Das Französisch abschaffen

Die Mehrsprachigkeit der Schweiz gibt immer mal wieder zu reden. Dabei geht es unter anderem um die Frage, welche Sprache die Schüler zuerst lernen sollen. Englisch oder Französisch. Die Wellen gehen auf und ab. Es fehlen aber richtig visionäre Vorschläge. Hier kommt nun einer: Schafft endlich den Französischunterricht ab. Macht ihn freiwillig für jene, die wirklich wollen.


Bin ich von allen guten Geistern verlassen und bringe den Schweizer Staat und unser Demokratieverständnis in Gefahr? – Nein. Im Gegenteil. Nur: Bildung und Bildungspolitik haben in den letzten 20 Jahren versagt. Überzeugen Sie sich selber. Fragen Sie mal einen 20jährigen, was er über den Französischunterricht denkt? – Oder noch besser: Fragen Sie nicht, testen Sie, was ihm davon geblieben ist. Das Resultat ist nicht armselig sondern vernichtend, absolut verheerend. Bei zwei Dritteln ist gar nichts geblieben. Mehr noch. Die vergessen schneller, als sie lernen können. Schwups und alles ist weg.
In welcher Sprache verständigen sich heute mit junge Leuten aus verschiedenen Sprachregionen im Sport oder bei der Arbeit? Genau: Englisch. Welches ist die offizielle Sprache der ETH? – Englisch. Mehr noch: Ein Informatiklehrling, so wird mir berichtet, musste einen Computer in der Westschweiz installieren. Er hatte sein Französisch längst vergessen. Sein Westschweizer Partner konnte weder Deutsch noch Englisch. Wie haben sich die beiden verständigt? Keine Ahnung! – Noch eine Geschichte: Ein Kollege von mir besuchte kürzlich eine Sprachschule der Eurocentres in Paris und war begeistert vom Lehrer und seinem Unterrichtstil. Der Lehrer hatte den Eindruck, in der Schweiz werde den Jugendlichen die französische Sprache systematisch verleidet. Bildet er sich das nur ein? – Ich glaube kaum, denn mir geht es mittlerweile auch so.
Wie viel Energie, Zeit und Ressourcen werden Jahr für Jahr für den Französischunterricht aufgewendet? – Mit welchen Resultaten? – Die Bilanz ist derart vernichtend. dass man sagen muss: Aufhören. Ihr habt es probiert, es hat nicht geklappt. Ende der Übung. Hört auf die Schüler zu plagen. Und: Nicht die Schüler haben versagt, versagt haben die Lehrer, das Bildungssystem und die Bildungspolitiker.
Dann: Die Ruhe geniessen und nachdenken. Meinetwegen kann ja in der gewonnenen Zeit Mathe und Naturwissenschaft gebüffelt werden, so kommt auch die Technik-Fraktion auf ihre Rechnung. Wollen wir, dass unsere jungen Leute Französisch können? – Wie gut müssen sie es beherrschen? – Wie wäre es, wenn man für einmal nicht Bildungspolitiker und Lehrer fragt, sondern Leute aus der Praxis. Zum Beispiele Ausbildungschefs von Grossbetrieben wie Post, SBB, Migros, KMU, die in beiden Landesteilen tätig sind, meinetwegen sogar die Bundesverwaltung. Sie könnten zusammen einen Praxis-Test entwickeln. Dazu gehört zum Beispiel eine Sitzung, ein Telefon mit einem Kunden, eine Kurzrecherche im Internet.
Nächster Schritt: Wollen wir so etwas umsetzen? – Darüber könnte man ja auch abstimmen. Umsetzen heisst für mich: erfolgreich umsetzen, nachprüfbar und messbar. Vielleicht würde man dann feststellen, dass man eine Sprache mit einigen Stunden Unterricht pro Woche nicht lernen kann. Ich jedenfalls habe meine Französischkenntnisse nicht in der Schule erworben, sondern im Feld, in Frankreich mit Wein und Käse, Pernod und Pastis, Gauloises, Gitanes, Boyards und Françaises. Letzeres sind Zigarettenmarken, die heute wohl alle verboten, aber fürs Französischlernen aber eine Wohltat waren. Was hindert uns daran, von jedem Sekundarschüler zu verlangen, mindestens 3 Monate in einer anderen Sprachregion in die Schule gegangen zu sein, von jedem Gymnasiasten ein halbes Jahr und auch in der höheren Ausbildung liesse sich das fortsetzen. Das würde uns auch näher zusammenbringen und fördert zudem auch den Tourismus. Es braucht manchmal solche dirigistischen Eingriffe, wenn man ein klares Ziel erreichen will.
Und was hindert uns daran zu schauen, wie anderswo Sprachen gelernt werden. Zum Beispiel in Israel: Die Einwanderer aus Äthiopien, Russland oder Dänemark, sie alle müssen innert kürzester Zeit Hebräisch lernen. Also hat man in Israel eine Ahnung, wie man diese Sprache vermittelt. Auch der CIA und das amerikanische Aussendepartement wissen, wie das geht. Ihre Sprachkurse zählen zu den erfolgreichsten der Welt und Französisch gehört in diesen Gefilden noch zu den einfacheren Sprachen.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich will das Französisch nicht abschaffen. ich will nur den grenzenlos langweiligen und ineffektiven Französischunterricht abschaffen. Die Mehrsprachigkeit der Schweiz gehört zu den Erfolgsfaktoren unseres Landes – neben dem dualen Bildungssystem. Wir sind daran diesen Standortvorteil einzubüssen. Es ist idiotisch sich den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Sprache denn bitte zuerst gelernt werden muss. Denn es ist völlig egal. Wichtig ist vielmehr, dass überhaupt Sprachen gelernt werden. Und wenn, dann bitte richtig. Danke!
Dieser Text erschien in der Rubrik Standpunkt vom 8.Juni 2013 im Tössthaler.

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