John Lennon, das Minarett-Verbot und Weihnachten

Was haben das Lied „Imagine“ von John Lennon, das Minarett-Verbot und Weihnachten miteinander zu tun tun? – Die kleine Betrachtung erscheint als „Standpunkt“ im Tössthaler vom Samstag 5.Dezember und wird wohl nicht allen gefallen. Grund genug um weiterzulesen


„Imagine“ – so heisst eines meiner Lieblingslieder. Geschrieben hat es John Lennon. Es gehört heute zu den Evergreens und wird gerne am Radio gespielt. Haben Sie schon mal hingehört? – „Stell dir vor, es gibt kein Himmelreich, keine Hölle unter uns, über uns nur Himmel. Stell dir vor, es gibt keine Länder, nichts wofür man morden oder sterben müsste und auch keine Religion.“ Müsste ich meine Einstellung zum Thema Religion auf den Punkt bringen, dann würde ich es mit dem Song von John Lennon tun.
Trotzdem mag ich Weihnachten. Einmal weil ich damit schöne Erinnerungen verbinde – Erinnerungen an meine eigene Kindheit und Erinnerungen an die Zeit als unsere Kinder klein waren. Und weil ich in dieser Zeit ein bisschen nachdenklicher bin als sonst.
Und weil ich weiss, dass dieses Fest vielen Leuten um mich herum etwas bedeutet. Diese Gefühle zu respektieren finde ich eine Selbstverständlichkeit. Und genau deshalb hat es mich tief erschreckt, als ich am letzten Sonntagnachmittag hörte, dass eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer für ein Verbot von Minaretten gestimmt hat. Am Stammtisch, so lese ich diese Woche in den Zeitungen, hätte man schon vorher merken können, wie die Stimmung ist. Schlimm finde ich, dass viele heimlich dafür gestimmt haben und sich nicht trauten, öffentlich dazu zu stehen.
Religiöse Freiheit gehört für mich zu den Grundrechten unseres Landes und unserer Demokratie. Genau so wie die Rede- und Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, das Recht auf die Unversehrtheit des Lebens, die Niederlassungsfreiheit…. Eine Einschränkung dieser Freiheiten empfinde ich als unwürdig, ja mehr noch, als unerträglich.
Warum ist mir als nichtreligiöser Mensch auch die Religionsfreiheit so am Herzen? –
Der Grund ist einfach: Ich denke an die Zeit des Nationalsozialismus. An die Verhetzung, Verfolgung und schliesslich an die systematische und kaltblütige Ermordung von sechs Millionen Juden. Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass auch dieses entsetzliche Kapitel der Geschichte klein und harmlos angefangen hat. Mit Ideen, Vorstellungen, mit Verschwörungstheorien woran die Juden alles schuld seien. Und mit dem Sturm auf deren religiöse Symbolen und Stätten in der Kristallnacht am 9.November 1938.
Der Vergleich hinkt, werden Sie sagen. Vielleicht. Aber wir sollten lernen genau hinzuschauen und hinzuhören. Gibt es wirklich eine Islamisierung in unserem Land? – oder ist das nicht einfach ein Wort, das sich ein trojanisches Pferd in unser Bewusstsein frisst und eine bestimmte Vorstellung transportiert – in einer Wirklichkeit, die aber ganz anders aussieht. Ich selber habe noch gar nichts von dieser sogenannten Islamisierung gespürt. Der Begriff der Islamisierung erinnert mich an ein anderes hässliches Wort aus jener dunklen Zeit, als man von „Verjudung“ sprach.
Ist es richtig, einer Minderheit ihr religiöses Symbol zu verbieten. Und warum gerade den Muslimen? – Warum nicht den Hindus, die Buddhisten, die orthodoxen Christen? – über Religionsfreiheit, so hat ein deutscher Politiker gesagt, kann man nicht abstimmen. Warum hat man denn diese Abstimmung zugelassen? – Wenn man über Religionsfreiheit abstimmen kann, dann kann man auch über andere Grundrecht abstimmen. Ich möchte nicht, dass eine solche Abstimmung zugelassen wird. Verfassungsgemäss garantierte Grundrechte können nicht einfach so handstreichartig abgeschafft werden.
Wer wie die SVP beginnt Grundrechte in Frage zu stellen, betreibt eine Politik der Verhetzung. Die Partei ist ehrlich genug zu sagen, dass sie nötigenfalls auch die Europäische Menschenrechtskonvention aufkünden will. Das bedeutet, dass diese Partei die Menschenrechte nicht mehr respektieren will. Täusche ich mich, wenn ich glaube, dass auch die Menschenrechte einmal zu den gemeinsamen Werten gehört haben, die unser Land und alle Parteien respektieren und achten?
Solche Entwicklungen machen mir Angst. Dagegen gilt es zu kämpfen. Noch kann ich nicht glauben, dass eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer wirklich Minarette verbieten will. Weihnachten ist eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken.
Das eingangs erwähnte Lied „Imagine“ von John Lennon endet übrigens mit den folgenden Worten: „Stell dir vor, alle Menschen teilen sich die Welt. Du wirst vielleicht sagen ich bin ein Träumer aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe du wirst dich uns eines Tages anschließen. Und die Welt wird eins sein“.
Frohe Festtage.

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