Eine Reihe von Keramikobjekten, die meine Mutter Antonia Landwehr-Widmer (1931- 2001) geschaffen hat, befinden sich seit kurzem in der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums – nun ist auch der grosse Teppich „Troia“ dort. Wie es dazu kam erzählt diese kleine Geschichte
Angefangen hat die Geschichte am 26.Mai 2017. An diesem Tag erreicht mich eine Mail mit folgendem Inhalt. Absender ist Christian Lanz, ein pensionierter Kurator des Schweizer Landesmuseums.
„Via Internet und meine Eingabe „Pfarrer Widmer Bätterkinden“ stosse ich auf Ihre Anschrift. Für das Landesmuseum, wo ich bis vor kurzem Kurator für Keramik und Edelmetall war, habe ich heute zwei Arbeiten von Toni Widmer Bätterkinden inventarisiert, einen Keramikteller mit der Darstellung eines „Paares in Hofstatt“ begleitet von der Gans „Henriette“ (bei Pfarrer Widmer), und eine bemalte Spanschachtel. Ich fragte mich dann, ob Toni Widmer ein Sohn des Pfarrers war und somit ein Onkel von Ihnen. Können Sie mir diese Vermutung bestätigen und eventuell noch Angaben zu den Lebensdaten, Wohnort und Tätigkeit von Toni Widmer machen?
Die Frage konnte umgehend beantwortet werden: Toni Widmer war der Mädchenname meiner Mutter, Antonia Landwehr-Widmer (1931- 2001). Die Anfrage überraschte – und provozierte meinerseits Nachfragen: Um was für Objekte ging es hier und wer war die Donatorin? Nun ist mir das Museum keine Rechenschaft schuldig und ich wusste erst gar nicht, ob eine solche Frage statthaft sei. Ich fasste mir dennoch ein Herz und fragte danach.
Die Antwort kam postwendend und der Name war mir nicht unbekannt: Eine der besten Jugendfreundinnen meiner Mutter hatte dem Landesmuseum die Objekte geschenkt.
Dank sorgfältiger Erfassung der Objekte stiess ich auf eine Signatur, die mir nicht bekannt war – eine kunstvolle kaligraphische Kombination der Anfangsbuchstaben des Namens meiner Mutter: A und W. Ich prüfte das anhand eines Objektes, das bei uns steht – und siehe da – es fand sich auch da. Links die Schale aus dem Landesmuseum, rechts eine Objekt aus unserem Besitz.
Nach dem Tod von Ursula Villiger, einer guten Freundin meiner Mutter, ist vor einem Jahr eine bisher verschollen geglaubte Arbeit wieder in Familienbesitz gekommen: Der gestickte Teppich namens „Troia“, für den meine Mutter 1969 einen Preis des Heimatwerks erhalten hat. Sie hat ihn in den Jahren 1965 – 1969 geschaffen. Das Bild der stickenden Mutter hat sich tief in mein Gedächtnis eingegraben – ich bin 1958 geboren und war in jenen Jahren in der Primarschule – und wir waren sehr stolz, als wir vom Heimatwerk-Preis erfuhren.
Fast 50 Jahre sind seither vergangen. Und nun ist der Teppich zurück und damit die Frage: Was tun wir mit dieser wunderschönen Arbeit. Zwar bin ich kein Spezialist in Sachen Erhaltung und Konservierung von solchen Arbeiten aber mit war klar: Am besten wäre es, man würde ihn an einem schattigen und trockenen Ort aufhängen – schliesslich hatte der Teppich in der Siedlung Neubühl bei der Familie Villiger die Jahre 1970 bis 2016 unbeschadet überstanden. Allein – eine solche Wand gibt es bei uns nicht. Zusammenrollen und in einen Schrank stellen keine Alternative.
Würde sich das Landesmuseum dafür interessieren? Wer jemals versucht hat einem Museum etwas zu schenken weiss, dass dies nicht so einfach ist. Zu viele Anfragen erreichen die Museen täglich. In unserem Fall hat es geklappt: Der Teppich zusammen mit einer grossen Keramikplatte, die wohl in den 50er Jahren in der Töpferei Rabiusla entstand, geht ans Landesmuseum und wurde am 18.September 2017 bei uns zuhause in Winterthur abgeholt – zuvor aber sorgfältig und liebevoll eingepackt.
Der Text aus Homers Odysee in Griechisch und dann in einer deutschen Übersetzung. Die kleine Notiz stammt wohl aus der Hand von Leo und Urs Villiger. Bei ihnen war der Teppich ungefähr von 1970 bis 2016.
Ebenfalls ins Landesmuseum ging eine schwer Keramikplatte. Sie musste um 1955 bei der Töpfermanufaktur Rabiusla in Zürich enstanden sein. Die Platte hing im Esszimmer der Familie Landwehr an der Wand und wurde am Heiligen Abend jeweils benutzt.
Es ist eine späte Anerkennung für das Schaffen einer Frau, die trotz materieller Sicherheit kein einfaches Leben hatte, wir alle wissen um die seelische Not, die ihr und damit auch unser Leben überschattet hatte. Umso grösser die Freude, dass es geklappt hat. Dazu muss man auch wissen, dass uns eine besondere Beziehung mit dem Landesmuseum verbindet – waren wir doch in der Kindheit gewissermassen Nachbarn.
Ich verdanke meiner Mutter frühe Begegnungen mit Kunst und Kunsthandwerk – natürlich haben wir wie alle Kinder damals fleissig getöpfert. Ich war stolz, dass meine Mutter auch etwas davon verstand. Wir wohnten an der Wasserwerkstrasse in einem Backsteinhaus gleich neben dem Drahtschmidli und Besuche im Landesmuseum gehörten für uns zum Alltag. An vieles habe ich eine sehr detaillierte Erinnerung – so an den Saal mit den Rüstungen aber auch an die herrschaftlichen Zimmer. Schon als Primarschüler nahm sie uns mit ins Kunsthaus – und ich habe starke Erinnerungen an diese Besuche: Tinguely, Luginbühl – das waren ihre Zeitgenossen. Die Ausstellungen über Pop Art (ca 1968) oder mit dem amerikanischen Künstler Edward Kienholz haben mich als Heranwachsenden nachhaltig verstört und beschäftigt.
Einmal pro Woche ist meine Mutter in den Stickkurs in die Gewerbeschule gegangen – ich hab sie dann jeweils dort abgeholt. Und später war sei eine Stickerin bei issy Funk in Wollishofen. Diese Textilkünstlerin hatte eine grosse Ausstrahlung und ich glaube sie war sehr glücklich dorthin gehen zu können.
Das Andenken an unsere Mutter wird weiter leben – auch wenn wir einmal nicht mehr da sein werden.
Antonia Daisy Landwehr-Widmer: Sie wurde am 6.Juni 1931 in Bätterkinden geboren und starb am 27.Juli 2001 in Zürich.
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Heimatwerk Zeitschrift mit Würdigung von Troja – 1969 : Downlad PDF