Die Stupa bemalen erhöht das Karma – Besuch im Tibet-Kloster in Rikon (ZH)

Das Tibet Institut in Rikon weckt auch heute, 53 Jahre nach seiner Gründung Interesse. Es veranstaltet regelmässig öffentliche Führungen. 35 Personen folgten dieser Einladung am letzten Samstag.


Längst hat man sich im Tösstal an die Tibeter Mönche in ihren roten Roben gewöhnt, man begegnet ihnen manchmal in der S-Bahn oder beim Einkaufen. Und jedes Kind weiss: Sie kommen vom Tibet-Kloster in Rikon. Es ist eine gute halbe Stunde Fussmarsch vom Bahnhof Rikon zum Tibet-Institut und es geht steil bergauf. Das weckt romantische Vorstellungen von einem beschaulichen Leben im Einklang mit der Natur, unterbrochen von meditativen Sitzungen. Und manch westliche Interessierte haben sich dabei auch schon gedacht, hier eine persönliche Zeremonie, sei es eine Hochzeit oder Taufe abzuhalten.

Der Kurator und Geschäftsleiter des Tibet-Instituts in Rikon, Philip Hegg. Foto Dominik Landwehr

Philip Hepp, der Kurator des Tibet-Instituts, winkt ab: Tatsächlich erhält er regelmässig solche Anfragen. Das Institut hat aber eine andere Aufgabe: Es dient hauptsächlich der Seelsorge und der Pflege der Kultur Tibets der Tibeter-Gemeinde in der Schweiz, die rund 8000 Menschen umfasst. Die Vorgeschichte des 1968 eröffneten Institutes ist interessant. Der spätere Entwicklungshelfer Toni Hagen (1917 – 2003) studierte 1961 und 1962 für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK die Möglichkeit in Nepal Flüchtlinge aus Tibet anzusiedeln. Zurück in der Schweiz wirkte er am Vorschlag an den Bundesrat mit, ein Kontingent von 1000 Flüchtlingen aufzunehmen, was dann auch geschah. Henri und Jacques Kuhn, die Besitzer von Kuhn Rikon hörten davon. Es war eine Zeit des chronischen Arbeitskräfte-Mangels. Die Integration der Tibeter in Rikon erwies sich aber als schwierig, wie Jacques Kuhn in einem Anlass 2009 erzählte. Henri Kuhn und seine Frau reisten nach Indien, um dort den Dalai Lama zu treffen. Für die Familie Kuhn war klar: Es braucht ein spirituelles Zentrum für diese Menschen, sie müssen ihre Traditionen und ihre Kultur pflegen können.

Das Tibet-Institut in Rikon steht unter Denkmlaschutz. 53 Jahre nach der Eröffnung ist es aber sanierungsbedürftig. Foto Dominik Landwehr

Die Gründung eines Klosters war ein naheliegender Gedanke. Der Jesuitenartikel in der Bundesverfassung verbot allerdings die Neugründung von Klöstern und so erhielt die neue Institution den Namen «Klösterliches Tibet-Institut». 1967 wurde mit dem Bau begonnen, 1968 wurde das Haus eingeweiht, 1973 kam der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, in die Schweiz und seither ist er alle paar Jahre in Rikon Gast.

Die Tibeter-Gemeinde ist seit den 1960er Jahre gewachsen, mittlerweile lebt bereits die vierte Generation von Tibetern hier. Die Arbeit mit den jungen Leuten ist eine wichtige Aufgabe des Klosters, denn viele sind nicht mehr so vertraut mit ihrer eigenen Kultur wie ihre Eltern. Vor allem am Wochenende ist hier meist viel los, während der Woche reisen die Mönche oft zu Tibetern und begleiten sie in schwierigen Situationen. Besonders die Totenbräuche und -Gebete brauchen viel Zeit. Von den acht Mönchen im Kloster, so konnte man am Samstag erfahren, bleiben die vier ältesten in Rikon. Die anderen vier sind nur für ein paar Jahre hier, danach gehen sie zurück nach Indien. Dort in Dharamsala im Bundestaat  Himachal Pradesh ist das Zentrum der Exil-Tibeter und auch der Sitz des Dalai Lama. In den grössten Klöstern in Indien leben jeweils Tausende Mönche.

