Ihre Spuren sind nicht zu übersehen, gerade wenn es geschneit hat. Wildschweine haben sich in den letzten zwei Jahren auch im Tösstal besonders intensiv vermehrt. Viel Arbeit für Bauern und Jäger.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: «Wir dürften im zu Ende gehenden Jagdjahr einen neuen Rekord erreichen», sagt Urs Josef Philipp, Leiter Fischerei- und Jagdverwaltung des Kantons Zürich. Das Jagdjahr 2021 dauert vom 1.April 2021 bis zum 31.März 2022 und die Zahlen sind schon jetzt aussagekräftig. Im ganzen Kanton Zürich wurden bisher über 2000 Wildschweine erlegt, die Jäger sprechen hier von «Abgängen». Im Zürcher Oberland waren es im laufenden Jagdjahr allein 373 Tiere.
Genaue Zahlen für das Tösstal gibt’s bei der Jagdverwaltung nicht. Eine Umfrage bei verschiedenen Jagdrevieren bestätigt das Bild aber: Je näher man dabei an Winterthur kommt, desto höher die Abschusszahlen. Besonders deutlich ist es in der Region Kyburg. Martin Möhr, Obmann der Jagdgesellschaft Kyburg hat eindrückliche Zahlen: Über 100 Wildschweine haben die Jäger bisher erlegt. Auch in Weisslingen gab es besonders viele Wildschweine. Im Jagdrevier Zell werden normalerweise drei bis vier Wildschweine pro Jahr erlegt – aber dieses Jahr waren es bereits 26, erklärt Philipp Hofer, Jagdaufseher im Jagdrevier Zell. Ruhiger war es in der Gegend von Turbenthal, hier sind die Zahlen ähnlich wie im Vorjahr, sagt Nick Stähli, Jagdaufseher im Jagdrevier Turbenthal-Gyrenbad. Stähli weist aber auf eine interessante Tatsache hin: «Vor 20 Jahren waren Wildschweine hier kein Thema», sie seien in seinem Jagdrevier erst vor etwa sieben Jahren aufgetaucht.
Die kantonale Jagdstatistik bestätigt diese Aussage: Im Jahr 1997 wurden im ganzen Kanton Zürich mit 197 Wildschweinen zehn Mal weniger Tiere erlegt. Seither gibt s eine konstante Zunahme, wobei sich eine deutliche Wellenform erkennen lässt. Bis etwa vor 40 Jahren gab es hierzulande kaum Wildschweine, danach haben sie die Schweiz kontinuierlich zurückerobert. Am meisten Wildscheine leben in den Jurakantonen, entlang dem Hochrhein sowie im Tessin. Gesamtschweizerisch werden jedes Jahr zwischen 4000 und 10 000 Tiere geschossen.
Wildschweine gelten als Bereicherung der Biodiversität, ihr Bestand muss aber reguliert werden, denn sie fügen in unserem intensiv genutzten Land der Landwirtschaft Schäden zu. Betroffene Bauern werden entschädigt, für das Erstellen und den Unterhalt von Schutzmassnahmen erhalten sie ausserdem finanzielle Unterstützung aus dem Wildschadenfonds des Kantons Zürich. Gespiesen wird dieser Fonds unter anderem aus den Abgaben der Jäger für die Reviere. Diese liegen in der Grössenordnung von 3000 bis 11 000 Franken pro Revier. Die Zahlen sind öffentlich, die Jagdverwaltung publiziert die genauen Zahlen im Internet.
Die Schwankungen haben verschiedene Gründe: Am wichtigsten ist das Futterangebot. Im Jahr 2020 gab es besonders viele Eicheln und Buchennüsse. Man spricht deshalb von einem Mastjahr. Die Wildschweine blieben deshalb im Wald. Das gute Futterangebot begünstige auch die Vermehrung. 100 Wildschweine können in einem Jahr bis zu 300 Nachkommen produzieren, keine andere wild lebende Huftierart (Schalenwildart) hat eine ähnlich hohe Reproduktionsrate. Auch die Klimaerwärmung spielt eine grosse Rolle: Die warmen Winter helfen den Wildschweinen beim Überleben.
Wildschweine gelten als intelligente und lebenstüchtige Tiere. Weil sie sehr mobil sind, lassen sie sich nicht zählen, lesen wir in einer aktuellen Broschüre von Jagd Schweiz. Ohne Hilfsmittel sind sie extrem schwer aufzuspüren. Alle der angefragten Jäger in unserer Region benutzen deshalb technische Hilfsmittel, das sind primär Wärmebild-Geräte und Schalldämpfer. Damit lassen sich die Tiere vor allem nachts leichter erkennen. Schalldämpfer vermindern Mündungsknall und -Feuer und erschrecken die Tiere weniger. Das schätzt auch der Jäger und sein Hund. Solche Hilfsmittel gelten in der Schweiz als Kriegsmaterial und benötigen eine Spezialbewilligung. Dabei wird die Eignung und Erfahrung des Jägers geprüft, als Begründung wird einzig die Bestandkontrolle akzeptiert. Die Jagdverwaltung stellt jedes Jahr zahlreiche solcher Bewilligungen aus. Viele Jäger beobachten ihr Revier zusätzlich auch mit einer so genannten Wildcam. Das sind kleine Kameras die mit einem Bewegungssensor ausgestattet sind und automatisch Bilder machen. Solche Kamera sind relativ günstig und im Fachhandel erhältlich und brauchen keine Bewilligung. Auch Laien profitieren davon, etwa zur Beobachtung von Tiere rund ums Haus.
Die Jagd auf Wildschweine ist durch das Gesetzt geregelt. Im Wald gelten Schonzeiten (1. März bis 30. Juni), im offenen Feld ist die Jagd auf Wildschweine, welche jünger als zwei Jahre sind das ganze Jahr erlaubt. Geschossen werden in erster Linie die jungen Tiere, die so genannten Frischlinge und Überläufer. Frischlinge sind Jungtiere im ersten Lebensjahr, Überläufer sind Tiere im zweiten Lebensjahr.
KASTEN
Jägersprache
Jäger und Wildspezialisten haben ihre Fachsprache, die für Laien nicht immer verständlich ist. Hier die wichtigsten Begriffe im Zusammenhang mit Wildschweinen
Keiler erwachsenes männliches Tier
Bache erwachsenes weibliches Tier
Leitbache Leittier
führend trächtig – «eine Bache ist führend»
Frischling Jungtier im ersten Lebensjahr
Überläufer Jungtier im zweiten Lebensjahr
Rotte Rudel
Schalenwild wild lebende Paarhufer: Rotwild, Steinwild oder Schwarzwild (Wildschweine)
Jagddruck Intensität der Jagd verändert Verhalten der Tiere
Teil 2: Beim Wildmetzger vom Heurüti am Schauenberg
https://www.sternenjaeger.ch/wildmetzger/
Internetadressen:
Jagdverwaltung Kanton Zürich
https://www.zh.ch/de/umwelt-tiere/tiere/jagd.html
Jagd Schweiz: Wildschwein-Management
https://jagdschweiz.ch/jagdschweiz-2/wildschweinmanagement/