Ziegen-Nachwuchs

Die Aufgabe war klar: Der Tössthaler wollte von seinen Autoren einen garantiert coronafreien Standpunkt. Mission completed. Here we go.

Es war keine Überraschung: Bei Gabi häuften sich in den letzten Wochen die Anzeichen, dass sie bald Junge haben würde. Ihr Bauch war deutlich grösser und ihr Euter füllte sich sichtbar mit Milch. Gabi ist eine von zwei Capra Grigia Ziegen, die im letzten Herbst zur Menagerie im Pferdehof Garten stiessen. Sie kam zusammen mit ihrer Tochter Maya.

Am Donnerstagabend letzter Woche war es dann soweit: Trotz eisiger Kälte schenkte Gabi zwei winzigen Zicklein das Leben. Beim ersten musste man etwas nachhelfen, denn ein Bein war hinter dem Kopf. Danach ging alles ganz schnell. Es gab zwei Böcklein, ein helles und ein dunkles – Gion und Flurin und schon am Tag darauf versuchten die zwei auf ihren wackligen Beinen die Umgebung zu erkunden. Die Mutter ist genau so sanft wie vor der Geburt ihrer beiden Geissen und lässt Besucher in den Stall wo sie ihren Nachwuchs von nah bewundern und streicheln können.

Nicht dass es im Hof an Tieren mangeln würde: Pferde, grunzende Wollschweine, eine kleine Schafherde, eine stattliche Ziegenherde und ein paar Bienenschwärme. Nun also noch zwei Capra Grigia Ziegen. Sie gehören zu einer seltenen alten Rasse – und sind gar nicht einfach zu finden. Wie der Name sagt sind sie grau und für meine Begriffe unverhältnismässig gross und stark. Es hat dann auch keinen verwundert, dass die beiden Damen kurz nach ihrer Ankunft in der bestehenden Ziegenherde sofort den Ton angaben.

Ein bisschen stolz darf jeder Besitzer einer Capra Grigia Ziege sein. Auf der Website von Pro Specia Rara lesen wir nämlich: «1997 startete ProSpecieRara mit den letzten grauen Ziegen aus dem Tessin und den Bündner Südtälern das Projekt «Capra Grigia», das die Rettung der grauen Bergziege zum Ziel hat.» Die Operation ist gelungen wobei aber verschiedene Unterarten der grauen Ziege zu einer einzigen Art zusammengefasst wurden. Die Capra Grigias stammen aus den verschiedenen Tälern des Tessins, namentlich aus der Leventina, dem Maggia und dem Calancata und wohl auch aus den Bündner Südtälern. Ursprünglich haben sie sich durch die Fartönungen voneinander unterschieden. .

Der Schreibende spielte beim Kauf der beiden Ziegeln den Patenonkel. Ein neues Gefühl: Geissengötti zu sein. Das ist keine Hexerei – in der Schweiz gibt es für alles Vereine und so sind wir als erstes im Capra Grigia Verein Mitglied geworden. Der Verein dient der Geselligkeit – aber nicht der Menschen, sondern der Ziegen und zwar vor allem wenn es ums Dating geht. Ganz richtig: der Verein hilft bei der Auswahl des passenden Partners. Wobei zu sagen ist, dass die derart gestifteteten Beziehungen von kurzer Dauer sind. Bei der Auswahl hilft ein Modell, das ich nicht genau verstehe. Es geht aber darum einen Bock zu finden, der möglichst nicht verwandt ist mit den weiblichen Ziegen – das ist die Aufgabe des Zuchtwarts respektive der Zuchwartin. Mussten früher die Ziegen vorgeführt werden, so stattet die Zuchtwartin heute den Jungtieren einen Besuch ab und trägt das Zuchtregister nach. Damit erspart man den Tieren die Herumreiserei.

In unserem Fall hiess der Bock Adam. Er sei äusserst lieb und überhaupt nicht agressiv, versicherte uns der Besitzer. Der Bock wurde mit einem Pferdetransporter in der Nähe von Rafz abgeholt und durfte seinen Sonderurlaub im Tösstal antreten. Tatsächlich, Adam war ganz pfleglich und lebte sich gut ein. Dass er sagen wir mal etwas einen starken Geruch hatte, wussten wir bereits im Voraus. So ist das mit den Ziegenböcken. Sie stinken und zwar erheblich. Das wäre noch gegangen zumal der Aufenthalt ja von begrenzter Zeit war. Als Problem erwies sich aber nach einiger Zeit, dass der Appetit auf Ziegendamen bei Adam grösser wurde. Und weil weitere Aktivitäten nicht vorgesehen waren, begann er sich lauthals zu beklagen. Und zwar Tag und Nacht. Irgend einmal war dann genug und Adam wurde in einen Pferdetransporter verfrachtet und wieder heimgeschickt. Danach kehrte Ruhe ein auf dem Hof. Offen blieb die Frage, ob es geklappt hatte. Nun, es hat offenbar geklappt. Und vielleicht ist ja die zweite Capra Grigia Ziege auch trächtig. Wir werden es bald erfahren.

Wie geht es nun weiter? – Es wäre schön, wenn die Ziegenherde weiter wachsen könnte. Das geht allerdings mit zwei Böcklein schlecht. Aber vielleicht ergibt sich ja bald Gelegenheit zu einem Tausch: Adam ist nämlich mittlerweile verstorben und vielleicht möchte sein Besitzer ein Tausch machen. In der Ferne gibt’s aber noch ein anderes Projekt: Ziegen können zu Packziegen trainiert werden. Man gewöhnt sie schon als Jungtiere daran Lasten zu tragen. Dazu kriegen sie einen Art Sattel an dem man links und rechts eine Last anhängen kann. Danach geht’s auf Wanderschaft. Am besten eignen sich dafür männliche Ziegen, die früh kastriert werden. Sind sie einmal ans Tragen gewöhnt, so marschieren sie mit Freude mit den Menschen mit. Wer Ziegen in ihrem natürlichen lebensraum im Gebirge beobachtet darf sich sicher sein, dass die Tiere mehr Ausdauer haben als die Menschen, auch wenn diese dann weniger Gepäck tragen müssen. Ausschau halten diesen Sommer: Wenn Sie eine Ziege mit Packsattel sehen, dann wissen Sie Bescheid!