Absurditäten, Monströsitäten und eine fast schon erdrückende Symbolik: Der Tod des Papstes am 2.April 2005. Überraschend, wie bewundernd kritiklos dies auch in einer säkularen Welt zur Kenntnis genommen wird.
Vorläufiger Höhepunkt am Sonntagabend. SPIEGEL online berichtet: „Es klingt nach Leichenfledderei, doch für die Gläubigen in Polen ist die Vorstellung überhaupt nicht pietätlos. Sie wünschen sich, dass das Herz des Mannes, den sie verehren und lieben wie keinen zweiten, ins Heimatland überführt wird.“ Das kann doch nicht wahr sein, und doch ist es so.
Die TV-Bilder sprechen eine eindeutige Sprache: Auf der einen Seite die Hohepriester der Kirche, die Kardinäle, von denen keiner unter 70 zu sein scheint in ihren purpurenen Roben. Das ist nicht Karneval oder Fellini, that’s the real thing. Wow! Auf der anderen Seiten das tumbe Volk der Gläubigen. Und mit Verwunderung ist zu erfahren, wie auch die Schweiz trauert.
Täusche ich mich, oder war der Papst zu Lebzeiten gerade den Schweizer Katholiken – zumindest den Liberaleren unter ihnen – vor allem ein Aergernis? – Woher dieser plötzliche Wandel?
Über Wochen, Monate, ja über Jahre wurden die Krankheiten, die Gebrechen, die Hinfälligkeit und schliesslich das Sterben des Papstes zelebriert. Ganz in der mittelalterlichen und von Philipp Ariès so toll beschriebenen Tradition: Ein guter Tod ist ein langsamer Tod, ein Tod, der es erlaubt Abschied zu nehmen. Als er am Samstagabend um genau 21.37 dann starb dauerte es nur Minuten, bis diese Neuigkeit auf allen Kanälen zu sehen war. That’s live, breaking news as it happens (Slogan von CNN).
Johannes Paul II wurde auch schon als Medienpapst beschrieben. Tatsächlich hat er sich der Medien bedient und seine Populärität genossen…. Aber waren die Medien nicht gerade im 20.Jahrhundert für viele Mächtigen ein wichtiges, ein naheliegendes Instrument? Kann man wirklich sagen, dass der Papst die Medien entdeckt hat?
Apropos: Der Sonntagsblick titelte am Sonntag 3.April 2005: „Ein grosser Papst ist tot Alles über das Pontifikat Johannes Paul II“ – und zitiert damit sich selber. Der BLICK hatte 1963 zum Tod des Papstes Johannes XXIII genau diese Schlagzeile getextet. Nur hatte die Sache damals einen kleinen Haken: Die Meldung erschien offenbar aufgrund eines Fehlers in der Druckerei (2 Druckplatten waren vorbereiten worden). Und mit dieser (falschen) Schlagzeile schrieb der BLICK damals Mediengeschichte.
Ein paar persönliche Reminiszenzen mögen diesen Eintrag abrunden: Mein persönliche Abneigung gegen den Katholizismus und eigentlich gegen Religion im Allgemeinen hat wohl damit zu tun, dass ich selber katholisch erzogen worden bin. Jedenfalls mehr oder weniger. Und das Vergnügen hatte, einige Jahre in der Stiftsschule Einsiedeln zu verbringen. Feier zu 25 Jahre Matura vor 2 Jahren (obwohl ich in Zürich und nicht in Einsiedeln Matura gemacht habe). Hohe Ehre eines Mittagessens am Hof mit ehemaligen Lehrern und auch mit dem neuen Abt Werlen. Ich schnappe eine vielsagende Bemerkung des Abtes auf: Er hätte neulich der damaligen Bundesrätin Ruth Metzger zu ihrer Partei gratuliert. Das war nun nicht ganz einfach zu verstehen. Aber in jenem politischen Kontext war das eine unverblümte Kritik des Kirchenoberhauptes an der Politikerin. Diese hatte sich nämlich entgegen der Doktrin ihrer Partei für die Fristenlösung eingesetzt. Dies wollte der Kirchenmann nicht offen sondern verklausuliert kritisieren, was ihm ohne Zweifel in jener Konversation bei Tisch auch gelungen ist.
Bei dieser Gelegenheit: Blankes Entsetzen packte mich als ich Jugendliche bei seinem ersten Schweizer Besuch dem Papst zujubeln sah. War dies das Ende der Revolte, die 1968 angefangen hatte. Oder war es bloss ein weiteres Event der Spassgesellschaft, in der auch ein Papst bejubelt wird, weil dies einfach schräg ist….
Summa summarum: Die katholische Kirche und mit ihr das Papsttum sind von ihrer Substanz her antidemokratisch, antimodern und ganz gewiss auch anti-emanzipatorisch in einem breiten Sinn. Und trotzdem mit viel Sex-Appeal für eine breite Masse: Ausserhalb Europas noch viel mehr als in Europa selber.