Der St.Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger (1881 – 1972) rettete vor dem Zweiten Weltkrieg durch sein Handeln 3600 Juden vor dem Tod. In der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem im Jerusalem soll er einen Baum in der Alle der Gerechten unter den Völkern haben. Aber wo ist der Baum genau?
Yad Vashem ist die grösste und wichtigste Forschungs- und Gedenkstätte zum Holocaust in der Welt und liegt in Jerusalem. Zur Anlage gehört ein grosszügiger, an einem Hang gelegenen Garten. Hunderte, wenn nicht Tausende von Bäumen säumen die Wege und jeder Baum ist einer Persönlichkeit gewidmet, die im Zweiten Weltkrieg Juden vor dem sicheren Tod bewahrt hat.
Paul Grüninger ist vielleicht der bekannteste Schweizer unter diesen Rettern. Er war Polizeihauptmann in St.Gallen und ermöglichte vor dem Zweiten Weltkrieg 3600 Juden die Einreise in die Schweiz. Nicht nur liess er sie die Grenze passieren, er datierte auch ihre Einreise um und legalisierte so ihren Aufenthalt. Grüninger wurde – offenbar von deutschen Spitzeln – verraten. 1939 wurde er vom Dienst suspendiert und 1941 verurteilt. Grüninger lebte bis zu seinem Tod in schwierigen Verhältnissen, hat seine Taten aber nie bereut. 1970 hat sich die offizielle Schweiz ein erstes Mal bei der Familie Grüninger entschuldigt. 1971 – ein Jahr vor seinem Tod – hat Yad Vashem dem Schweizer den Status des Gerechten unter den Völkern zuerkannt. Erst 1995 wurde Paul Grüninger rehabilitiert. Mit der Entschädigung äufnete die Familie einen Paul Grüninger Fonds.
Wir machen uns auf in diesem Garten den Baum von Paul Grüninger zu suchen. Er soll – so wissen wir aus einer Dokumentation des Schweizer Historikers Stefan Keller – einen Baum haben. Am Info-Desk gibt man uns einen Plan: Der Baum von Paul Grüninger liegt nicht an der Allee, sondern im Garten der Gerechten und sein Name soll sich an einer Gedenktafel finden.
Unterwegs zum Garten passieren wir ein eindrückliches Denkmal: Ein einzelner Wagen eines Zuges, dessen Geleise im Nichts enden. Das Denkmal wurde vom israelischen Architekten Moshe Safdie gestaltet. Beim Wagen handelt es sich um einen originalen Transportwagen aus Polen, der von der polnischen Regierung Yad Vashem geschenkt wurde.
Tatsächlich liegt weiter unten der Garten der Gerechten – und an der Mauer sind Tafeln angebracht mit den Namen von Hunderten von Personen. Zweimal sehen wir auch die Schweiz. Nur den Namen von Paul Grüninger finden wir nirgends. Etwas enttäuscht ziehen wir weiter, allzu gerne hätten wir sein Namenschild fotografiert.
Warum ist uns Paul Grüninger so wichtig? – Er steht für Widerstand und Humanität in einer Zeit, in der sich die Schweiz immer wieder nach dem Wind gedreht hat. Grüninger hat einen hohen Preis für seinen Mut bezahlt. Zivilcourage zahlt sich oft nur moralisch aus. Paul Grüninger ist ein Vorbild.
Historiker, die sich mit dieser Zeit beschäftigen, mussten sich immer wieder als Nestbeschmutzer beschimpfen lassen. Zu nennen wären hier etwa Niklaus Meienberg und Stefan Keller. Auch sie haben unseren Respekt.
An der Anerkennung von Paul Grüninger besteht kein Zweifel, das beweist ein Eintrag in der Yad Vashem Datenbank. Und: er war nicht der einzige Schweizer. Die Gedenkstätte listet insgesamt 45 Schweizer Namen auf. Neben Grüninger sind uns einzig die Namen von Carl und Gertrud Lutz ein Begriff. Carl Lutz (1895 – 1975) stellte für 60 000 ungarische Juden Schutzpässe aus und rettete sie damit vor Deportation und Tod in Auschwitz.
Gerne würde ich mehr über die anderen Schweizer erfahren.
Der Eintrag zu Paul Grüninger auf der Website von Yad Vashem
45 Schweizer haben den Titel „Gerechter unter den Völkern“ (Yad Vashem Liste)
Paul Grüninger Stiftung St.Gallen