Stefan Nägeli: Seitdem ich im Tösstal lebe, bin ich gelassener

Stefan Nägeli ist Programmleiter bei Tele Top in Winterthur und hat einen hektischen Alltag. Seit vier Jahren lebt er in Wila – und ist begeistert von seinem neuen Wohnort.

Wir treffen uns mitten in Wila im neuen Café Janz – hier entsteht inmitten von neuen Häusern eine Art Dorfplatz. Gleich um die Ecke ist das Ortsmuseum Wila und etwas weiter über uns das Wahrzeichen von Wila: Die kleine Dorfkirche. Der Ort passt zu unserem Gespräch – Stefan Nägeli lebt erst seit vier Jahren im Tösstal und ist aus Andelfingen hierhergezogen: «Der Liebe wegen», schmunzelt er. Seine Partnerin hat einen 13-jährigen Sohn und ihm wollte man keinen Umzug zumuten. Bereut hat es Stefan Nägeli noch nie, aber seinen kritischen Blick hat er, wie es sich das für einen Journalisten gehört, nicht abgelegt.

Begegnung mit Stefan Nägeli im Café Janz in Wila. Foto Dominik Landwehr.

Zunächst reden wir aber über seinen beruflichen Hintergrund: Stefan Nägeli ist heute Programmleiter bei Tele Top in Winterthur. Bald ist klar: Journalismus ist seine Berufung und nicht erst seit kurzem. Er hat einen wichtigen Teil der Mediengeschichte der Schweiz an vorderster Front mitgemacht, seitdem er bei Radio Eulach im Jahr 1984 angefangen hat. Das Datum ist kein Zufall: 1979 hatte Roger Schawinski mit seinem Piratensender vom Pizzo Groppera aus begonnen in die Region Zürich zu senden und eine eigentliche Radiobegeisterung bei den Jungen entfacht, daran erinnert sich auch Stefan Nägeli, der damals eine KV-Lehre machte. 1983 erhielten die ersten Lokalradios vom Bund versuchsweise eine Sendekonzession, darunter auch Radio Eulach. Dort heuerte Stefan Nägeli an, später arbeitete er für Radio Z. Als in den 90er Jahren auch die ersten Lokal-TV-Stationen entstanden, zog es ihn dorthin, danach ging es bei Ringier TV und diversen Fernsehprojekten des Verlagshauses wie Cash TV, Konsum TV oder Motor Show weiter.

2008 erhielt Tele Top eine Sendekonzession und so wurde Nägeli schliesslich Programmleiter bei Tele Top. «Es war mein Traumjob, der mir die Möglichkeit bot, vieles zu verändern. Das ist auch heute noch so», sagt er im Gespräch. Die Top Mediengruppe entstand ursprünglich aus dem Zusammenschluss von Radio Eulach, Radio Thurgau und Radio Wil und ist heute auf drei Kanälen präsent: Radio, TV und Internet.

Stefan Nägeli in einem Talk von Tele Top. Foto PD.

Das sind insgesamt fast 40 Jahre Radio und Fernsehen – kaum ein Bereich ist dermassen von der Digitalisierung umgekrempelt worden, wie die elektronischen Medien. Nicht ohne Nostalgie erinnert sich Stefan Nägeli an früher, wo man im Studio noch Platten auflegte und Tonbänder schneiden musste. Und natürlich gab es Mitte 80er Jahre noch kein Internet, bis Radio und Fernsehen übers Netz streamen konnten, sollten nochmals 20 Jahre vergehen. Heute ist alles anders: Video-Journalistinnen und Journalisten können bereits mit einem Smartphone sendefertige Beiträge realisieren; Talkshows werden im Studio produziert und noch vor der Sendung online aufgeschaltet. Tele Top hat einen eigenen professionellen Übertragungswagen, der Ton- und Bildaufnahmen in höchster Qualität und live-Schnitt ermöglicht. Allerdings hat solche Technik auch ihren Preis: Der relativ neue Übertragungswagen schlug mit zwei Millionen Franken zu Buche. Das ist auch für Tele Top mit seinen 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kein Pappenstiel.

