Kryptografie als Leidenschaft – zum Tod von Friedrich L.Bauer

Am 26.März ist in München der deutsche Informatiker und Mathematiker Friedrich L. Bauer im Alter von 91 Jahren gestorben. Er hat sich ganz besonders für die mathematischen Grundlagen der Kryptografie engagiert. Ich habe ihn 2005 im Rahmen meiner Recherchen für meine Dissertation in München kennengelernt.


Friedrich L.Bauer wurde am 10.Juni 1924 in Regensburg geboren. Die Liebe zur Mathematik entdeckte er im Deutschen Museum in München: Sein Mathematiklehrer hatte ihm eine Freikarte geschenkt und bald las sich der junge Student durch die mathematische Fachliteratur der Museumsbibliothek. Im Gespräch, das der Schreibende 2005 am Wohnort des emeritierten Professors in Kottgeisering bei München führen konnte, berichtete Bauer nicht ohne Schmunzeln über eine Beobachtung aus der unmittelbaren Nachkriegszeit: Nicht wenige Mathematiker wurden damals vom Nachrichtendienst angeworben, einige davon waren auch im Krieg als Mathematiker tätig, sei es im Oberkommando der Wehrmacht oder in Görings Forschungsamt. Der Grund war klar: Mathematik ist die Grundlage der Verschlüsselung.
Schon damals muss sein Interesse an der Kryptografie erwacht sein. Sie hatte in jener Zeit fast den Nimbus einer Geheimwissenschaft. «Über Kryptografie redete man genau so wenig wie über Kondome», erinnerte sich der 2011 verstorbene Oskar Stürzinger, der erste Mitarbeiter von Boris Hagelin, dem Gründer der in Zug domizilierten Firma Crypto AG. Friedrich Bauer betonte im Gespräch nicht ohne Stolz, dass er nie für diese «Dienste» gearbeitet hatte und deshalb auch keinerlei Geheimhaltungspflichten unterworfen war.
Nach dem Studium der Mathematik und Logik, das Bauer 1952 mit der Promotion beschloss, wandte er sich der jungen Computerwissenschaft zu und arbeitete bei der Entwicklung des deutschen Computerprojekts Perm mit. Perm steht für ‹Programmierbare Elektronische Rechenanlage München›. Bauer ist damals auch dem genialen britischen Mathematiker Alan Turing begegnet, der sich 1954 das Leben nahm. Selbstverständlich wusste auch Bauer nichts über dessen Verdienste im Bereich der Kryptografie. Ab Anfang der 60er Jahre verschrieb sich der junge Mathematiker Bauer ganz der Informatik und beteiligte sich an der Entwicklung der Programmiersprache Algol. Daneben bewahrte er sich immer ein historisches Interesse und pflegte eine enge Beziehung zur mathematischen Sammlung des Deutschen Museums München, ganz besonders natürlich zur Kryptografie und den kryptografische Maschinen wie etwa der legendären Enigma. Im Gespräch hat er sein Engagement für die Kryptologie immer als eine Art Hobby bezeichnet. Aber es war ohne Zweifel mehr: Bauer wurde von einer tiefen inneren Überzeugung angetrieben, die wissenschaftlichen Grundlagen der Kryptologie bekannt zu machen. Er hat wesentlich dazu beigetragen, die Kryptologie von ihrem Nimbus als Geheimwissenschaft des Staates zu befreien.
Als Friedrich Bauer an der Technischen Universität München 1978/79 begann, unter dem harmlosen Titel «Spezielle Probleme der Informationstheorie» eine Vorlesung zu halten, war dies ein Novum. Bauer wusste das ganz genau und informierte seine Studenten, dass die Vorlesung wohl auch vom Nachrichtendienst registriert würde. Später habe er die prominenten Hörer auch direkt angesprochen. Die Herren aus Pullach hätten aber kein Haar in der Suppe gefunden und ihn fortan in Ruhe gelassen.
Bauer zögerte erst aus der Vorlesungsreihe eine eigene Publikation zu machen. Er habe Bedenken gehabt, dass ihm seine Interessen die wissenschaftlichen Kontakte zur damaligen Sowjetunion erschweren würde. Sein Buch ‹Entzifferte Geheimnisse› erschien deshalb erst 1993 also nach dem Ende des Kalten Krieges. Bauer hat es regelmässig überarbeitet und der Titel entwickelte sich zu einem heimlichen Beststeller, auch wenn für den Laien vieles nicht verständlich ist.
Der Schreibende hat bei seinem Besuch 2005 den Mathematiker darauf angesprochen, ob es ihm nicht Freude bereiten würde, selber eine kryptografische Maschine wie die Enigma zu besitzen. Keineswegs, entgegnete Bauer darauf: «Ich verstehe wie sie funktioniert und das reicht mir». Beim Besuch kam die Rede auch auf den kryptografischen Dienst der Schweizer Armee, die im Zweiten Weltkrieg eine Variante der deutschen Enigma Chiffriermaschine benutzt hatte: «Fragen sie doch dort mal nach, welches in den Augen der Schweizer Armee die sicherste Methode zum Verschlüsseln sei.» Friedrich Bauers Frage war selbstverständlich eher als Scherz gedacht. Wir beide wussten, dass es nur eine wirklich sichere Verschlüsselungsmethode gibt: Es ist der so genannte One Time Pad oder die Einmalverschlüsselung. Nur ist diese Methode nicht sehr praktikabel und deshalb wird sich das Studium der Kryptologie auch weiterhin lohnen.
Dieser Text erschien am 2.April 2015 in leicht gekürzter Form in der Neuen Zürcher Zeitung. (S.58)
Zum NZZ Archiv

Kommentar hinterlassen