Die Schweizer sind zu faul um das harte Studium in den Ingenieurwissenschaften durchzustehen. Damit erklärt sich die Weltwoche kürzlich den Mangel an Ingenieuren in der Schweiz. Das Argument ist nun doch etwas kurz gegriffen, denn gearbeitet wird hierzulande weissgott nicht zu wenig sondern zu viel, Workoholic zu sein gilt gar als schick. Es gibt andere, wichtiger Gründe: Ingenieure haben ein Looser-Image, die Schweiz eine lange Tradition der Technikfeindlichkeit.
Ingenieure sein hiess in der Nachrkiegsschweiz während Jahrzehnten, Maschinen-Ingenieur zu sein. Die stolzen Erben von Alfred Escher und Brown Boveri ritten auch nach dem Zweiten Weltkrieg auf einer Erfolgswelle. Schweizer Turbinen, Schiffsmotoren, Getriebe wurden in die ganze Welt exportiert. Der Niedergang kam schleichend und zog sich über mehrere Jahrzehnte hin – letztlich war er aber das grösste Grounding in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte, wie der Industriearchäologe Hans-Peter Bärtschi etwa festhielt. Die Schweizer Maschinenindustrie sorgte zwischen 1970 und 2000 praktisch ausschliesslich für negative Schlagzeilen. Heute sind die grossen Namen der Schweizer Industrie nur noch Hülsen für Gebäude und da und dort für dünne Nachfolge-Firmen: Sulzer, Escher-Wyss, Maag. Nur gerade Asea Brown Boverie ABB konnte sich – nicht ohne Schmerzen und Transformationen – halten.
Grosstechnologie in den 70er Jahren – auch das sei nicht vergessen – war unter anderem die Atomkraft. Und hier gab es ein gewaltiges Image-Problem. Sie stand im Ruf unbeherrschbar, schädlich zu sein. Dass die Technologie hinter den so genannten Alternativ-Energien mindestens ebenso neu, spannend, herausfordernd und letztlich gewinnbringend sein konnte, diese Idee galt in den 70er und 80er Jahren allenfalls bei Linken, Grünen und sonstigen alternativen Vögeln.
Nun wäre dieser Wandel allein noch nicht problematisch – hätte man es hierzulande nicht versäumt, nach Technologien Ausschau zu halten, die in die Lücke springen konnten. Der aufstrebenden Computertechnologie gab man keinen Kredit. Zwar bauten zwischen 1954 und 1959 der Elektroingenieur Professor Eduard Stiefel zusammen mit seinen damaligen Mitarbeitern und späteren ETH-Professoren Heinz Rutishauser und Ambros Speiser einen wissenschaftlichen Computer: die ERMETH. Aber kaum einer glaubte hierzulande an das kommerzielle Potential der Datenverarbeitung. Computer, so die gängige Schlussfolgerung, sind gut für die Wissenschaft aber Geld verdienen kann man damit auch in Zukunft nicht. Als der Informatik-Pionier Niklaus Wirth Mitte der 70er Jahre mit den Ideen für einen Personal Computer mit einer benutzerfreundlichen Schnittstelle aus Kalifornien zurück kam, war es bereits zu spät: Ein Schweizer Computer namens Lilith wurde zwar gebaut – er war aber bald obsolet, nachdem Apple anfangs der 80er Jahre mit seinem revolutionären Gerät den Weltmarkt erobert hatte.
Es gab wohl bis in die späten 80er Jahre in der Schweiz nicht jene technologiefreundlichen Millieus, die so typisch für die Westküste der USA sind.
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Industrie-Archäologie: Arias Industriekultur
Science & Technology Studies in der Schweiz:
Technikgeschichte an der ETH Zürich