Schon zum zweiten Mal seit 2017 habe ich mich in meinem Standpunkt für den Tössthaler im Juli 2017 mit dem Thema Mohrenköpfe befasst. Diesmal gehts aber auch um Kolonialismus und um Denkmäler, wie jenes von Alfred Escher vor dem Zürcher HB.
Und wieder einmal peitschen Empörungswellen durch die Schweiz: Es geht wieder einmal um Mohrenköpfe und neuerdings um Kolonialismus.
Beginnen wir mit den Mohrenköpfen. Eigentlich ist ja alles gesagt, auch ich hab schon mal darüber geschrieben. Deshalb mache ich es kurz. Im Volksmund heisst die Süssigkeit weiterhin so. Die Versuche, das Wort mit dem Moralfinger auszumerzen fruchten nichts und ich muss dabei an die Pädagogen denken, die den Kindern das Fluchen verbieten wollen. Geht nicht. Und warum verursacht das Ganze so viel Aufregung? – Vielleicht einfach darum, weil hier jede und jeder eine Meinung hat und mitreden kann. Beim Spazieren in der Zürcher Altstadt habe ich diese Tage eine interessante Feststellung gemacht: Das Café Mohrenkopf an der Niederdorfstrasse gibt’s nicht mehr. Es heisst jetzt Frisk Fisk und verkauft allerlei Fischspezialiäten. Das Haus selber heisst «Zum Mohrentanz», das Schild dürfte einiges älter sein als das mittlerweile verschwundene Kaffee und wurde offenbar gerade eben renoviert.
Nur einige hundert Meter von diesem Ort entfernt am Zürcher Bahnhofplatz steht ein Denkmal für den Zürcher Bahnpionier Alfred Escher (1819 – 1888). Das ist offenbar auch nicht gut – Eschers Familie, so weiss man seit einigen Jahren, besass eine Zuckerplantage in Kuba auf der nicht weniger als 80 Sklaven zur Arbeit gezwungen wurden. Das ist nun wirklich nicht schön. Aber muss Vater Escher deswegen vom Zücher HB verschwinden? Dann müssten wir auch den Guyer-Zeller Weg im Tösstal umtaufen. Alfred Guyer Zeller (1839 – 1899) verteidigte nämlich zunächst die Sklaverei im Süden der USA. Das schreibt er unmissverständlich in seinen Reisenotizen, die der Tösstaler Historiker Wolfgang Wahl herausgegeben hat. Allerdings hat Guyer-Zeller seine Haltung später korrigiert.
Die Schweiz hat ihren Anteil am Kolonialismus, auch wenn sie selber keine Kolonien besass. Viele reiche Familien profitierten vom Sklavenhandel. Die Namensliste ist eindrücklich: Das finden sich die angesehenen Balser Familien Burckhardt und Merian, De Pury und Pourtalès in Neuenburg, Picot-Fazy in Genf oder Hottinger und die Bank Leu in Zürich. Das alles konnte man in diesen Tagen lesen und hören. Auch das ist selbstverständlich nicht schön. Nur ist es nicht ganz so neu: Die koloniale Vergangenheit ist seit längerem Thema in der Geschichtsschreibung. In Neuenburg kann man seit einigen Jahren sogar einen Stadtrundgang auf den Spuren des Sklavenhandels machen. Es denkt aber keiner daran, die Villen aus dem 18.Jahrhundert abzureissen und ich denke auch Alfred Escher kann bleiben, wo er ist und genau das gleiche gilt auch für unseren Guyer-Zeller. Aber kritisches Bewusstsein schadet nie. Übrigens war Alfred Escher schon zu Lebzeiten eine sehr umstrittene Persönlichkeit.
Diese Diskussion hat ihre guten Seiten: Sie fördert die Auseinandersetzung mit der Geschichte. Und dass dabei auch die Schattenseiten zum Vorschein kommen, ist gut. Wie war das mit dem Reformator Zwingli? Er war auch ein Bilderstürmer und unter seiner Führung wurden Kunstwerke von unschätzbarem Wert zerstört. Das tut auch heute noch weh. Auch der Umgang mit den Abweichlern jener Zeit wie etwa den Täufern, war nicht schön. Sie wurden verfolgt und mit dem Tod bedroht und fanden unter anderem in einer Höhle bei Bäretswil Unterschlupf. Solche Dinge soll man wissen. Geschichte lebt und wir müssen uns immer wieder mit ihr auseinandersetzen.
Ein gutes Beispiel dafür ist in Berlin zu finden – die Stadt war ja bis 1989 zweigeteilt und entsprechend finden sich im Ostteil der Stadt auch viele Denkmäler aus DDR-Zeiten. Zwar hat man Lenin und Marx von ihren Sockeln geholt und auch Strassen umbenannt. Viele Denkmäler aus DDR-Zeiten sind aber immer noch dort. So findet sich im Stadzentrum ein Denkmal für die Opfer des Faschismus. Darüber auf einer Glasplatte liest man etwas über die Geschicht dieses Denkmals und nennt auch die Opfer des DDR-Regimes. Das Denkmal hat also eine neue, zusätzliche Bedeutung erhalten.
Ein Denkmal ist immer auch ein Ausdruck der Geschichte. Es gäbe übrigens im öffentlichen Raum noch ganz andere problematische Kunstdenkmäler. In Zürich etwa hat der Bildhauer Karl Geiser (1898 – 1957) reiche Spuren hinterlasser. Geiser war ein bekennender und praktizierendere Pädophiler, die die «Knabenliebe» öffentlich gelobt hat.
Rassismus gehört in der Schweiz leider immer noch zum Alltag: Neustes Beispiel – vor wenigen Tagen wurde der nigerianischde Spieler wurde der nigerianische FCZ-Stürmer Aiyegun Tosin aus dem Publikum mit beleidigenden Rufen eingedeckt. Rassismus muss in allen seinen Formen bekämpft werden – genau so wie alle anderen Formen der Diskriminierung – sei es gegenüber Frauen, Homosexuellen, Menschen anderer Religionen.
Seitdem diese Diskussion tobt ist mir etwas aufgefallen: Die Schweiz wird bunter. Wenn ich S-Bahn fahre, fällt mir das immer mehr auf. In der Apotheke werde ich von einer dunklen jungen Frau bedient, die einen indischen Namen trägt. Im Zug kontrollieren ein Farbiger mein Billet. Bald soll es auch Polizisten mit dunkler Hautfarbe geben. Das ist es besonders nötig, denn bei Kontrollen kommt immer wieder die Frage auf: werden Menschen mit dunkler Hautfarbe häufiger kontrolliert?
Ich bin fest überzeugt, dass sich die Dinge ändern, dass hier eine neue Generation heranwächst, dazu gehören auch Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen, die hier zuhause sind. Heimat erhält dann eine ganz neue Bedeutung.
Die Dinge ändern sich. Die Italiener waren einst die Unterdogs. Heute gibt’s eine Restaurantkette mit dem Namen «Tschingg» und wir begreifen die Ironie hinter diesem Begriff….
Foto: Wikimedia Commons
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