Ein unnötiger Impfstreit

Vor wenigen Tagen habe ich einen kurzen Text zum Thema Impfen auf meiner Facebook-Seite publiziert. Das hat innert kurzer Zeit zu gegen 200 Kommentaren geführt. Grund genug, den Text hier noch einmal festzuhalten.

Ich werde mich sicher impfen lassen – es betrübt mich, dass daraus eine Glaubensfrage wurde. Ich habe in meiner Familie Angehörige, die hatten TB und Kinderlähmung. Keiner, der das hatte, würde die heutige Diskussion verstehen. Und beim Fernreisen finden wir Impfungen seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit. In was für einer Welt leben die so genannten Impfgegner. Ich kann sie nicht ernst nehmen. Und noch etwas: Eine Impfung ist ein Schutz für den Einzelnen aber auch ein Schutz für dessen Angehörige. Viele von uns haben betagte und hochbetagte Eltern. Wer auf eine Impfung verzichtet, nimmt deren Tod willentlich und wissentlich in Kauf.

Allerdings muss man die Dinge auch in den Relationen sind. Die Impfgegner sind, ähnlich wie die Corona-Skeptiker, vor allem eines: Sie sind sehr sehr laut und sie glauben überall kompetent genug zu sein, um mitreden zu können. Schon mal das ist für mich eine Überraschung, und es erstaunt mich, wie viele auf diese Anmassungen reinfallen. Wenn die Impfung da ist, wird sich ein Grossteil der Leute impfen lassen. Keiner muss. Aber auf der anderen Seite dürfen Reise- und Eventveranstalter dann jene, die es nicht für nötig halten, ausschliessen. Da habe ich keinerlei Skrupel. Und wer hier noch für Datenschutz plädiert, der verkennt die Lage dramatisch.

Ein weiterer Gedanke: Wer sich impft, schützt nicht nur sich, sondern auch die anderen. Viele sagen mir, dass sie sich aus Rücksicht für ihre betagten Eltern impfen lassen werden. Das macht Sinn. Wenn ein Grossteil der Bevölkerung geimpft ist, profitieren auch diejenigen, die nicht geimpft sind. Man könnte sie deshalb auch Impf-Schmarotzer oder Impf-Parasiten nennen. Dass genau diese Leute nun Zeter und Mordio schreien, wenn für gewisse Aktivitäten eine Impfung verlang wird, ist komplett absurd.

Für mich ist die Diskussion ums Impfen alarmierend: Sie zeigt auch eine zunehmende Wissenschafts-Feindlichkeit. Sie ist in der amerikanischen Gesellschaft noch ausgeprägter als bei uns. Viele, wenn auch nicht alle Argumente gegen das Impfen, wurden mehrfach entkräftet. Impfstoffe, die bei uns zugelassen sind, sind sicher. Dafür gibt es das Bundesamst für Gesundheit und die Zulassungsstelle Swiss Medic. Medikamentensicherheit ist eine der Grundpfeiler der Public Health und hier dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Leider findet sich für jeden Unsinn ein Experte, der diesen Unsinn bestätigt.

Diese Diskussion ist ja eng verwandt mit der Diskussion um die Ernsthaftigkeit von Covid19 und um die Maskenpflicht. Ich rauf mir die Haare, wenn ich sehe, was auch gute Bekannte von mir dazu schreiben. Und ich habe mich gefragt, woher diese merkwürdigen Ideen kommen. Nun ich denke es gibt eine Entwicklungslinie, die bei der New Age Bewegung der 70er Jahre angefangen hat. Kritik, teilweise sehr berechtigt, an der Medizin und auch an der Pharmabranche hat eine lange Tradition und wurde auch in der Alternativbewegung gepflegt. Sie führte zu verschiedenen Disziplinen der Alternativmedizin und ist wohl auch dafür verantwortlich, dass wirkungslose Therapien wie Akupunktur und Homöopathie heute von den Kassen bezahlt werden. Besonders eifrig engagieren sich hier die Anhänger der Ideologie von Rudolf Steiner – in der Schweiz gehören die Steiner-Schulen dazu, in Deutschland sind es die Walldorf-Schulen.

Das Foto stammt übrigens aus einer Impfkampagne in Wien aus dem Jahr 1915 und ist public domain, das heisst frei. Quelle

Neue Termine für die Schutzumpfungen in den magistratischen Bezirksämtern, damit sich alle impfen lassen können – Auflistung der Bezirksämter – Vom Wiener Magistrate, Abteilung X, im übertragenen Wirkungskreis. – Jänner 1915 – M.-Abt.X-228/15.