Es vergeht kein Tag, ohne dass nicht einer dieser ominösen Briefe in meinem Briefkasten landet: Korrekt angeschrieben und aussen schön bunt. Vielversprechend dick. Die Absender in zufälliger Reihenfolge: Schweizer Berghilfe, Pro Juventute, Kinderspitex, Vier Pfoten, die Greinastiftung, das Zürcher Lighthouse, das Kinderdorf Pestalozzi.
Gestern kamen die spanischen Strassenhunde. Ich erspare Ihnen die Details. Und ich fürchte, das ist erst der Anfang! Alle diese Briefe wandern bei mir ungeöffnet in den Abfall. Nicht ins Altpapier, da müsste ich ja erst noch den Inhalt sortieren und die Farbstifte, Pflästerli, Taschenmesser, Adressetiketten raus fischen und mir überlegen, was ich damit anstellen soll. Und sollte je eine Organisation auf die Idee verfallen, eine Taschenlampe mit Knopfzelle zu verschicken so wäre das Sondermüll.
Keine einzige dieser Organisationen wird von mir je einen müden Rappen kriegen. Heute nicht, morgen nicht, gar nie. Denn was sie veranstalten ist ein riesiges Ärgernis und schlicht eine unnötige Umweltverschmutzung. Tonnenweise muss dieser Mist durchs Land gekarrt, verteilt und wieder entsorgt werden. Offenbar rechnet sich das immer noch. Und das liegt wohl daran, dass die Post zu wenig für diese unsinnige Dienstleistung verlangt.
Der Unsinn lässt sich übrigens noch steigern: Vor einigen Jahren hat mich ein smarter junger Mann am Bahnhof Hardbrücke zu einer Spende für eine Gehörlosenprojekt überredet. Ich war bereit 50 Franken zu geben und verlangte nach einem Einzahlungsschein. Nein, das gehe nicht, beschied er mir, man möchte das Geld per Lastschriftverfahren im Monatsrhytmus einziehen. «Gaats no» habe ich ihm geantwortet und ihn stehen lassen. Immerhin habe ich dann noch feststellen dürfen, dass seine Organisation ZEWO zertifiziert ist. Die ZEWO beaufsichtigt nach eigener Meinung Organisation, die Geld sammeln. Offenbar ist diese ZEWO auch nicht zu gebrauchen. Seither hat für mich dieses ominöse Siegel jeden Wert verloren.
Und es wird noch schlimmer: Der Sammel-Wahnsinn hat einen Namen: Fundraising heisst das auf Neudeutsch und wird sogar an Fachhochschulen als Ausbildungslehrgang angeboten. Wie wäre es, wenn man das Kind beim Namen nennen würden und den Lehrgang «Geld sammeln» oder «Bettelbriefe schreiben» taufen würde. Das würde auch im Lebenslauf lustig aussehen: Diplom «Bettelbriefe schreiben». Wer immer sich gerade mit dem Gedanken trägt, ein teures Fundraising Diplom zu erwerben: Tu es nicht. Such Dir etwas Besseres. Ich helfe gerne!
Nein, bei mir ist nichts zu holen auf diese Art. Im Gegenteil: Ich führe eine schwarze Liste der Organisationen, die mich am meisten ärgern. Die Liste bleibt geheim und die Gegenmassnahmen sind noch in Arbeit. Eine davon ist diese Kolumne.
Geld sammeln geht auch anders als mit nutzlosen Bettelbriefen. Die Heilsarmee macht es vor, gerade jetzt in der Weihnachtszeit. Die Soldaten Gottes stehen in Fussgängerzonen und singen und musizieren. Ich bleibe jedes Mal stehen und gebe etwas. Weil mich diese Haltung total überzeugt. Die Angehörigen der Heilsarmee haben eine Mission und sie sind bereit alles dafür zu geben. Das hinterlässt auch im Internet eindrückliche Spuren, wie eine Youtube-Suche mit dem Begriff Heilsarmee und vor allem dem englischen Pendant Salvation Army zeigt.
Das muss honoriert werden. Die Methode hat noch Potential und ich freu mich dass alle Tierschützer, Naturfreunde, Lichthäuser und sonstige sinnvolle Institutionen ihre eigenen Chöre gründen und auf die Piste schicken. Wie das dann mit den spanischen Strassenhunden funktioniert, weiss ich noch nicht. Aber vielleicht helfen mir die Hundefreundinnen und – freunde weiter!
Dieser Text erschien in der Rubrik «Standpunkt» der Regionalzeitung «Der Tössthaler» vom 6.Dezember 2014