Zu Besuch beim Astronomen des Papstes

Mitte Juli 2023 hatte ich die seltene Gelegenheit, mit einer Gruppe aus dem Kloster Disentis, das Observatorium des Vatikans zu besuchen und mit dem Astronomen des Papstes zu sprechen.

Treibende Kraft hinter diesem ungewöhnlichen Besuch war der Disentiser Mönch Bruder Martin Hieronymi: «Im Sommer 2020 hat uns der Physiker Niklaus Imfeld ein Teleskop gebracht und wir haben ihm einen Raum in einem Stall oberhalb des Klosters zur Verfügung gestellt, um dort ein Observatorium einzurichten». So wurde beim ihm das Interesse an Astronomie geweckt. Der Schweizer Jesuit Christian Rutishauser, bis vor einigen Jahren Provinzial der Schweizer Jesuiten und heute in München für den Bereich Ausbildung im deutschsprachigen Raum zuständig, ermöglicht schliesslich das Treffen mit dem Wissenschafter in Castel Gandolfo. Dort, 25 km von Rom entfernt, befindet sich die Sommerresidenz des Papstes und auch das Observatorium des Vatikans. Der Leiter der vatikanischen Sternwarte, Guy Consolmagno ist selbst auch Jesuit und stammt aus den USA. Am Observatorium leitet er eine Gruppe von Wissenschaftern aus seinem Orden, daneben sind hier aber auch weitere Forscherinnen und Forscher ausserhalb des Ordens integriert.

Das Vatikanische Observatorium etwas ausserhalb des Ortes Castel Gandolfo inmitten eines wunderbaren Parkes. Foto Dominik Landwehr.

Guy Consolmagno holt die Gruppe ab und erzählt von der langen Geschichte der Astronomie im Vatikan: So wurde unter Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 die grosse Kalenderreform durchgeführt, die ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Sonnen- und Kalenderjahr verhinderte.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkte der Vatikan seine Bemühungen um die Astronomie. Er wollte damit Behauptungen entgegentreten, dass die Kirche gegen die Wissenschaft eingestellt sei. Einen ersten Höhepunkt hatten die Forschungsbemühungen des Vatikans mit dem italienischen Jesuiten Angelo Secchi (1818 – 1878)

Ab 1863 begann er, die Spektren von Sternen zu sammeln, wobei er etwa 4.000 Spektrogramme von Sternen anfertigte. Durch die Analyse dieser Daten entdeckte er, dass es eine begrenzte Anzahl von Sterntypen und Untertypen gibt, die sich durch ihre unterschiedlichen Spektralmuster unterscheiden lassen. Aus diesem Konzept entwickelte er das erste System zur Klassifizierung von Sternen: die fünf Secchi-Klasse. Angelo Secchi  gilt als Pionier der Spektralanalyse.

Der kleine Ort Castel Gandolfo 25 km von Rom entfernt an einem Kratersee. Er ist berühmt durch die Sommerresidenz des Papstes, die allerdings von Papst Franziskus seit einigen Jahren nicht mehr benutzt wird. Foto Dominik Landwehr

Die Sternwarte war zunächst im Vatikan, wurde aber bereits Anfang der 1930er Jahre nach Castel Gandolfo verlegt. Allerdings erschwerte auch hier die Luftverschmutzung die wissenschaftliche Arbeit. Seit den 1980er Jahren wurde ein zusätzlicher Standort im US-Bundestaat Arizona eröffnet und 1993 schliesslich baute man zusammen mit der Universität von Arizona ein hochmodernes Observatorium auf dem Mount Graham im Südosten von Arizona.

Der Leiter des vatikanischen Observatoriums Bruder Guy Conselmagno SJ vor einem historischen Teleskop.

Schliessen Wissenschaft und Religion sich nicht gegenseitig aus? Nein sagt der Jesuit Consolmagno: «Ich sehe am Himmel erstaunliche Dinge und das erinnert mich daran, dass Gott wunderbare Dinge macht. Der Ruf das Universum zu verstehen ist ein göttlicher Ruf.»

Bruder Guy Conselmagno SJ (links) und Bruder Martin Hieronymi (OSB) vor einem Foto-Teleskop, das heute nicht mehr benutzt wird und Teil des Museums im Observatorium ist. Foto Dominik Landwehr

Das alles ändert allerdings nichts daran, dass der Vatikan den Gelehrten Galileo Galilei erst am Ende des 20.Jahrhunderts rehabilitiert hat – er hatte im 17. Jahrhundert das heliozentrische Weltbild unterstützt und stellte sich damit gegen ein Dogma der Kirche.

Gerne hätten wir einen Podcast mit dem berühmten Jesuiten realisiert. Dafür fehlte leider die Zeit. Wir trösten uns mit einem professionellen Video und dem Wissen, dass man auf Youtube mit dem Namen Guy Consolmagno zahlreiche Vorträge findet.

Consolmagno interessiert sich auch für Science-Fiction und hat einen Sinn für Humor. Eines seiner Bücher trägt den Titel «Würden Sie einen Ausserirdischen taufen». Es ist eine Sammlung mit Fragen, die ihm häufig gestellt würden: «Meist geht es dem Publikum darum, gewissen Antworten zu suggerieren. Ich geb die Fragen dann zurück».

