Swanetien – Im Herz von Georgien

In Swanetien schlägt das Herz von Georgien, liest man. Schön ist es dort und wild. Wenn es nur nicht so weit wäre!

Viele der Flüsse in Georgien sind nur wenig verbaut – die Breite des Flussbettes lässt erahnen, welche Wassermengen hier im Frühjahr durchfliessen. Der Tekhuri Fluss bringt das Wasser von weit oben in Swanetien. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Eigentlich eine vertraute Erfahrung: Auf der Karte siehts ganz nah aus – aber in Wirklichkeit ist es dann doppelt und dreifach so weit. Genauso ist es uns mit Swanetien ergangen Auf dem Weg von Tiflis haben wir in Kutaisi Halt gemacht und verbringen hier eine Nacht. Weiter dann am nächsten Morgen. Zunächst geht’s flott voran und wir freuen uns über die merkwürdigen Ortsnamen.

Zwischen Kutaisi und Mestia – ein Ortschild, das es uns angetan hat. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Nach etwas mehr als einer Stunde biegen wir ein in ein wildes Tal, das uns mit seiner herben Schönheit sofort fasziniert.

Bienenkisten im Tal des Patara Enguri Flusses in Swanetien. Die wilde Landschaft sorgt für grosse Pflanzenvielfalt und davon profitieren die Imker, die ihren Honig gleich an der Strasse verkaufen. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Hier geht’s entlang dem Patara Enguri Fluss, der am unteren Ende des Tales gestaut ist und damit Wasser für die ganze Region speichert. Die Aussicht verlockt immer wieder zu einem Fotostop, was unsere Reise natürlich nicht schneller macht. Aber schliesslich sind wir in den Ferien! Auch hier locken immer wieder Imker mit ihrem Honig und nicht nur die Menge auch die Vielfalt des Angebotes ist erstaunlich.

Die Imker begleiten uns auf unserer Reise durch Georgien. Honig in den unterschiedlichsten Geschmäckern gibts an fast jeder Ecke zu kaufen. Hier im im Tal des Patara Enguri Flusses in Swanetien. Foto Dominik Landwehr Juli 2018 Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Die Strasse ist gut aber an gewissen Stellen teuflisch eng, das Kreuzen mit einem langen LKW kann schon mal zu einem heiklen Manöver werden. Unsere elektronischen Landkarten sind sich nicht einig: Maps.me sieht uns schon fast am Ziel, Google Maps verlangt Geduld. Wer hat am Schluss Recht? Unser Herz schlägt für Maps.me aber Google ist natürlich besser.

Unterwegs nach Mestia – eine lange Fahrt mit phantastischer Aussicht. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Drei Stunden dauerte die Fahrt durch das Tal, das uns zwar immer wieder mit einer grossartigen Aussicht belohnt, aber weit war es trotzdem und dann und wann kamen auch Zweifel auf, ob sich die lange Fahrt denn auch wirklich lohnt. Nun die Antwort vornweg: Unbedingt. Und es gibt wesentlich unbequemere Arten zu reisen als mit einem Toyota LandCruiser. In Mestia kommen im Halbstundentakt Minibusse an, sie bringen ihre Passagiere für wenige Euro von Kutaisi nach Swanetien aber Platz gibt’s da drin wirklich nicht viel.

Immer wieder ein kurzer Halt oder ein Blick durchs Fenster. Unterwegs nach Mestia. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Es ist schon Abend, als wir in Mestia ankommen, wo wir in einem schmucken Guesthouse erwartet werden. Im Garten entdecken wir süss riechende Goldmelisse, die man hier nur als Zierpflanze kennt.

Villa Mestia – ein typisches Guesthouse in Mestia – mitten in einem grossen Garten. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Mestia ist das Zentrum dieser wilden Gebirgsregion. Hier gibt es Dutzende von Hotels und Unterkünften, dazu viele Restaurants und Cafés; Verpflegung zu kaufen ist ebenso kein Problem. Die Gäste scheinen aus allen Ländern zu kommen, aber die meisten sind jung und unternehmungslustig – man kommt hier zum Trekken, Wandern, Klettern oder auch einfach nur zum Spazieren. In unserer Unterkunft ist eine Gruppe von Franzosen, die Tandemflüge mit dem Gleitschirm anbieten und den ganzen Sommer hier verbringen. Nun gut – Paragliding im Kaukasus ist bestimmt eine ungewöhnliche Erfahrung.

