In Swanetien schlägt das Herz von Georgien, liest man. Schön ist es dort und wild. Wenn es nur nicht so weit wäre!
Eigentlich eine vertraute Erfahrung: Auf der Karte siehts ganz nah aus – aber in Wirklichkeit ist es dann doppelt und dreifach so weit. Genauso ist es uns mit Swanetien ergangen Auf dem Weg von Tiflis haben wir in Kutaisi Halt gemacht und verbringen hier eine Nacht. Weiter dann am nächsten Morgen. Zunächst geht’s flott voran und wir freuen uns über die merkwürdigen Ortsnamen.
Nach etwas mehr als einer Stunde biegen wir ein in ein wildes Tal, das uns mit seiner herben Schönheit sofort fasziniert.
Hier geht’s entlang dem Patara Enguri Fluss, der am unteren Ende des Tales gestaut ist und damit Wasser für die ganze Region speichert. Die Aussicht verlockt immer wieder zu einem Fotostop, was unsere Reise natürlich nicht schneller macht. Aber schliesslich sind wir in den Ferien! Auch hier locken immer wieder Imker mit ihrem Honig und nicht nur die Menge auch die Vielfalt des Angebotes ist erstaunlich.
Die Strasse ist gut aber an gewissen Stellen teuflisch eng, das Kreuzen mit einem langen LKW kann schon mal zu einem heiklen Manöver werden. Unsere elektronischen Landkarten sind sich nicht einig: Maps.me sieht uns schon fast am Ziel, Google Maps verlangt Geduld. Wer hat am Schluss Recht? Unser Herz schlägt für Maps.me aber Google ist natürlich besser.
Drei Stunden dauerte die Fahrt durch das Tal, das uns zwar immer wieder mit einer grossartigen Aussicht belohnt, aber weit war es trotzdem und dann und wann kamen auch Zweifel auf, ob sich die lange Fahrt denn auch wirklich lohnt. Nun die Antwort vornweg: Unbedingt. Und es gibt wesentlich unbequemere Arten zu reisen als mit einem Toyota LandCruiser. In Mestia kommen im Halbstundentakt Minibusse an, sie bringen ihre Passagiere für wenige Euro von Kutaisi nach Swanetien aber Platz gibt’s da drin wirklich nicht viel.
Es ist schon Abend, als wir in Mestia ankommen, wo wir in einem schmucken Guesthouse erwartet werden. Im Garten entdecken wir süss riechende Goldmelisse, die man hier nur als Zierpflanze kennt.
Mestia ist das Zentrum dieser wilden Gebirgsregion. Hier gibt es Dutzende von Hotels und Unterkünften, dazu viele Restaurants und Cafés; Verpflegung zu kaufen ist ebenso kein Problem. Die Gäste scheinen aus allen Ländern zu kommen, aber die meisten sind jung und unternehmungslustig – man kommt hier zum Trekken, Wandern, Klettern oder auch einfach nur zum Spazieren. In unserer Unterkunft ist eine Gruppe von Franzosen, die Tandemflüge mit dem Gleitschirm anbieten und den ganzen Sommer hier verbringen. Nun gut – Paragliding im Kaukasus ist bestimmt eine ungewöhnliche Erfahrung.
Ganz so abenteuerlich wollen wir es nicht – wir denken eher an Wanderungen. So geht es am nächsten Tag zum Chaladi Gletscher, der nicht weit von Mestia weg ist. Vom Parkplatz bis zum Gletscher sind es knapp zwei Stunden und entsprechend gross ist auch der Andrang unterwegs.
Aber lohnen tut es sich auf jeden Fall und der Blick auf den Gletscher am Ende des Tales ist schlicht atemberaubend
Zwei weitere Exkursionen fallen allerdings buchstäblich ins Wasser: Das Thermometer fällt auf 12 Grad und der Regen will nicht mehr aufhören. Mehr zum Spass haben wir uns vorher über einen weiteren Ort nicht weit von Mestia schlau gemacht: Usghuli. Dieser Ort ist Unesco Welterbe uns muss noch schöner sein als Mestia. Bilder aus dieser Region sind auf fast jedem Werbeprospekt zu finden. Der Weg dorthin wäre allerdings reichlich abenteuerlich. Es gibt Mietwagenfirmen, die ihren Kunden glattwegs verbieten, dorthin zu fahren. Ortskundige Fahrer bieten den Ausflug in einem kleinen Allradbus an. Wir verzichten, denn Nebel und Regel hüllen die Region ein. Auf Youtube schauen wir uns dafür die Videos der Fahrt an.
Dafür ist nun Zeit für einen langen Spaziergang durchs Dorf, das sich über mehrere Kilometer hinzieht. Unten im Tal ein tosender Fluss – an den Hängen die charakteristischen Wehrtürme. Wozu wurden sie gebaut? – Die Geschichte tönt ziemlich wild: Sie dienten dem Schutz der Familien gegen die Auswirkungen der Blutrache. Nun sieht man die Anzahl der Türme, dann müssen hier ziemlich viele Blutfehden gewesen sein. Ethnologen weisen darauf hin, dass die swanische Gesellschaft nach Clans organisiert war.
Und dank dem Regen besuchen wir auch das Regionalmuseum, das Teil des Georgischen Nationalmuseums ist und erleben eine Überraschung: Ein topmodernes Haus empfängt uns mit einer Ausstellung von sakraler Kunst aus der Region aber auch mit kunstvoll gefertigtem Handwerk. Dazu eine Wechselausstellung über die berühmte russische Reise, die der Fotograf Robert Capa und der Schriftsteller John Steinbeck 1947 unternommen hatten und die sie auch nach Georgien führte. Der Unions Verlag hat das berühmte Buch unter dem Titel: John Steinbeck / Robert Capa: Russische Reise kürzlich wieder aufgelegt.