Titel eines Buches von Guy Conselmagno. Er hat darin die Fragen gesammelt, die ihm oft gestellt werden. Viele davon sind absurd.

Astronomie und Religion

Warum hat der Vatikan ein Observatorium? «Müsste nicht eigentlich jede grosse Religion ein Observatorium haben», antwortet Guy Consolmagno, der Leiter des Observatoriums des Vatikans. Die Astronomie und Religion waren immer schon verwandt – auch wenn das Verhältnis nicht immer spannungsfrei war, wie wir seit Galileo Galilei wissen. Die Himmelsbeobachtung ist wohl einer dr ältesten Wissenschaften überhaupt: Schon dreitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung hatten Astronomen im Zweitstromland damit begonnen, die Phänomene am Himmel zu beobachten und zu deuten. Später sollten die Babylonier aus dieser Tradition mathematische Reihen und Folgen entwickeln, mit deren Hilfe sie die Positionen von Sternen berechnen konnten. Und waren nicht die Heiligen Drei Könige eigentlich Sterndeuter, Astronomen.

Himmel, Sterne, Mond und Sonne spielen in der Bibel eine zentrale Rolle. In der Schöpfungsgeschichte lesen wir:

«Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag über dem Urmeer. Über dem Wasser schwebte Gottes Geist. Gott sprach: Es soll Licht werden!. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war, und Gott trennte das Licht von der Finsternis. Er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Es wurde Abend und wieder Morgen – der erste Tag.» (Gen 1,4)

«Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne.» (Gen.1,16)

Sonne, Mond und Sterne sind Teil des kosmischen Uhrwerks, das von Gott geschaffen wurde, um die menschliche Zeitmessung zu ermöglichen.

Berühmt ist auch die Stelle am Ende des Matthäus-Evangeliums:

«Die Zeichen für das Kommen des Menschensohns. Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Tage wird sich die Sonne verfinstern und der Mond seinen Schein nicht mehr geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Mächte des Himmels werden erschüttert werden.» (Mt 24,9)

Astronomie im 15. Jahrhundert

Wir kennen die Namen von Kopernikus und Galilei und wissen um ihren Streit mit der Kirche. Aber wie war das eigentlich genau.

Die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Kirche in der Astronomie des 15. und 16. Jahrhunderts war ein langer und komplexer Prozess. Die Kirche hatte eine sehr starke Position in der Gesellschaft und war sehr vorsichtig bei der Annahme neuer Ideen. Die Wissenschaftler Kepler, Kopernikus, Galilei und Giordano Bruno waren die wichtigsten Persönlichkeiten dieser Zeit.

Kopernikus war der erste, der das heliozentrische Weltbild vorschlug, das besagt, dass die Sonne im Zentrum des Universums steht und sich die Planeten um sie herum bewegen. Seine Theorie wurde von der Kirche abgelehnt, da sie gegen die biblische Vorstellung verstieß, dass die Erde das Zentrum des Universums ist.

Kepler war ein Schüler von Tycho Brahe und arbeitete an der Verbesserung des heliozentrischen Modells. Er entdeckte auch die Gesetze der Planetenbewegung.

Keplers Modell des Sonnensystems, aus: Mysterium Cosmographicum (1596). Bild Wikimedia Commons

Galilei war ein italienischer Astronom und Physiker, der mit dem neu erfundenen Teleskop den Himmel beobachtete und zu Ergebnissen kam, welche die gängige Lehre der Kirche erschütterten:  Er entdeckte die vier größten Monde des Jupiters und beobachtete auch die Phasen der Venus. Seine Entdeckungen unterstützten das heliozentrische Weltbild von Kopernikus. Damit geriet er ins Visier der Inquisition.

Galileo vor der Inquisition, den Mitgliedern des Heiligen Offiziums im Vatikan 1633. Gemälde von Joseph-Nicolas Robert-Fleury 1847. Bild Wikimedia Commons.

Giordano Bruno war ein italienischer Philosoph und Astronom, der für seine Unterstützung des heliozentrischen Weltbildes bekannt ist. Er wurde jedoch von der Kirche verfolgt und schließlich wegen Ketzerei verbrannt.

Die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Kirche erreichte ihren Höhepunkt im Fall von Galilei. Er wurde von der Inquisition verurteilt und gezwungen, seine Theorie zurückzuziehen. Es dauerte fast 400 Jahre, bis die Kirche Galilei offiziell rehabilitierte.

Inwiefern belastet dieses Erbe das Verhältnis der Kirche zur Wissenschaft? Ich denke man muss die Frage in einem weiteren Zusammenhang stellen – der Kontext würde heissen: Die katholische Kirche und die Aufklärung. Ein ausführlicher Wikipedia-Artikel gibt darüber Auskunft.

Zwar hatten wir keine Gelegenheit mit Bruder Guy Consolmagno einen Podcast zu machen – Stefan M.Seydel hat aber einfach den Besuch mitgeschnitten – hier gehts zur Tonspur des Besuchs