Das Wetterhorn: Lieblingsberg der Spätromantik

Das Wetterhorn am Ende des Rosenlaui-Tals – es ist mein Lieblingsberg. Allerdings aus einem etwas besonderen Grund.

Schuld an meiner Sympathie ist ein Bild im Kunstmuseum am Stadtgarten in Winterthur: Dort sind die Romantiker, die der Mäzen Oskar Reinhard sammelte und das wohl berühmteste Bild der deutschen Romantik ist auch dort: Der Kreidefelsen von Rügen von Capsar David Friedrich. Auf dem Weg zum Saal mit dem Bild fällt mein Blick jedoch regelmässig auf ein anderes Bild: Das Wetterhorn des österreichischen Malers Joseph Anton Koch. Der schroffe Fels des Wetterhorns erhebt sich steil in den Himmel, im Vordergrund ein wilder Bergbach, das Ganze mit tollem Seitenlicht beleuchtet. Das war ganz nach dem Gusto der Romantiker und wird wohl auch manchen heutigen Betrachter begeistern.

Joseph Anton Koch: Das Wetterhorn mit dem Reichenbachtal. 1824

Tatsächlich war das Wetterhorn ein beliebtes Sujet für die Maler des 19.Jahrhunderts. Das liegt nicht an seiner Höhe mit 3692 Metern gehört es nicht zu den höchsten Schweizer Bergen. Es liegt wohl an seiner Form aber auch am Blick, den man vom Rosenlaui Tal her, wo der Reichenbach fliesst, hat. Der Schweizer Alexandre Calame hat es gleich mehrmals gemalt.

Die Gartenlaube hat 1878 einen Artikel über den berühmten Berg geschrieben:

Kommen wir von Rosenlaui–Bad her, den Weg zum Reichenbachthal verfolgend, so steht, wenn wir wohl eine Viertelstunde im Wald gewandert sind, plötzlich die thurmartig aufstrebende Felswand des Wellhorns vor uns. Wir staunen freudig seine Herrlichkeit und Erhabenheit an, und wenn hinter ihm das Wetterhorn seine Dreizackkrone noch so stolz in ewigem Lichte strahlen läßt, so ruht der Gletscherarm des Schwarzwalds, den Wetterhorn-Goethe zum Nachbar ausstreckt, durchaus nicht auf eines Eckermann’s Schulter. 

Ein längeres Zitat des Zeitgenossen Voldemar Kaden tönt dann so:

„Beginnt die Reihe der ‚erheblichen‘ und ‚interessanten‘ Leistungen auf alpinischem Gebiete erst bei einer Höhe von zwölftausend Fuß, so giebt es doch unter diesem Maße noch eine Menge Gipfel von besten Namen, Gipfel, die auch durch ihre Lage oft interessanter werden, als die ungleich höheren. Dazu gehört nun in erster Linie das berühmte Massiv der Wetterhörner. Es entsteigt wild und schroff der östlichen Ecke des Grindelwaldthales und läßt aus seinen Hochfirnen drei scharf gesonderte Gipfel herauswachsen. Von diesen drei Gipfeln: Hasli-JungfrauMittelhorn und Rosenhorn, springt die erstere als Rivalin der eigentlichen Jungfrau durch edle Kühnheit der Formen und Schärfe der Profile am meisten in die Augen. Ihrer Höhe fehlt ein Fuß zu elftausendvierhundert. So sehr es jetzt Modesache geworden ist, die Saison für Hochgebirgstouren mit einer Ersteigung des Wetterhorns zu eröffnen, so spät hat doch gerade dieses seinen ersten Besteiger gefunden. Denn wenig mehr als ein Vierteljahrhundert ist seit der Expedition auf das Rosenhorn durch die Herren Desor, Dollfuß, Dupasquier und Stengel verflossen. Es wurde bis dahin für unbesteiglich gehalten. Jetzt sind auch Damen oben gewesen, und gegenwärtig, denn auch Berge werden als Modeartikel behandelt, erfreut sich das Wetterhorn mit seinem Nachbar Wellhorn, das seinen Ruhm vielleicht nur dem vertrauten Umgange mit der weltberühmten Größe des Wetterhorns verdankt – Eckermann und Goethe! – großer Beliebtheit und der größten Verbreitung im Kunsthandel.“

Illustriert wurde das ganze durch eine Zeichnung von Ludwig Hofelich aus München.

Ludwig Hofelich: Wetterhorn. Illustration für die Gartenlaube 1878. Foto Wikimedia Commons

Das Wetterhorn bleibt auch zur Jahrhundertwende eine beliebtes Sujet und wurde mit dem Photochrom Verfahren unzählige Male reproduziert. Die Farben von Photochrom sind nicht echt – aber sie haben den Farbhunger der Zeitgenossen befriedigt.

Photochrom Bild des Wetterhorns – um 1900. Bild Wikimedia Commons.
Photochrom Bild des Wetterhorns – um 1900. Bild Wikimedia Commons.
Photochrom Bild des Wetterhorns – um 1900. Bild Wikimedia Commons.

Zu ganz anderen Tönen angesichts der Grösse und Schönheit des Tales hat der Schweizer Autor Kurt Marti (1921- 2017) in seinem Gedicht „Rosenlaui“ gefunden:

rosa loui

so rosa
wie du rosa
bisch
so rosa
isch
kei loui süsch

o rosa loui
rosa lou
i wett
so rosa
wär ig ou