Er kommt von ganz unten: »Du bist das Kind einer Hure« hat man ihm als Bub gesagt, von seiner Mutter getrennt und als Verdingkind weg gegeben. Immer wieder hat er darüber geschrieben: Der Schmerz über das erlittenes Unrecht, so hat er gelernt, geht nicht weg, wenn man darüber schreibt. Aber er kriegt einen Namen. Turi Honegger erzählt am nächsten Kulturapero am Sonntag 2.März im Sonnenhof in Kollbrunn aus seinem Leben, liest aus seinen Büchern und stellt auch sein neuestes Werk »Der rote Huber« vor.
Wer kennt ihn nicht: Den 1924 geborenen Schriftsteller aus dem Zürcher Oberland, der 1974 mit seinem Buch ?Die Fertigmacher? zum ersten Mal über seine Kindheit als Verdingbub geschrieben hat. Das Thema hat ihn nie mehr losgelassen. 2004 wurde es auch zum Mittelpunkt im bewegenden Filmdokument ?Turi? der Sirnacher Journalistin und Filemacherin Lotti Wohlwend. Sein Buch von 1974 gilt heute als Klassiker der neueren Schweizer Literatur und würde kürzlich von Charles Linsmayer neu herausgegeben.
Im neusten Buch zeigt sich der Autor aber von einer anderen Seite. Unter dem Titel ?Der rote Huber? sind im Verlag Huber Frauenfeld eine Reihe von Reportagen und Erinnerungen von Honegger erschienen. Die Geschichten und Reportagen decken die Zeit zwischen den 30er und den 70er Jahren dar und sind ein bewegendes Stück Schweizer Geschichte. Da gibt es die kleine Anekdote von Henry, dem Berliner Bub mit dem geschliffenen Mundwerk, der eine Zeitlang bei Turi und seinen Pflegeeltern in Rüti wohnte und der Familie zuerst einen Hauch der weiten Welt und später von der Hitler-Begeisterung mitbrachte und eines Tages mit sanfter Gewalt vom Schulhausdach entfernt werden muss? Die Geschichte von den neuen Glocken der katholischen Kirche zeigt etwas über die Feindschaft, mit der sich Katholiken und Protestanten vor noch nicht allzu langer Zeit gegenüberstanden und man fragt sich unwillkürlich, ob uns die Diskussionen zwischen Christentum und Islam in 50 Jahren nicht ebenso überholt erscheinen mögen?.
Berufslehre oder Studium gabs für Turi Honegger nicht. Umso eindrücklicher erscheint deshalb eine Begegnung des Autors ? es dürfte in den 50er Jahren gewesen sein ? mit dem grossen Schauspieler Heiri Gretler, der den damaligen Bauernknecht Honegger ermunterte, die Schauspielerei zu betreiben. Später gelingt dem sprachbegabten jungen Mann der Einstieg in den Journalismus, ausgerechnet beim frisch gegründeten Boulevardblatt Blick. Schlitzohrig und witzig gibt?s hier reichlich gemischte Kost, etwa zu einem Berlin-Besuch mitten im Kalten Krieg zu hören. Die Flugzeugtkatastrophe von Dürrenäsch, die am 4.September 1963 einen Viertel der erwachsenen Dorfbevölkerung von Humlikon auslöschte, erschütterte die Schweiz und auch den jungen Reporter, der viele Leute im Dorf persönlich kannte. Honegger schreibt damals wie heute nicht distanziert-sachlich, sondern engagiert, persönlich, mit-betroffen, egal ob er über den Sechstagekrieg in Israel berichtet oder über den Selbstmord einer jüdischen Frau in Zürich. Als mitdenkender und mitfühlender Zeitgenosse, der etwas zu sagen hat, nicht zuletzt weil er auch selber einiges mitgemacht hat.
Dominik Landwehr
Der Anlass in Kollbrunn wird von der Kulturkommission Zell organisiert und von der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich mitunterstützt.
Sonntag, 2.März 2008 ? 11.15 ? 13.00 Restaurant Sonnenhof
Eintritt: Erwachsene Fr. 25.00 / Jugendliche Fr. 15.00
(inkl. 1 Kaffee und 1 Gipfeli) Bücherverkauf im Anschluss an den Anlass. Der Autor signiert auf Wunsch gerne seine Bücher.
Das im Text erwähnte neue Buch von Arthur Honegger ?Der Rote Huber? erschien 2007 im Verlag Huber Frauenfeld und ist über den Buchhandel erhältlich
www.toesstal.ch