Der polnische Dichter Stasiuk und die Landschaften Rumäniens – Rumänien 2010 (8)

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„Die Welt endet nicht mit einem Knall, sie verrostet“, schreibt der polnische Dichter Andrzej Stasiuk. Keiner hat Landschaften und Stimmungen dieser Gegenden besseer beschrieben als er. Die folgenden drei Auszüge aus seiner kurzen Erzählung “ Grzesiek“ haben es mir besonders angetan.


„…oder all diese überflüssig gewordenen Dinge, die hinter den Schuppen in den Brennesseln liegen, diese Emailletöpfe, außen blau und innen weiß, und zwischen den Farbschichten nur noch Rost, vermischt mit Resten Tausender Mahlzeiten aus einer Zeit, als an den Straßen Lattenzäune standen, auf denen Kochtöpfe wie stolze Wohlstands- Beweise aufgespießt waren, im Wettstreit der Nachbarn, aber immer war es ein dunkles Blau, und in der Sonne sahen sie so traurig aus wie verräucherte Stücke Himmel. Oder diese billigen großen Wecker, die niemand reparieren wollte und in deren Messingmechanik die weissen Triebe der Quecke keimten, die durch das zertrümmerte Glas ans Licht drängten, durch ein Zifferblatt, das ein totes Viertel nach drei anzeigte, aber war es nun nachts, am Tage, und in welchem Monat?“
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„Auch die Ursus C340 kommen dorthin, und von der Hitze verbrannte Vistula-Mähdrescher, und die weißen Scherben der Syrenas vom Typ Limousine und B0510, und die leeren Hülsen schwarzer Wolgas, bis aufs Skelett abgenagte WFs, vor Erschöpfung ausgemergelte SHLs und all die Mazurkas von Jozek Ciumca, die gnadenlos im Wald liegengelassen wurden, mit gerissenen Raupen und frostgeborstenen Motorblöcken. All die Anhänger von den LPGs, die ihre Schuldigkeit getan hatten und jetzt gehen konnten, Nysas, die Konquistadoren einer vergangenen Zeit transportiert hatten, Zuks, die mit letzter Kraft aus dem Eldorado der Arbeiter und Bauern heimgekehrt waren, anschmiegsame Ural-Fahrräder und Ukraina-Räder mit Sätteln wie für Tatarenpferde, DBT-Trecker wie die Diesel-Versionen gezähmter Elefanten, Stalin-Raupen wie Diesel-Dinosaurier, alles, was bis zum letzten Atemzug, bis zur letzten Umdrehung gedient hat, kehrt jetzt ins wilde Reich der Mineralien zurück. Die Welt endet nicht mit einem Knall, sie verrostet.“
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„Und aus dem Kosmos sprüht der metallische Glanz des Mondes, als wäre er selbst eine einfache, elegante Maschine und segnete seine irdischen Brüder und bei Gelegenheit den Rest der ein für allemal erstarrten Dinge, die sich in die alluvialen Schichten der Zeit gegraben hatten. Und man weiß nicht, ob die Dinge, die gelebt haben und gestorben sind, erlöst werden, ob jemand sie auferweckt und wieder zusammensetzt, ob da ein eschatologischer Mechaniker ist, der mit dem himmlischen Schraubenzieher in ihnen pult und ihnen einen neuen und ewigen Vorrat an Pferdestärken oder Kilowattstunden einhaucht, oder ob ihre Unendlichkeit die heidnische Form der Rückkehr zu den Urquellen, vielleicht auch des Zerfalls in Elementarteilchen haben wird.*
Der Text stammt aus der Erzählung Grzesiek von Andrzej Stasiuk im Insel-Band Winter. Frankfurt 2009.

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