Libanon vor einem Bürgerkrieg – und die Welt schaut zu

Auge um Auge, Zahn um Zahn – das scheint gegenwärtig die Währung im Nahen Osten zu sein. Unerträglich die Nachrichten, die Bilder und unerträglich die Arroganz Israels. Aber: Who cares. Man zahlt die steigenden Benzinpreise, der Rest ist weit weg und schliesslich ist man sich aus dieser Weltregion seit Jahrzehnten nichts Anderes gewohnt.


Auch die Classe Politique ist nicht sonderlich beunruhigt. Zwar gab die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey eine eindeutige Stellungnahme ab, sehr zum Missfallen jüdischer Kreise in der Schweiz – aber sonst? – WM, Sommerferien und Party scheinen wichtiger zu sein. Überhaupt: Die 70er Jahre waren zwar kulturelle weitgehend eine Einöde, dafür spielte Politik eine Hauptrolle. Nicht so heute: Dank munter sprudelnden Kulturgeldern und ebensolchen aus dem Verkauf von Alkoholika stammenden Party-Einnahmen ist Fun+Party+vielleicht noch ein Häppchen Gegenwartskunst wichtiger als Politik und der Nahe Osten ist weit weg.
Immerhin rücken die beiden grossen Zeitungen NZZ und Tages-Anzeiger die Dinge ins richtige Licht. Die“NZZ am Sonntag: „Geduldige Geheimdiplomatie mit dem Ziel des Gefangenenaustausches wäre hier wohl erfolgsversprechender. Als gänzlich unverhältnismässig erscheinen die Bombardierungen im libanesischen Kernland“.
Roger de Weck bemüht in seinem Kommentar in der heutigen SonntagsZeitung das US Handbuch für den Kampf gegen Aufständische. Sogar dieses Handbuch kommt – man staunt – zum Schluss, dass die zivile Bevölkerung in einem Konfliktfall zu schützen sei. Nicht etwa weil die Genfer Konventionen dies wollen, sondern ganz einfach, weil zivile Opfer Motivation zu neuen Kämpfen liefern würden. Und dann:
„Israel macht das Gegenteil. Es verfolgt faktisch eine Verelendungsstrategie. Nie entwarf es einen Marshall-Plan, um die palästinensische Wirtschaft aufzurichten und eine Mitttelschicht zu errichten…Stattdessen erfahren Händler und Bauern Schikanen ohne Ende. Im Gazastreifen, den Israel bewusst dem Chaos überliess, zerstör es die von Europa finanzierte Infrastruktur….Israel will sich behaupten, indem es sich noch mehr Feinde macht. “
So ist es. Die Gewaltspirale dreht sich weiter. Und Israel-kritiker in der Schweiz und anderswo müssen sich weiterhin gefallen lassen, als Antisemiten abgestempelt zu werden. Das geht nicht. Israel ist ein Staat wie jeder andere auch. Und diesem Staat muss gegenwärtig Einhalt in seinem Tun geboten werden. Denn im Nahen Osten steht mehr auf dem Spiel: Mit einer Konfrontation mit Syrien und dem Iran – gegenwärtig durchaus mögliche Szenarien – wäre keinem gedient. Den Zivlisten am wenigsten. Übrigens auch der israelischen Bevölkerung.

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