Womit haben sich die Fürsten der frühen Neuzeit amüsiert? – Mit Wein Weib und Gesang, ist man versucht zu antworten. Gewiss, aber nicht nur: Sie haben sich auch ihre Sammlungen angesehen und damit gespielt. Ihre Kunstkammern waren oft richtige Wunderkammern und was dort alles zu finden war, zeigt die neue Dauerausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien auf exemplarische Weise.
Allein schon die Fachbegriffe zeigen, dass man es hier mit einer für merkwürdigen Welt zu tun hat. Wer weiss denn schon was ein Bezoar, eine Betnuss, ein Olifant oder eine Greifenklaue ist. Und was haben die Adligen mit Automaten und Kugeluhren angestellt? – Zur Klärung gibt’s nur eines: Nach Wien fahren und sich diese neue Ausstellung ansehen. Man wird da nicht ganz allein sein, deshalb empfiehlt es sich, vorher ein sogenanntes Zeitticket zu kaufen.
Zur Vorbereitung nun doch ein paar Erklärungen:
Ein Bezoar ist ein Stein aus dem Magen von Wiederkäufern. Er besteht aus organischem Material und hat an der Oberfläche mineralische Ablagerungen. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit schrieb man den Bezoaren magische Kräfte zu, sie wurden für viel Geld gehandelt und finden sich oft reich verziert in den Wunderkammern der Fürsten.
Eine Betnuss ist eine kleine Holzkapsel, die sich aufklappen lässt. Im Innern finden sich feine ziselierte Holzreliefs mit biblischen Szenen. Sie wurden im 15. und 16.Jahrhundert als Anhänger am Rosenkranz oder an einer Schmuckkette getragen.
Ein Olifant ist ein Signalhorn aus Elfenbein. Olifanten wurden reich verziert und vielfach nur noch deswegen hergestellt. Das gleiche gilt übrigens auch für viele weitere Objekte aus den Kunstkammern, etwa den oben gezeigten Salzstreuer.
Eine Greifenklaue ist eigentlich ein Trinkhorn, das in der Regel aus dem Horn einer Kuh hergestellt wurde. In der zeitgenössischen Mythologie wurde aber daraus die Klaue eines mystischen Greifvogels.
Automaten aller Art wurden zur Unterhaltung gebaut. In Wien ist zum Beispiel das goldene Modell eines Schiffes zu sehen, das auf dem Tisch herumfahren konnte, dazu ertönten Trompetenklänge aus dem Innern. Ein anderer Automat zeigt Diana mit einem Kentauren. Das skurrile Konstruktion konnte sich über den Tisch bewegen, wobei der größere Hund den Kopf drehte, der kleinere auf- und niedersprang, während Diana sowie der Kentaur die Augen hin- und herwandern ließen. Sobald der Automat stillstand, schoss der Kentaur einen Pfeil ab.
Eine Kugeluhr schliesslich ist eine Uhr, die von einer Kugel aus Elfenbein angetrieben wird, die langsam auf einer Murmelbahn herunterrollt und am Schluss von einem Hebemechanismus wieder auf die Anfangsposition befördert wird. Der Zuschauer sieht die Kugel im Innern der Uhr über einen Spiegel in verkehrter Richtung und erhält so den magischen Eindruck, die Kugel würde schwebend emporsteigen. Kugeluhren waren nicht sehr genau, hatten aber einen hohen Unterhaltungswert.
Kunstkammern waren eigentlich frühe Formen der Museen. Deshalb heisst die neue Ausstellung auch „Die Wiege des Museums“. Der klassisch gewordene Text zur Geschichte des Museums von Krzysztof Pomian aus dem Jahre 1998 zeichnet diese Entwicklung nach.
Unser Bild zeigt die Wiener Hofbibliothek und Raritätenkammer im 17. Jahrhundert und stammt aus folgendem Buch: Edward Brown: Durch Niederland / Teutschland / Hungarn … gethane gantz sonderbare Reisen.- Nürnberg, 1685.
Die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums von Wien