Im Gebetsraum der Mönche. Er ist im Erdgeschoss des Gebäudes und öffentlich zugänglich Foto Dominik Landwehr

Viele Teile des Tibet-Instituts sind öffentlich. Dazu zählt der Gebetsraum im Erdgeschoss und die beiden Kultstätten vor dem Haus: Ein Kamin dient für die traditionellen Rauchopfer, ein kleiner Glaspavillon den Lichtopfern in Form von Kerzen. Der Pavillon ist übrigens den Mitgliedern der Gründerfamilie Kuhn gewidmet: Henri und Mathilde Kuhn-Ziegler, sowie Jacques Kuhn. Nicht öffentlich sind die Unterkünfte der Mönche. Sie leben in kleinen Zellen mit einem Grundriss von 2.8 x 2.8 Metern.

Öffentlich ist auch der Stupa, ein kleines, säulenartiges buddhistisches Bauwerk im Wald gleich neben dem Tibet-Institut. Der Weg dahin ist mit den farbigen Gebetsfähnchen geschmückt, das Bauwerk selber erstrahlt in hellem Weiss, seine Spitze ist mit Blattgold verziert. Das buddhistische Ritual verlangt die dreimalige Umrundung im Uhrzeigersinn. Das kleine Bauwerk wird häufig neu bemalt. Der Grund ist einfach: Eine Bemalung erhöht das Karma des Wohltäters und damit die Chancen auf eine gute Reinkarnation, erklärt Kurator Hepp.

Die Stupa liegt in einem Wald gleich neben dem Tibet-Institut. Auch sie ist jederzeit öffentlich zugänglich und auch bei Spaziergänger sehr beliebt. Foto Dominik Landwehr .

Öffentlich zugänglich ist schliesslich auch die Bibliothek des Instituts mit rund 12 000 Medien. Sie ist auch Mitglied des wissenschaftlichen Bibliotheksverbundes der Schweiz.

Das Tibet-Institut gehört zum Tösstal und zur Gemeinde Zell und erfreut sich einer hohen Akzeptanz und Sympathie bei der Bevölkerung. Das zeigt sich auch in der tiefen Anzahl von Vandalenakten. Nur zweimal sei in seiner 16jährigen Tätigkeit etwas passiert, sagt Hepp. Mit der Gemeinde Zell ist man im regelmässigen Kontakt. Die Gemeinde hat auch einen Beitrag von 3000 Franken zur Sanierung geleistet, die 2020 angefangen hat und noch bis Ende 2022 dauert, den Löwenanteil von 343 000 Franken übernahm der Lotteriefonds des Kantons Zürich.

Das 1968 fertig gestellte Gebäude ist unter Denkmalschutz. Dieses Jahr ist das Dach an der Reihe, zuvor mussten Mauern und Drainagen saniert werden, da der Untergrund sehr feucht ist. Genau so wichtig wie die materielle Unterstützung sei aber die Hilfe der Gemeinde bei Behördengängen oder die Unterstützung durch die Feuerwehr der Gemeinde Zell bei Grossanlässen. Denn wenn der Dalai Lama das Tibet-Institut besucht, kommen jeweils über Tausend Gäste um ihn zu sehen und auch der Verkehr muss geregelt werden.

Die Tibeter sind in die Schweiz gekommen, weil sie in ihrer Heimat von China verfolgt wurden. China unterdrückt bis heute die Kultur und Sprache Tibets. Das wurde an der Führung nicht thematisiert. Nur am Schluss blitzte es kurz auf, als Kurator Hepp die Frage nach dem Nachfolger des Dalai Lama beantwortete: Er, der Dalai Lama habe gesagt, er möchte nicht im von China besetzten Tibet wiedergeboren werden.

Das Tibet-Institut organisiert regelmässig Führungen, Vorträge und Workshops. Infos dazu finden sich auf der Homepage
http://tibet-institut.ch

Die Gebetsfahnen sind ein Wahrzeichen des tibetischen Buddhismus – sie finden sich auch auf vielen Berggipfeln in der Schweiz. Foto Dominik Landwehr

Jacques Kuhn erzählt in einem Kultur-Apero im Jahr 2009 die Geschichte des Institutes