Herbert W. Franke zum 85.Geburtstag

Es gibt ihn auch heute noch, den Homo Universalis. Jenen vielfältig begabten Menschen der Renaissance, der es in mehreren Gebieten zu hoher Meisterschaft bringt. Einer davon ist gewiss Herbert W. Franke, der heute am 14.Mai 2012 seinen 85.Geburstag feiert. Die Galerie E-Werk im Freiburg im Breisgau zeigt ihm zu Ehren eine Ausstellung mit Computergrafik. digital brainstorming Podcast präsentiert einen 40 minütigen Podcast mit dem Jubilar.

(Dominik Landwehr unterhält sich mit dem Jubilar. Länge 40 Minuten)
Was der Kunsthistoriker Peter Weibel zum 80.Geburtstag von Herbert W.Franke schrieb, gilt selbstredend auch heute, wo wir den 85.Geburtstag des vielseitig begabten Künstlers feiern:
„In romantischen Gemeinplätzen schwankt die Definition des Künstlers zwischen Priester, Soldat und Arzt. Der Künstler der Zukunft wird seine Rolle finden zwischen Wissenschaftler, Ingenieur und Schriftsteller. Herbert W. Franke ist ein Künstler der Zukunft.“


So etwas wie einen Ruhestand kenne er nicht, erklärt Franke im digital brainstorming Podcast. Tatsächlich lässt sich in seiner Biografie keine entsprechende Zäsur entdecken. Noch 2008 wurde Franke zum „Senior Fellow“ am Zuse Forschungs Institut Berlin ernannt – mit der Freiheit an jenen Themen zu arbeiten, die ihm Spass machen, erklärt Peter Deuflhard, Direktor des renommierten Berliner Institutes an der Geburtstagsfeier, die gleichzeitig die Vernissage der in Freiburg im Breisgau. Ausstellung war.


Herbert W. Franke war und ist wohl so etwas wie ein Freigeist: Gerade mal fünf Jahre lang hat es der 1927 geborene und 1950 promovierte Physiker in der Industrie ausgehalten, gearbeitet hat er damals im Marketing der Firma Siemens. Danach war klar: Nur freiberuflich konnte er seinen Ideen nachleben.


Angefangen hat er mit wissenschaftlicher Fotografie. Dies war naheliegend, hatte er sich doch schon während seines Studiums mit dem neu entdeckten Elektronenmikroskop befasst und dabei die überraschende Feststellung gemacht, dass physikalisch-optische Fehler reizvolle Muster erzeugen. Und diese Muster interessierten ihn bald mehr, als die einfach Abbildung von physikalischen Prozessen. Zu seinen ersten Arbeiten zählen die so genannten Oszillogramme Mitte der 50er Jahre , die auch in der aktuellen Ausstellung gezeigt werden. Franke hat in diesen Arbeiten nicht einfach nur Schwingungen sichtbar gemacht und festgehalten: Er hat einen Fotoapparat langsam über den kleinen Bildschirm des Oszilloskops gezogen. Die dabei aufgetretenen Muster und Verzerrungen faszinierten ihn und daraus gestaltete er das Bild.

Herbert W.Franke: Rotationen-Projektionen aus dem Jahr 1974. Bild Archiv Herbert W.Franke


Wie man sich diese Arbeit etwa vorzustellen hat, zeigt unser Bild. Es ist gemäss Ausstellungskuratorin Heike Piehler Mitte der 50er Jahre entstanden. Die Kuratorin fand in ihren Unterlagen auch gleich den passenden Satz aus einem Werk von Herbert W.Franke


„Man sitzt also in einem verdunkelten Raum, die Hände an der Schalttafel, und beobachtet am Leuchtschirm unmittelbar das Ergebnis. (…) Man sieht die abenteuerlichsten Formen entstehen und zerfließen, wandern und kreisen, sich zusammenziehen und sich lösen. Ich habe stundenlang vor der magischen Scheibe gesessen und die hellgrün leuchtenden Linien verfolgt – und darüber vergessen, daß neben mir die Kamera stand, mit der ich diese Eindrücke festhalten wollte.“

