Pater Berno Blom OSB verstorben – Erinnerungen an meinen Klassenlehrer 1970

Vor wenigen Tagen ist Pater Berno Blom OSB verstorben. Pater Berno ab 1970 war als junger und enthusiastischer Benediktiner mein Lehrer in den ersten Jahren an der Stiftsschule Einsiedeln.

Maifahrt 1972 der 2.Klasse der Stiftsschule Einsiedeln. Rechts. Pater Berno Blom, Links Dominik Landwehr.
Bild: Fotoarchiv Kloster Einsiedeln.

Am 1.Oktober 2020 werden es genau 50 Jahre her sein, dass wir als 12jährige in die Klosterschule Einsiedeln eingetreten sind – für uns alle eine neue Welt, eine kleine Welt. Sie bestand aus den Schulzimmern, dem Aufgabenraum „Museum“ genannt, einem muffigen Speisesaal in einem barocken Gewölbekeller (nein, es war nicht romantisch) und einem gedeckten Aussengang, der Kegelhalle. In unserem ersten Schlafsaal, kurz A genannt, standen genau 31 Betten. Um 09.30 war Nachtruhe, um 06.00 wurden wir geweckt, ab 06.20 waren wir beim Aufgaben machen. Schule war jeden Tag von Montag bis Samstag, Donnerstagnachmittag war frei. Um die Aufgaben zu machen standen uns etwa vier Stunden zur Verfügung. Alle vier Wochen durften wir heimfahren.

Pater Berno war nicht nur mein Klassenlehrer und unterrichtete Latein und Religion, er war auch unser Präfekt. Das ist so etwas wie ein Hausvater. Das heisst wir waren sieben Tagen praktisch Tag und Nacht zusammen. Kaum vorstellbar in der heutigen Zeit.

Klosterschule – wir nannten sie „Stift“ für Stiftsschule, das tönt nach rigidem Katholizismus. In Wirklichkeit war es genau das Gegenteil. Die Mönche, vorab die jüngeren, waren eifrig daran, die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen. Religions-Unterricht war Lebenskunde, was immer das hiess. Als begeisterter junger Amateurfotograf durften ich mit meinem Freund Christoph Ruckstuhl (heute Chef Fotograf NZZ) eine Tonbildschau realisieren. Dafür sind wir mal zum Sonnenaufgang auf den Mythen gestiegen. Pater Ruprecht Ruhstaller hatte den Ruf, als Philosophielehrer die Jugendlichen zu Marxisten zu erziehen. Ob er das wirklich machte, kann ich nicht beurteilen. Aber er war ein kluger Kopf.

Wir mussten zweimal in die Woche in die Studentkapelle zur Frühmesse. Beliebt war Pater Walter, weil er eine stille Messe hielt mit dem Rücken zu uns und wir entweder dösten oder ein Buch lasen – immerhin es war erst 06.30. Nur Pater Rupert hatte es jeweils geschafft, in den knapp 20 Minuten eine Predigt zu improvisieren. Kurz, wir bewunderten ihn.

Der Besuch einer Klosterschule – Einsiedeln, Disentis, Engelberg, Stans – gehörte zwar in der katholischen Diaspora zum Erziehungsprogramm. Allerdings verabschiedete sich der Katholizismus in den 70er Jahren rasant aus der Diaspora vor allem in Zürich. In der Innerschweiz mag das noch etwas gedauert haben. Kurz: Eine Klosterschule war auch damals ein Anachronismus und als Klosterschüler war man irgendwie schräg in unterwegs. Das Leben im Kloster – warum tut sich ein Mensch zumal ein Mann – so etwas an? Eine Frage, die uns bereits als 12jährige beschäftigte und keine Ruhe liess. Und natürlich konfrontierten wir vor allem die jüngeren Patres mit unseren Fragen. An ihre Antworten kann ich mich nicht erinnern. Sie waren sicher fromm und klug aber für uns komplett unverständlich. Einmal fragte: Wie ist das, wenn sie sterben, da trauert ja niemand um sie? Eine aktuelle Frage.

Aber – und jetzt kommt es: Diese Männer haben uns vorgelebt, dass man im Leben einen eigenen Weg gehen muss. Gegen den Strom schwimmen. Wenn ich aus meiner Zeit in Einsiedeln etwas mitnehme, dann ist es genau das.

Mit Pater Berno waren wir auch unterwegs – im Sommer in einem freiwilligen Lager in Disentis. Lagermotto: Summerhill – antiautoritäre Erziehung.

Nun ist er gegangen. Er war eine wichtige Person in meinem Leben, wenn auch nur für kurze Zeit. Ich habe meine Matura nicht in Einsiedeln gemacht, sondern in der freieren Luft der Stadt Zürich am Schulhaus Rämibühl. Aber das ist eine andere Geschichte.

Er ruhe in Frieden.

Todesanzeige des Klosters Einsiedeln

Blogbeitrag im Sternenjäger 30.1.2012

Bildarchiv des Klosters Einsiedeln (unter ‚Schule‘ suchen)

Maifahrt 1972 der 2.Klasse der Stiftsschule Einsiedeln. In der Mitte des Bildes Pater Berno Blom.Links mein Klassenkamera Paul Beaud. Hinter ihm rechts: Dominik Landwehr. Angeschnitten: Käthy Kälin. Ja, wir hatten auch Mädchen in der Klasse, wir waren der erste Lehrgang. Die Mädchen waren extern, wir waren intern.
Bild: Fotoarchiv Kloster Einsiedeln.