Oh mein Papa: Hommage an Paul Burkhard – Uraufführung des Filmes in Zell

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Die Kälte und Nässe des Spätsommers 2007 ergeben zusammen mit den schrillen Wahlkampf-Tönen der Blocher-Partei eine Kakophonie, die einen schon mal in depressive – oder dann vielleicht doch besser – wütende Stimmungen treiben kann. Und darin mischt sich nun – bedingt durch die Gnade des Zufalls – ein ganz anderer Ton: Weich, warm, versöhnlich und etwas melancholisch: „Oh mein Papa“ – der Start des Filmes von Felice Zenoni, eines Filmes, der eine Hommage an diesen grossen Musiker ist, eine Portrait, das mit viel Zuneigung entstanden ist. Paul Burkhard (1911 – 1977), das wird klar, hat mit seinen oftmals einfachen Liedern und Chansons, Bleibendes geschaffen. Premiere des Filmes fand in Zell statt – eine schöne Geste, dass die Bevölkerung der Gemeinde zu einer eigenen Gratisaufführung geladen wurde.


Geladen ware Einwohner der Gemeinde Zell – und sie kamen in Scharen und füllten den Gemeindesaal im Nu. Der Saal liegt gleich der Kirche Zell, in der 1960 die Zeller Wienacht von Burkhard uraufgeführt wurde und nur wenige 100 Meter Haus entfernt, in dem Paul Burkhard von 1959 bis zu seinem Tod im Jahr 1977 gelebt hatte und hier im Tösstal die nötige Ruhe und Abgeschiedenheit zum Komponieren fand.
Und so sieht man Paul Burkhard hier im Tösstal mit ganz eigenen Augen und etwas Stolz gehört wohl auch zu den Gefühlen. „Er hat uns etwas zum Schneggenloch“ herausgeholt, meinte Gemeindepräsident Ernst Huggler denn auch – die Weinbergschnecke, das muss man wissen, ist das Gemeindewappen von Zell und nach dem Film hat sich wohl der eine oder andere eine Träne der Rührung aus den Augen gewischt…
Eindrücklich zunächst einmal einfach die Fülle des Materials, das Regisseur Zenoni vor unseren Augen ausbreitet – dazu zählen unbekannte und nie gesehene 16mm Aufnahmen des Künstlers, Filmrollen, die sich erst kürzlich im Nachlass fanden. Ja – Burkhard ist der Komponist des Chansons „Oh mein Papa“, der „kleinen Niederdorfoper“ und der „Zeller Wienacht“ – aber er war auch ein unermüdlicher Kapellmeister, komponierte und musizierte jahrelang fürs Zürcher Schauspielhaus, schrieb Musik für Brechts Dreigroschenoper, die 1941 am Zürcher Schauspielhaus ihre Uraufführung erlebte (Brecht mochte sie nicht, diese Musik…)* , auch für Theater vom Friedrich Dürrenmatt; schliesslich wandte er sich gegen Ende des Lebens ganz seiner mystischen Seite zu und schrieb auch Werke für die orthodoxe Liturgie, zu der er sich offenbar besonders hingezogen fühlte, konvertierte sichliesslich sogar zum Katholizismus.
„Oh mein Papa“ ist mehr als ein gewöhnlicher Dokumentarfilm sondern eine Hommage von Schweizer Künstlern an diesen grossen Mann: Zu sehen sind u.a. Michael von der Heide, Dodo Hug, Vera Kaa oder Lys Assia und singen Werke von Paul Burkhard im stimmungsvollen Rahmen seines Musikzimmers, das die Nachlassverwalterin Ursula Schellenberg seit seinem Tod erhalten hat.
Der Film zeichnet mit viel Zuneigung das Portrait eines grossen Musikers, Schweizers und Weltbürgers – hinter seinen einfachen Melodien verbarg sich nicht Kalkül, sie waren Ausdruck einer empfindsamen Seele; Wie kaum ein anderer konnte Paul Burkhard auch Melancholie in seiner Musik ausdrücken: Man denkt an das Lied „De Heiri hät es Chalb verkauft“ aus der kleinen Niederdorfoper – unvergesslich interpretiert von Ruedi Walter, oder ans Lied „Kei Mueter weiss“ aus der Zeller Wienacht.
Mein Eintrag soll mit einer heiteren Note schliessen: Im Film sieht man eine wunderbare Modelleisenbahn und eine Puppenstube, beide stehen offenbar im Burkhard-Haus in Zell. Der Kommentar verschweigt, was man sich heute noch im Dorf erzählt, dass nämlich der Komponist und seine Schwester Lisa auch als Erwachsene noch damit gespielt haben sollen. Si not e vero e ben trovato…es wäre doch schön, wenn es so wäre und würde beide noch sympathischer machen!
Und noch etwas: Das Lied „Giorgio vom Laog Maggiore“ gehört wohl nicht zu den besten Leistungen des Komponisten – zu stark nimmt es das Klischee vom rustikalen Ticino auf. Aber es sei an dieser Stelle erinnert, dass das Lied während Monaten oder Jahren von Radio DRS nicht mehr gespielt wurde, ja sogar mit einem Bann belegt war. Der Grund war einfach: Es gab in den frühen 80er Jahren einen Anarchisten namens Giorgio Bellini, der im Knast einsass. Seine Sympathisanten schickten nun dem Radio-Wunschkonzert immer wieder diesen Wunsch, was irgend einmal auffallen musste….
* Hier wäre etwas Klärung von Nöten: Wie war das nun genau. Paul Burkhard hat für Brecht Musik komponiert, die diesem nicht gefiel. Mit welcher Musik wurde dann die Dreigroschenoper 1941 in Zürich aufgeführt?
Offzielle Homepage des Paul-Burkhard Filmes „Oh mein Papa“ von Felice Zenoni
Homepage Paul Burkhard
Eintrag zu Paul Burkhard im Historischen Lexikon der Schweiz
Wikipedia-Eintrag Paul Burhkard

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