Herbert W. Franke in: Kunst und Konstruktion. Physik und Mathematik als fotografisches Experiment. Bruckmann, München 1957, S. 28

Interessanterweise sind es die ganz frühen und die ganz späten Arbeiten, die aus heutiger Sicht am meisten ansprechen. Unter den jüngsten Arbeiten dokumentiert die Ausstellung eine Serie von 3D Bildern, die verschiedene Ansichten auf eine phantastische Fantasie-Konstruktion ermöglichen. Tatsächlich war Herbert W. Franke, der lange wie viele andere auch mühevolle Rechenarbeit auf den Grossrechenenanlagen angewiesen war, sofort von den Möglichkeiten des PC überzeugt und hat ihn seit Mitte der 80er Jahre intensiv benutzt und dabei von den wachsenden Möglichkeiten profitiert. Zunächst war das die Möglichkeit auch farbige Grafiken herstellen zu können, später kam die Möglichkeit der Animation dazu – auch er träumte davon, mehrere Ansichten eines Bildes gleichzeitig zeigen zu können. Und schliesslich begeisterte er sich für die interaktiven Möglichkeiten, die den Benutzer in einer neuen Form in die Grafik miteinbezogen.

Herbert W. Franke feierte grosse Erfolge im Bereich der Computergrafik: Erinnert sei etwa an eine umfassende Ausstellung, die er für das Goethe Institut gestaltete. Die Ausstellung wurde in den 60er und 70er Jahren in mehr als 160 Ländern weltweit gezeigt. 1974 gestaltete er das Bühnenbild für ein Ballet an der Bayerischen Staatsoper in München. Dass er 1979 zu den Gründern der Ars Electronica gehört, darf dann nicht weiter überraschen. Schon erstaunlicher ist aus heutiger Sicht, dass sich dieses Festival aus bescheidenen Anfängen im Rahmen der Bruckner Tage in Linz zum weltweit bedeutendsten Festival im Bereich Technologie, Kunst und Gesellschaft entwickelt hat.


Bekannt geworden ist Herbert W. Franke dennoch weniger als Künstler oder Grafiker sondern als Autor von Science Fiction Romanen. 13 Romane, zahleiche Kurzgeschichten und Hörspiele hat er geschrieben. Zuletzt hat er die Geschichte „Der Kristallplanet“ fürs Puppenspiel adaptiert. Zum Schreiben kam er zunächst vor allem aus wirtschaftlichen Gründen: Von der Kunst liess sich nicht leben und über Wissenschaft schreiben lag schon dem jungen Physiker im Blut. Vom Sachbuch zur Fiktion war für ihn denn auch kein grosser Schritt mehr.
Eine dritte Leidenschaft hat sein Leben bestimmt: Die Höhlenforschung. Im Gespräch vergleicht Franke die Erforschung eines Höhlensystems mit der Arbeit an wissenschaftlichen Illustrationen: Man muss sich oft durch einen engen Tunnel durcharbeiten bis man in einer wunderbaren Kaverne ankommt, wo man dann wieder aufrecht stehen kann.
Herbert W. Franke lebt heute zusammen mit seiner Lebenspartnerin Susanne Paech in der Nähe von München.
Über Leben und Werk des ungewöhnlichen Künstlers informiert eine umfangreiche Website.
Die Ausstellung „Herbert W. Franke – Pionier der Computerkunst“ ist noch bis zum 27.Mai im E-Werk im Freiburg im Breisgau zu sehen.
Zum Geburtstag gabs von Seiten digital brainstorming gleich drei ungewöhnliche Geschenke: Ein Solar-Insekt, das von Daniel Imboden geschaffen wurde, sowie ein Wurzel-Synthesizer und eine weiterer Klangmaschine (in der weissen Box) präsentiert von der Schweizerischen Gesellschaft für mechatronische Kunst (SGMK), namentlich von Urs Gaudenz und Marc Dusseiller. Imboden, Gaudenz und Dusseiller sowie auch die SGMK wurden in den letzten Jahren vom Migros-Kulturprozent unterstützt.

Herbert W. Franke im Jahr 1954 mit einem Analogrechner. Foto Archiv Herbert W.Franke.


Kommentar hinterlassen