«Outer Space – Faszination Weltraum» heisst eine der erfolgreichsten Ausstellungen, die zur Zeit in Deutschland zu sehen ist. In der Schau in der Bundeskunsthalle Bonn sind spektakuläre Originalgeräte aus der Raumfahrt neben künstlerischen Phantasien. Besonders interessant der Bereich dazwischen: Das Design von Raketen, Weltraumkapseln und Raumstationen.
(Peter Paul Rubens: Die Geburt der Milchstrasse. 1636-38)
Es gibt in dieser Ausstellung grosse und spektakuläre Objekte und Werke und daneben kleine, unscheinbare, die den Besucher gerade deshalb in Beschlag nehmen. Beginnen wir aber mit den grossen, dazu zählt das Gemälde «Die Geburt der Milchstrasse», das der flämische Maler Peter Paul Rubens in den Jahren 1736 bis 1738 gemalt hat. Die allegorische Darstellung zeigt die Göttermutter Juno beim Stillen ihres Sohnes Herkules. In weitem Bogen spritzt aus ihrer Brust Milch – am Kopf des Kindes vorbei in den nächtlichen Himmel. Das Bild zeigt auch exemplarisch die Nöte der Ausstellungsmacher, denn es war bei unserem Besuch am 24. Januar 2015 schon nicht mehr im Original zusehen. Im gleichen Raum ist die wohl ebenso bekannte Himmelscheibe von Nebra. Die Scheibe ist eine Himmelsdarstellung aus der Bronzezeit, die erst 1999 ausgegraben wurde und seit 2013 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Zu den kleinen und unscheinbaren Werken zählt aber die Kosmosinterpretation des deutschen Künstlers Peter Sauerer, der einen Sternenhimmel ins Innere einer Nussschale gemalt hat.
Spektakulär sind die Objekte aus der Raumfahrt: Dazu gehören originale Ausrüstungsgegenstände wie etwa die Wollhandschuhe von Astronauten ebenso wie die Mercury-Kapsel Liberty Bell 7, die im Juli 1961 im Meer versunken war und erst 1999 geborgen werden konnte. Sie ist nach aufwendigen Restaurationsarbeiten ein gefragtes Ausstellungsobjekt. Nicht fehlen dürfen in einer solchen Ausstellung die vom Zürcher Künstler H.R. Giger (1940 – 2014) geschaffenen Aliens aus dem gleichnamigen Film.
Der Besucher muss auf seinem Rundgang durch die üppige und gut besuchte Ausstellung der Logik der Ausstellungsmacher folgen. In der Erinnerung bleiben aber dann einzelne Werke hängen, die aus irgend einem Grund einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Sei es weil man etwas erfahren hat, das man nicht wusste, ein lang bekanntes Werk in besonders guter Präsentation erlebt hat oder schliesslich durch eine wenig spektakuläre Kleinigkeit überrascht wurde. Einige solche Erinnerungen sollen hier beschrieben werden:
Da ist zunächst das Werk der 1931 geborenen russischen Designerin Galina Balaschowa: Sie hat die optische Erscheinung der sowjetischen Raumfähren Sojus, MIR und Buran entworfen. Ihre Entwürfe sind von einer zeitlosen entrückten Schönheit und vermögen allein schon als Bilder zu begeistern. Besonders wertvoll sind auch ihre Material- und Farbstudien, die im Original zu besichtigen sind. Frappant die Feststellung, dass diese Bilder ästhetisch gar nicht so weit weg sind von den ebenfalls ausgestellten Zeichnungen von Karl Hans Janke (1909 – 1988). Der Zeitgenosse von Wernher von Braun verbrachte einen wesentlichen Teil seines Lebens in psychiatrischen Kliniken und schuf dort ein beeindruckendes Werk von Skizzen und Entwürfen zur Luft- und Raumfahrttechnik.
Zu den Aussenseiter der Technik- und Kulturgeschichte gehört eine weitere Person, die in der Ausstellung präsentiert wird: Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821 – 1889). Der Amateurastronom und Lithograf entdeckte fünf Asteroiden und acht Kometen, aber die Anerkennung des Faches blieb ihm zeitlebens versagt. Er ist auch Thema des Filmes «Maximiliana – die widerrechtliche Ausübung der Astronomie» von Peter Schamoni aus dem Jahre 1967. Der Film wird nicht nur in der Ausstellung gezeigt, er liegt auch dem Katalog bei.
(Ernst Wilhelm Leberecht Tempel. Quelle: Wikimedia)
Wohlbekannt demgegenüber die Arbeit «The Moon Goose Analogue: Lunar Migration Bird Facility (MGA)» von Agnes Meyer-Brandis. Die in Berlin lebende Künstlerin hat in ihrer Arbeit, die sich über mehrere Jahre erstreckte, eine Schar von Gänsen grossgezogen und sie damit mit der von Konrad Lorenz erstmals beschriebenen Methode «geprägt», so dass sie der Künstlerin wie ihrer fehlenden Gänsemutter überallhin gefolgt respektive nachgewatschelt sind. Die poetische Dimension des Experiments hat die Künstlerin mit der erfundenen Geschichte von der Ausbildung von Mondgänsen, die für einen Weltraumflug vorbereitet werden, verbunden und bildwirksam in Szene gesetzt, etwa wenn man den Gänsen bei Schwimmen mit ihrer Ersatzmutter zuschauen kann oder bei einem nächtlichen Vollmond-Spaziergang.
Keine Weltraumausstellung ohne Ausserirdische und Ufos. Eine kleine persönliche Entdeckung mag deshalb diese subjektive Auswahl abrunden. Zu den Ufo-Enthusiasten zählt eine Baslerin namens Lou Zinsstag (1905 – 1984). Sie verdiente ihr Brot als Sekretärin bei einer Versicherung und sammelte Berichte über Ufos, In ihrem Briefwechsel, der in der Universitätsbibliothek Basel aufbewahrt wird, findet sich auch ein kleiner Brief datiert vom Beginn der 60er Jahre. Darin bestätigt die Schweizer Luftwaffe einen von ihr geschickten Bericht und schickt ihr einen Fragebogen zum Thema Ufo-Sichtungen bei. Besonders witzig erscheint aus heutiger Sicht die Bemerkung, über die Existenz dieses Fragebogens nichts nach aussen verlauten zu lassen.
Die Bonner Ausstellung zeigt auch eine Arbeit aus dem Migrosmuseum für Gegenwartskunst in Zürich: Big Crunch Clock (1999) von Gianni Motti.
Die Ausstellungsmacher legen einen umfangreichen Katalog vor, der neben dem obligaten Bildteil gut zugängliche Artikel – etwa über die russische Designerin Galina Balaschowa – enthält, dazu ein über 100 Seiten starkes Glossar mit einer Reihe von gut lesbaren Aufsätzen. Schön, dass eine Institution der Gegenwartskunst für einmal dem sonst so schrecklich grassierenden Jargon entsagt hat. (Nicolai Verlag 2014)
Gleichzeitig zur Ausstellung ist auch eine Monographie über die russische Weltraum-Designerin Galina Balaschwowa erschienen: Philipp Meuser: Galina Balaschowa. Dom Publishers Berlin 2014). ISBN 978-3-86922-345-2.
Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn ist noch bis zum 22.Februar 2015 zu sehen.