Mit der Dampfbahn ins Wassertal – auf den Spuren von Holzfällern und Waldjuden
Sie verdankt ihre Rettung dem Berner Fotografen Michael Schneeberger verdankt. Er hat sich in den frühen 90er Jahren in die Rettung dieser Bahn regelrecht festgebissen hat und die Besitzer – eine Holzfirma im Ort – überzeugt, die Transportbahn weiterzuführen und nebenbei als Touristenattraktion zu nutzen. Die Bahn dürfte mittlerweile Dutzende von Arbeitsplätzen geschaffen haben – nicht nur für Betrieb und Unterhalt, sondern auch für Beherbergung und Verpflegung der Touristen, die vor allem im Sommer zahlreich in die Gegend kommen.
So präsentieren wir uns um halb ach am Kartenschalter und nehmen zwei Tickets in Empfang. Im Hintergrund eine Fototapete mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Und aus der Schweiz stammt auch ein Teil des Rollmaterials. WAB heisst es auf den Wagen – die Abkürzung steht nicht etwa für Wassertal-Bahn sondern für Waldenburger Bahn, was eine Regionalbahn im Kanton Baselland ist. Kaffee gibt’s gleich nebenan. Die Bilder an der Wand erinnern uns an etwas – es sind Kopien aus Roman Vishniacs epochalem und traurigen Fotoband „A lost world“ – der letzten Dokumentation jüdischen Alltags, gut möglich, dass Vishniac auch in Oberwischau war.
Pünktlich um halb neun fährt der Zug ab oder besser: ruckelt er davon. Lange im Schrittempo, später ein wenig schneller. Vorsicht ist angezeigt. Die Geleise sind in einem schlechten Zusand. Man hörts auch und wer die Gleise näher anschaut sieht mehre krumme als gerade Linien.
Wir staunen über die vielen Häuser, Siedlungen und Pensionen uns nach dem Dorfausgang begegnen. Waldwirtschaft und Tourismus scheinen sich hier gut zu ergänzen. Später wird es einsamer. Mit dem Wasser ist im Wassertal nicht zu spassen, das ist uns bald klar: Immer wieder stossen wir auf Spuren von früheren Überschwemmungen. Seit dem letzten Unwetter ist erst ein Jahr vergangen und wer die Schäden an den Gleisen sah und davon hört, kann kaum glauben, dass dieses Jahr wieder Züge rollen. Schlimm wars auch 2008 – und wohl auch davor.
Nur etwa die Hälfte der einstigen Strecke ist nach dem jüngsten Umwetter noch befahrbar. So ist denn in Paltin Schluss uns nach einem Picknick kehrt der Zug um, die Lok wird vorgefahren und nun geht’s talabwärts. Der Zug hat keine hydraulischen Bremsen, dafür auf jedem Wagen einen Bremser. Dass es ihn braucht werden wir bald heftig erfahren.
Plötzlich geht ein Ruck durch den Wagen, ein infernalisches Geräusch ist zu hören und wir werden durchgeschüttelt wie auf einer Jahrmarkt-Attraktion. Doch warum fährt der Zug immer noch weiter? – Nach einer Schrecksekunde ist klar: Ein Wagen – offenbar der unsere – ist entgleist. Die heftigen Schüttelbewegungen stammen von den Eisenrädern, die auf die Holzschwellen schlagen.
Es gelingt den Zug zum Halten zu bringen. Wir reiben uns die Augen – unsere Begleiter sind ganz ruhig und holen einen grossen, kurbelbetriebenen Heber. Eine halbe Stunde dauert die Aktion und offenbar gehört die Aktion zur Routine der Bahnangestellten.
Und hier gehts zur Wasertalbahn