In der Windenmacherei von Wila

Im Dorfkern von Wila befindet sich eine Werkstatt, die in totaler Handarbeit Winden herstellt – Hebegeräte, die früher vor allem in der Waldarbeit Verwendung finden.

Wer beim Begriff Winden oder Windenmacherei an Seilwinden denkt, ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig: Winden, sind Hebevorrichtungen für schwere Lasten und spielten bei Holzarbeiten im Wald eine grosse Rolle. Auch beim Bahnbau kommen sie zum Einsatz. Winden kann man auch heute noch kaufen, sie werden aber industriell gefertigt.

Die Werkstatt des 2009 verstorbenen Handwerksmeister Alfred Brüngger ist in einem winzigen Schuppen am Lochbachweg in Wila und wird von einem Verein betrieben. Die beiden Vereinsmitglieder Philip Nünlist und Willi Flacher haben die Schmiede eingeheizt und so müssen wir nur dem heute ungewohnten Geruch von verbrannter Steinkohle nachgehen, bis wir die beiden finden. Bevor wir aber ins Reich des Windenmachers eintreten, gibt’s eine kleine Vorführung draussen: Hier liegt ein schwerer Baumstamm: Philip Nünlist platziert die Winde gleich hinter dem Anschnitt des Baumes und beginnt mit mässiger Kraft an der Kurbel zu drehen und langsam hebt sich der tonnenschwere Baumstamm.

Mittlerweile hat sein Kollege Willi Flacher ein Holzmodell geholt, welches das Innenleben dieses Gerätes offenlegt: Wir sehen eine schwere Zahnstange, welche die Last anheben soll, ein Zahnrad mit etwa 15 Zentimeter Durchmesser und zwei Ritzel, im Grund genommen einfach zwei kleine Zahnräder. Das ist bereits alles. Bis auf das grosse Zahnrad wird alles in dieser Werkstatt hergestellt, das meiste ist Schmiedearbeit.

Mit diesem Verständnis gerüstet treten wir nun in die kleine Werkstatt:  Hier befindet sich auch die Esse, die Kohle glüht bereits. Jeder Millimeter des Raumes ist genutzt für Werkzeuge und Maschinen. Über eine Treppe gelangt man in den ersten Stock, hier ist ein riesiger Blasbalg und ein tonnenschweres Testgewicht für die fertiggestellten Winden.

Wir beginnen mit der Schmiede. Es darf nicht zu viel Licht auf die Esse fallen, denn nur so kann der Schmied beurteilen, ob das Feuer heiss genug und das Werkstück bereit ist zum Schmieden. Philip Nünlist ist gelernter Schmied und zeigt uns an einem langen Eisenstück seine Arbeit: Mit den Füssen betätigt er den Blasbalg und führt dem Feuer Sauerstoff zu bis es weiss leuchtet, dann legt er den Eisenstab ins Feuer bis er rot glüht, anschliessend bearbeitet er ihn in auf dem Amboss und biegt den bisher geraden Stab.

Neben der Esse zeigt er uns eine Anzahl Formen, die ihn bei dieser Arbeit unterstützen.  Ihre Namen sagen einem Laien nichts: Schrot, Gabel, Gsänk, Ballstock, Setzstöckli. Werkzeuge sind auch über der Esse angeordnet: Ein halbes Dutzend Feuerzangen, um die verschiedenen Eisen im Feuer zu halten.

Neben der Esse steht eine Fräse und ein Metallhobel, sie kommen zum Beispiel beim Bearbeiten der Zahnstange zum Einsatz, und gleich daneben zwei Bohrmaschinen: Eine davon wird über die Transmission angetrieben: Ursprünglich musste ein Gehilfe an einem grossen Rad in der Mitte des Raumes drehen, um die nötige Kraft zu erzeugen, die mit Hilfe von Lederriemen und Rädern zur Bohrmaschine geleitet wurde. Heute besorgt das ein Elektromotor. Aber die Transmission ist immer noch zu sehen. Fast übersehen wir am Ende des kleinen Rundgangs eine Einrichtung in der Ecke: Ein Teststand für die Winden, aber das Testgewicht ist im oberen Stock und damit unsichtbar für uns. Auch diese Einrichtung funktioniert heute tadellos.

Die Geschichte der Windenmacherei von Wila geht auf das Jahr 1874 zurück. Sie steht zwar an einem Bach, Wasserkraft wurde aber für ihren Betrieb nie benutzt. Schon 1911 wurde die Werkstatt elektrifiziert. In der Zeit vom Eindunkeln bis 21 Uhr durfte aber kein Strom verwendet werden. Der Elektromotor der Bohrmaschine ist immer noch der gleiche wie 1911.

Die Windenmacherei war bis am Ende des Zweiten Weltkrieg in Betrieb und produzierte Winden, Abnehmer waren vor allem Bauernbetriebe. Danach wurde die handwerkliche Produktion immer unrentabler und 1954 stellte Alfred Brüngger den Betrieb ein. Er muss sehr an seiner Werkstatt gehangen sein, denn er wollte sie für spätere Generationen erhalten. Das ist ihm auch gelungen. Seit 2005 ist die Werkstatt unter Denkmalschutz. Für den Betrieb ist der Windenmacherei Verein zuständig. Weil die Familie Brüngger die Liegenschaft kostenlos zur Verfügung stellt, fallen nur wenige Kosten an, die durch die Vereinsmitglieder und Spenden gedeckt werden können.

Das Ganze als Video – aufgenommen am 28.August 2024.

Dieser Artikel erschien am 4. September 2024 im Tössthaler.

Weitere Informationen siehe www.windenmacherei.ch

Alle Fotos Dominik Landwehr Winterthur
Bildandfragen: dominik.landwehr at bluewin.ch