu haben, konnte man hören. Stattdessen: Vernetzung von Frauenprojekten fördern, Ursachen für den Mangel an Autorinnen hinterfragen und einen differenzierten Blick auf die Wikipedia-Kultur ermöglichen. In einem anderen Beitrag analysierte eine Autorin den männlichen Blick anhand von Bildern aus Wikimedia Commons. Es gibt Artikel, deren Illustrationen unnötig sexuell aufgeladen ist.
  • Paid-Editing. Bezahlte Artikel – ein heikles Thema. Es ist zwar nicht ausdrücklich verboten, Autoren für ihre Arbeit zu bezahlen, aber es ist unerwünscht. In letzter Zeit hatten offenbar einige Wikipedianer in Berlin Firmen eröffnet, die  Wikipedia-Artikel im Auftrag von Firmen und Organisationen erstellten. Freiwillige empfinden es als stossend, dass sie ohne Honorar bezahlten Schreiberlingen helfen sollen. Die Faustregel heisst: Wer für Geld Artikel schreibt muss das auf seiner Profil-Seite ausweisen. Die bezahlten Artikel und auch die Auftraggeber müssen genannt werden. Missbräuche lassen sich nicht immer verhindern, werden aber in der Regel relativ schnell aufgedeckt und zwar auch dann, wenn die Autoren ihre Arbeit auf mehrere Accounts verteilen. Besonders beliebt ist es offenbar, kommerzielle Links in bereits bestehende Artikel zu platzieren. Solche Links werden konsequent gelöscht, in der Regel fliegen die Manipulationen auf und die Autoren werden gesperrt.
  • Urheberrecht. Die Bemerkungen beziehen sich meist auf deutsches Recht und sind in der Regel nicht 1:1 auf die Schweiz übertragbar. In Deutschland ist es erlaubt, eine Reproduktion eines freien Bildes aus einem Katalog zu benutzen. Fotografieren in Museen ist aber weiterhin nur dann erlaubt, wenn es die Hausordnung nicht verbietet. Deshalb ist es u.U. nicht statthaft Werke zu fotografieren auch wenn ihr Urheber mehr als 70 Jahre tot ist.
  • Persönlichkeitsrecht: Auch hier geht es wieder um deutsches Recht. Das Gericht deckt die Bekanntgabe eines Geburtsdatums auf Wikipedia nur bei bekannten Personen, deren Geburtsdatum auch anderswo publiziert ist. Bei weniger bekannten Personen (B-Prominenz) ist das anders vor allem auch dann, wenn ihr Geburtsdatum anderswo nicht ersichtlich ist. Das gilt auch für Kontroversen, wobei unklar ist, wo die Grenzen des öffentlichen Interesses liegen.
  • Kooperation mit dem ZDF. Seit einigen Jahren kooperiert Wikipedia mit dem ZDF und zwar mit der Sendung Terra X. Ziel ist es, Sendungen unter einer Creative Commons Lizenz in Wikipedia zu integrieren. Das ist in der Praxis allerdings schwierig, weil bei einem Fernsehbeitrag verschiedene Rechtsinhaber tangiert sind (Text, Bild, Musik, Persönlichkeitsrechte, Archivmaterial). Für das Archivmaterial ist der Aufwand zu hoch und kann kaum geleistet werden, anderes sieht es bei planbaren Sendungen aus. Aktuell finden sich unter dem Lemma Terra-X auf Wikipedia einige kurze Clips aus der Sendung, sie betreffen Themen wie Insulin, Demokratie in der Antike, Klimafaktoren, Geysire.
  • Die WikiCon 21 war eine hybride Veranstaltung – also gleichzeitig vor Ort und online. Die Realisierung einer solchen Veranstaltung ist anspruchsvoll und ist absolut gelungen. Mein persönliches Fazit: Das ist das Format der Zukunft. Natürlich ist es toll, sich vor Ort auszutauschen. Aber das muss nicht immer sein und hin und wieder würde ich gerne auch an einer Online-Tagung mitmachen.

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