Kein Schweizer Autor hat hat sich tiefer mit den Geheimnissen und dem Innenleben von Spionen befasst als Peter Zeindler. In diesen Tagen feiert er seinen 75.Geburtstag. Mit 20 Minuten Podcast des Autors.
Nie hat Peter Zeindlich sich als Sachverständiger für Spionage aufgespielt, obwohl er längst mehr weiss über das Innenleben der Spione – nicht nur im Kalten Krieg. Er hat sich nie als Historiker dafür interessiert, sondern immer als Schriftsteller und aus einer subektiven, einfühlenden Perspektive geschrieben.
Beispielhaft vorgeführt hat Peter Zeindler dies in seiner Rede, die er zum Thema „Mythos Enigma“ am 11.November 2008 in Basel gehalten hat. Die Rede ist als Podcast nachzuhören. Ein wichtiger Ausschnitt hier aber schriftlich.
„Spione, wenn sie sich auf feindlichem Territorium bewegen, leben ja meistens auch nicht ihre eigene Biographie, sondern meistens leben sie scheinbar die Biographie einer andern Person weiter, eines Menschen, der entweder nicht mehr lebt, eines normalen oder gewaltsamen Todes gestorben oder irgendwo untergetaucht ist. Ich persönlich habe im Zusammenhang mit meiner Schreibarbeit Spione kennen gelernt – selbstverständlich erst dann, als sie nicht mehr als Agenten tätig waren. (Auch hinter Sembritzki steht ja letztlich auch eine real existierende Person, die für den BND gearbeitet hat) Diese Spione haben auf ihren Missionen nur deshalb überlebt, weil es ihnen gelungen ist, die Legende, die ihnen verpasst worden ist, diese fremde Biographie, mit Leben zu erfüllen, ja selbst in so heiklen Situationen noch, wenn sie sich verliebten und heirateten und der Frau, mit der sie zusammenlebten, nicht ihr wirkliches Leben erzählten, sondern die Biographie eines Fremden, so wie Oedipus’ Mutter ihren eigenen Sohn als Gatten geliebt hat. Und man kann sich ja auch fragen, hat die Frau, die mit einem solchen Mann zusammenlebte, den Mann geliebt, dessen Biographie, dessen Identität sie zu kennen glaubt oder den Mann dahinter, der er ursprünglich war: das Geheimnis, dem sie nachspürte und dessen Lösung wohl auch das Ende der Beziehung bedeuten würde, ein ganzes Stück der eigenen Biographie der Frau in Frage stellen würde – Hier in dieser extremen Situation spiegelt sich die Ambivalenz menschlichen Daseins: Ich bin all das, was du siehst, und alles, was du fürchtest dahinter.“ hat Canetti geschrieben. Das gilt für Iokaste, Oedipus’ Mutter und Gattin und es gilt für die Ehefrauen von unenttarnten Spionen. *
Und hier gehts zu seiner Basler Rede, die als Podcast.
(Aufnahme + Foto Dominik Landwehr – dlandwehr at bluewin.ch)