Die Frauen von Appenzell

Der Kanton Appenzell – genauer der Halbkanton Appenzell Innerrhoden – geniesst einen zweifelhaften Ruf: Viel Folklore, viel Rückständigkeit, heisst es. Hier kam das Frauenstimmrecht erst 1990. Zu fragen wäre aber, wie die Stellung der Frauen hier wirklich war. Roland Inauen, Direktor des Museums Appenzell und Vorsteher des Kulturamtes des Kantons Appenzell Innerrhoden erklärt uns das mit einer Bildergeschichte.
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Der Bauernschrank aus dem Jahre 1880 zeigt einen Alpabzug – wenn Ende Sommer die Sennen mit ihrem Vieh von der höher gelegenen Alp ins Tal ziehen. Ein wichtiger Moment im Jahr, um den nicht zuletzt deshalb viel Brauchtum entstanden ist.
Bemerkenswert an dieser Darstellung ist für Inauen, dass hier eine Frau abgebildet ist: „In späteren Jahren wäre dies nicht mehr so gemalt worden – weil Frauen in der Viehaltung und in der Alpwirtschaft keine Rolle mehr spielten“. Sie hatten ihr Auskommen in der Handstickerei gefunden.
Und die Appenzeller Handstickerei genoss seit dem Ende des 19.Jahrhunderts weltweit einen eizigarten Ruf: „Die Appenzellerinnen haben dieses Handwerk zu einer Kunst perfektioniert, die ihresgleichen sucht. Jede Stickerin beherrschte von den über 100 bekannten Stichen nur gerade eine Handvoll – diese aber in hoher Perfektion. Die Stickereien entstanden in Arbeitsteilung und wurden von einer Frau zur anderen weiter gereicht. Ein einzelnes Taschentuch konnte schon mal Preise von 500 Franken und mehr erreichen – und das zu Beginn des 20.Jahrhunderts“, erklärt Inauen. Die hohe Qualität dürfte auch der Grund gewesen sein, dass hier die maschinelle Stickerei, wie sie etwa im nah gelegenen St.Gallen gepflegt wurde, keinen Fuss fassen konnte.
Leisten konnten sich das selbstredend nur die ganz Reichen dieser Welt. Unter den Kunden der Appenzeller Stickerinnen war zum Beispiel das russische Zarenhaus.
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Reich wurden die Familien darob zwar nicht – aber es kam mit dieser Arbeit doch Bargeld ins Haus – und es waren die Frauen, welche dieses Geld verwalteten. Und selber solche reich verzierten Textilien zu haben, konnten sich die Frauen nicht leisten – mit einer Ausnahme: Der traditionellen Tracht. An einem Kleid wurde jahrelang genäht.
Die Appenzeller Tracht strahlt eine zeitlose Schönheit aus zeitgenössischen Mode-Designerinnen und Designer lassen sich von ihr inspirieren.
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Museum Appenzell

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