Der Programmleiter von Tele Top im Gespräch mit dem Verleger und Autor Matthias Ackeret – vor der eindrücklichen Kulisse des Rheinfalls. Juli 2021. Foto PD.

Stefan Nägelis Herz schlägt für den regionalen und lokalen Journalismus. Hier sieht er auch die Zukunft: Lokale und regionale Informationen wird es immer brauchen und die müssen beschafft und aufbereitet werden. Dazu braucht es Journalisten – und Finanzen. Die kommen beim Tele Top zu einem wesentlichen Teil vom so genannten Konzessions-Splitting, also aus den Geldern, die der Bund für Radio und TV einzieht. Service Public heisst das Stichwort dazu und das Thema liegt Stefan Nägeli am Herzen: Weniger Boulevard und dafür mehr Politik, heisst sein Credo und deshalb spielt zum Beispiel die Berichterstattung aus den lokalen Parlamenten eine grosse Rolle bei Tele Top, auch wenn manche emotionale Human-Touch-Story mehr Publikum bringen würde. Der Umbruch ist längst nicht abgeschlossen, sagt er: Die Zukunft der elektronischen Medien liegt im Internet, nicht mehr im traditionellen Fernsehen. Wie diese Zukunft genau aussieht, und wie man das jüngere Publikum damit erreichen will, weiss allerdings auch der Programmleiter von Tele Top nicht. «Wir werden es herausfinden müssen».

Wila ist seit vier Jahren die Wahlheimat von Stefan Nägeli. Foto Dominik Landwehr.

Stefan Nägeli lebt mitten in seiner Senderegion in ländlicher Umgebung, am Dorfrand von Wila. «Ich habe zwar auch vorher auf dem Land gelebt», sagt er. Aber ländlicher als hier im Ägetswil am Dorfrand von Wila geht es kaum mehr. Kuhglocken habe er auch an seinem früheren Wohnort gehört, aber dass man vom Wohnzimmer aus Rehe beobachten kann, das ist neu, erzählt er begeistert. Kürzlich hat er eine Gemeindeversammlung besucht, die in Wila gelegentlich auch in den so genannten Aussenwachten durchgeführt wird. Die Versammlung fand coronabedingt in der Scheune des Restaurants «Heuboden» statt. Während der Budget Präsentation hörte man nebenan die Schweine grunzen, erzählt der Neuzuzüger mit einem Schmunzeln.

Wie denkt er über die Leute hier? Für Stefan Nägeli gibt es schon Mentalitätsunterschiede zwischen seinem alten und neuen Wohnort: «Die Menschen hier scheinen mir sehr ‘geerdet’ zu sein, bodenständig, unaufgeregt, aber auch etwas verschlossener». Aufgefallen ist ihm auch die hohe Dichte von Freikirchen oder Aussteigern. Das sind für ihn Leute, die einen ganz eigenen Weg verfolgen. Unsympathisch findet Stefan Nägeli das alles nicht, im Gegenteil.

Was ihn am meisten begeistert ist die Natur: «Ich gehe oft im Wald spazieren, der ist ja gleich vor der Haustür» Auch die Töss mit ihren Stromschnellen gefällt ihm und wir machen dann auch ein paar Fotos von ihm am Tössufer. «Ich kann die Welt hier in allen vier Himmelsrichtungen zu Fuss erkunden und entdecke immer etwas Neues». Wie wirkt sich diese neue Umgebung auf ihn aus? «Ich bin gelassener geworden» sagt er, der sonst immer unter Strom steht. «Davon profitieren auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter».

Das Tössufer in Wila – eines der Lieblingsplätze von Stefan Nägeli. Foto Dominik Landwehr.

Dieser Artikel erschien am 6.August 2021 im Tössthaler