Monsterkonferenz re:publica: Beispielhafte Mediennutzung

Was 2007 als Treffen von Bloggern und Nerds angefangen hat, ist heute die grösste Konferenz zum Thema Internet, Gesellschaft und Politik: Die re:publica,die vom 5.-7.Mai 2015 in Berlin stattfand. Die Konferenz verzeichnet 6000 Eintritte. Die Konferenz von Medien- und Internetspezialisten zeigt selber beispielhaft, wie man moderne Medien für einen solchen Anlass nutzen kann.
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6000 Teilnehmer, über 300 Stunden Programm auf bis zu 15 Bühnen, mit 450 Redner aus 45 Ländern. Da kommt einiges zusammen und allein schon die Kommunikation des Programms ist eine beachtliche Leistung. Dass das nur online zu schaffen ist, versteht sich von selber. Tausende von Teilnehmer aber mit einem leistungsfähigen Internetzugang zu versorgen ist nicht ganz banal, es glückte dieses Jahr. Technisch machbar, wenn auch nicht ganz trivial. Aber für knapp 200 Euro Eintritt darf das der Gast erwarten.
Die Konferenz druckte jeden Tag ein aktuelles Programm, die Änderungen werden online nachgeführt. Als besonders nützlich erwies sich dieses Jahr die App. Sie erlaubte es, die eigenen Favoriten zu markieren und so etwas Übersicht in den Dschungel zu bringen. Zudem war klar: Alle Talks wurden als Audiosignal aufzeichnet, die grösseren Bühnen zudem auch als Video. Mit der App konnte man direkt auf diese Videos zugreifen. Deshalb lohnt es sich auch noch im Nachhinein, diese App herunterzuladen. Der Aufwand für die Videos scheint von Jahr zu Jahr zu wachsen: Vor allem die Hauptbühne wird mittlerweile von verschiedenen Kameras gefilmt und die resultierenden Videos sehen entsprechend professionell aus…
Ein weiteres Kunststück schafft die re:publica: Wie schon in den Vorjahren stand jeden Tag ein Buch mit gut geschriebenen Zusammenfassungen der Konferenzen des Vortages zur Verfügung. Realisiert wurde das Kunststück auch dieses Jahr zusammen mit der Berliner Zeitung und der Deutschen Journalistenschule. Der Titel «Das schnellste Buch der Welt» mag etwas übertrieben sein, aber nützlich ist dieses Dokument alleweil. So gesehen schafft diese Konferenz Masstäbe.
Ein Wort zum Inhalt: Gesellschaft und Politik stehen heute im Mittelpunkt. Die kritischen und nachdenklichen Töne überwiegen. Zwei Anlässe haben mich besonders beeindruckt: Erstens der amerikanische Publizist Cory Doctorow. Er erklärte was die NSA vom Stasi unterscheidet: Die Stasi überwachte mit 264 000 Informanten die DDR mit ihren rund 16 Millionen Bürgern. Die NSA schafft es dank grösstmöglichem Technikeinsatz die ganze Welt mit einigen hunderttausend Agenten zu überwachen…
Und zweitens der 1925 geborene deutsch-polinische Philosoph Zygmunt Baumann, der sich als Philosoph mit dem Begriff der Privacy beschäftigt und in der digitalen Revolution einen Umbruch sieht, der weit grössere Folgen hat als die Erfindung des Buchdrucks. Der Schutz der Privatsphäre gehört für ihn zu den Grundbausteinen der modernen Gesellschaft und darf nicht preisgegeben werden.
Ein weiterer Höhepunkt war die Präsentation eines Filmes von Laura Poitras, die zuvor mit ihrer Dokumentation über Edgar Snowden einen Oscar gewonnen hatte: Der Film zeigt eine gemeinsame Performance des Internet-Aktivisten Jacob Appelbaum mit dem chinesischen Konzeptkünstler Ai Weiwei, darin füllen die beiden Plüsch-Pandas mit Schnitzeln aus den Snowden-Akten. Panda, das muss man wissen, ist in China das Codewort für Spitzel.
Der Widerstand gegen die Überwachungsgesellschaft ist gewissermassen Teil der DNA der re:publica. Dass die Community die Warnrufe zwar hört aber dennoch nichts tut beschäftigt den Publizisten Sascha Lobo seit Jahren. Dass er der Konferenz dieses Jahr fernblieb wurde als Zeichen seines stillen Protests dagegen gewertet.
Website der re:publica mit Videos, Podcasts, und Downloads
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