Kein Winter ohne Metzgete. Heuer im Restaurant Linde in Langenhard. Viel Werbung braucht es dafür nicht: Einmal ein kleines Flugblatt, das andere Mal einfach eine Postkarte mit dem Datum. Wunderbar. Und natürlich haben wir uns den Festschmaus nicht entgehen lassen. Zur Metzgete gehören Blut- und Leberwürste. Und die hausgemachten Apfelstückli haben auch geschmeckt.
Schon während dem Znacht dann die Frage: Warum schmeckt uns das so gut? – Die Antwort fällt uns nicht schwer: Weil alles so frisch ist, weil das Fleisch aus dem Ort selber kommt und weil auch die Würste bei diesem winterlichen Festessen eine so grosse Rolle spielen.
Und damit ist eigentlich ziemlich alles anders als beim Fleischkonsum weltweit. Der macht uns etwas Bauchweh. Denn der Fleischkonsum hat etwas mit Oekologie und Politik zu tun. Die deutsche Heinrich Böll Stiftung – das ist eine staatlich finanzierte Organisation, die der Grünen Partei nahe steht – hat vor kurzem eine Publikation herausgebracht, welche die wichtigsten Probleme rund ums Fleisch auf den Tisch bringen. Fleischatlas heisst das Werk und man kann es im Internet gratis herunterladen.
Schon die Kapitelüberschriften zeigen deutlich, worum es in diesem Buch geht: Stille Subventionen, verdeckte Kosten, offene Rechnungen; der Speiseplan der Mittelschicht;Artenvielfalt in Gefahr; Industrielle Zuchtlinien statt traditioneller Tierrassen; Mit Vieh, Futter und Dünger in den Klimawandel; Tiermedikamente machen krank; Westafrikanische Krisen durch Europas Hühnerfleisch-Reste; Ernten, die im Viehtrog landen.
Zum Glück gelten in der Schweiz strengere Vorschriften bei der Tierhaltung als in der EU. Und industrielle Geflügelhaltung und Eierproduktion gehört schon seit Jahrzehnten der Geschichte an. Das hat seinen Preis. Nicht alle Konsumenten schätzen das und kaufen jedes Jahr für mehr Geld billiges Fleisch jenseits der Grenze. Die Landwirtschaftspolitik der EU hat auch für die Schweiz gravierende Folgen. So ist es seit Juli 2011 auch bei uns verboten, die Schweine mit Speiseresten und Abfällen aus der Küche zu füttern. Grund dafür ist die Angst vor der Übertragung der Maul- und Klauenseuche. Statt der so genannten Schweinesuppe muss nun importiertes Soja aus Brasilien verfüttert werden. Ein gigantischer Irrsinn! So spielt europäische Landwirtschaftspolitik auch auf Schweizer Mastbetrieben eine wichtige Rolle und die globalen Warenströme enden auch in der Schweiz im Futtertrog unserer Schweine.
Was tun? – Zuerst denken, dann essen. Noch bin ich nicht zum Vegetarier geworden. Aber ein paar Ideen zum Fleischkonsum habe ich schon. Eine davon heisst: Metzgete. Nähe tut gut! Wurst essen ist ökologischer Fleischkonsum, weil in der Wurst wenig edlere Teile verwertet werden. Und die Schweiz hat in Sachen Würste neben Cervelat, Bratwurst und Landjäger einiges mehr zu bieten: Im Appenzell zum Beispiel isst man die Südworscht, im Waadtland einen Saucisson Vaudoise, im Seeland die Treberwurst und im Tessin die Luganighe.
Und wenn wir schon bei den weniger edlen Stücken sind. Vielleicht müsste man auch hier wieder etwas mehr Mumm zeigen und mal etwas Neues, das eigentlich etwas Altes ist, probieren: Statt der teuren Kalbsleber könnte man mal wieder Schweinsleber probieren. Bei uns zuhause gabs einmal die Woche Leberschnitten. Schlecht war das nicht. Nur hab ich das seit Jahrzehnten nicht mehr gegessen.
Mein Vater kriegte früher am Sonntag immer ein Wädli zum Znacht. Und hin und wieder landete – sehr zum Gaudi von uns Kindern – auch ein Schwänzli oder ein Schnörrli auf seinem Teller. Neid kam da bei uns Kindern nicht auf. Mein Grossmutter hat mir mal ein Herz gekocht, ich fand das eher merkwürdig. Kutteln sind aus unserem Speiseplan verschwunden. Dasselbe kann man vom Kuheuter sagen, das vor allem geräuchert ganz delikat schmecken soll.
Fleisch war früher ein Luxusprodukt. Die Fleischprobleme von heute kannten unsere Vorfahren nicht. Dafür haben sie die Metzgete erfunden. Gerne hätte ich in der Linde noch mit einer Schweinsbratwurst und einem grossen Kotelett weitergemacht, wäre nicht ein Veto von höherer Stelle gekommen. Aber die nächste Metzgete kommt bestimmt!
PS: Pferdefleisch ist übrigens nicht giftig. Damit niemand auf die Idee kam, Pferdefleisch als Rindfleisch zu deklarieren, musste das Pferdefleisch früher in eigenen Läden, den Pferdemetzgereien verkauft werden. Wenn das keiner probiert hätte, wäre diese Massnahme wohl nicht nötig gewesen. Ganz alles war wohl auch nicht anders, früher!
Hier gehts zum Fleischatlas
Der Text erschien am Samstag 23.Februar 2013 in der Rubrik „Standpunkt“ im Tösstaler