Die Gewalt des Wassers ist eindrücklich – eine türkische Firma arbeitet am Flussbett des reissenden Flusses. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Ganz so abenteuerlich wollen wir es nicht – wir denken eher an Wanderungen. So geht es am nächsten Tag zum Chaladi Gletscher, der nicht weit von Mestia weg ist. Vom Parkplatz bis zum Gletscher sind es knapp zwei Stunden und entsprechend gross ist auch der Andrang unterwegs.

Unterwegs zum Chaladi Gletscher bei Mestia. Gut zu erreichen und entsprechend gut besucht. Foto Dominik Landwehr Juli 2018.

Aber lohnen tut es sich auf jeden Fall und der Blick auf den Gletscher am Ende des Tales ist schlicht atemberaubend

Am Chaladi Gletscher bei Mestia. Wie stark ist er wohl in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen? Foto Dominik Landwehr Juli 2018
Am Chaladi Gletscher bei Mestia in Swanetien. Hier endet unsere Wanderung. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Zwei weitere Exkursionen fallen allerdings buchstäblich ins Wasser: Das Thermometer fällt auf 12 Grad und der Regen will nicht mehr aufhören. Mehr zum Spass haben wir uns vorher über einen weiteren Ort nicht weit von Mestia schlau gemacht: Usghuli. Dieser Ort ist Unesco Welterbe uns muss noch schöner sein als Mestia. Bilder aus dieser Region sind auf fast jedem Werbeprospekt zu finden. Der Weg dorthin wäre allerdings reichlich abenteuerlich. Es gibt Mietwagenfirmen, die ihren Kunden glattwegs verbieten, dorthin zu fahren. Ortskundige Fahrer bieten den Ausflug in einem kleinen Allradbus an. Wir verzichten, denn Nebel und Regel hüllen die Region ein. Auf Youtube schauen wir uns dafür die Videos der Fahrt an.

Sie gelten als Wahrzeichen der ganzen Region von Swanetien – die Wehrtürme und geben den Dörfern ihren eigenen Charakter. Foto Dominik Landwehr Juli 2018
Wehrturm in Mestia – die Türme sind ein Wahrzeichen der Region Swanetien. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Dafür ist nun Zeit für einen langen Spaziergang durchs Dorf, das sich über mehrere Kilometer hinzieht. Unten im Tal ein tosender Fluss – an den Hängen die charakteristischen Wehrtürme. Wozu wurden sie gebaut? – Die Geschichte tönt ziemlich wild: Sie dienten dem Schutz der Familien gegen die Auswirkungen der Blutrache. Nun sieht man die Anzahl der Türme, dann müssen hier ziemlich viele Blutfehden gewesen sein. Ethnologen weisen darauf hin, dass die swanische Gesellschaft nach Clans organisiert war.

Mestia liegt in den Bergen und mit Regen ist jederzeit zu rechnen, auch wenn es unten in der Ebende siedend heiss ist. Hier war es Mitte Juli gerade noch 12 Grad. Foto Dominik Landwehr Juli 2018

Und dank dem Regen besuchen wir auch das Regionalmuseum, das Teil des Georgischen Nationalmuseums ist und erleben eine Überraschung: Ein topmodernes Haus empfängt uns mit einer Ausstellung von sakraler Kunst aus der Region aber auch mit kunstvoll gefertigtem Handwerk. Dazu eine Wechselausstellung über die berühmte russische Reise, die der Fotograf Robert Capa und der Schriftsteller John Steinbeck 1947 unternommen hatten und die sie auch nach Georgien führte. Der Unions Verlag hat das berühmte Buch unter dem Titel: John Steinbeck / Robert Capa: Russische Reise kürzlich wieder aufgelegt.

Eine der vielen Überraschungen: In Mestia erwartet uns ein topmodernes Regionalmuseum mit einer Ausstellung, die einen Einblick in die reiche Geschichte dieser entlegenen Region gibt. Foto Dominik Landwehr Juli 2018
Ein Medaillon aus dem Mittelalter – sorgfältige Handarbeit im Regionalmuseum Swanetiens in Mestia. Foto Dominik Landwehr Juli 2018.
Eine mittelalterliche Heiligendarstellung im Regionalmuseum von Swanetien. Die Figur ist auf Holz gemalt. Foto Dominik Landwehr Juli 2018
Ornament auf einer Holztruhe. Volkskunst aus Swanetien im Regionalmuseum von Mestia. Foto Dominik Landwehr Juli 2018