Fotografie und Mönchtum

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Was haben Fotografie und Mönchstum miteinander zu tun? – Eine scheinbar entlegene Frage. Wäre da nicht das neulich erschienene Buch „Suchende im Bild“, das die Fotografie im Kloster Engelberg zum Thema hat. Nicht genug damit – das Buch hat mich an meine eigenen fotografischen Versuche erinnert, die in einem ganz ähnlichen Rahmen in der Klosterschule von Einsiedeln anfangs der 70er Jahre passierten. Dass sich in diesem Buch dann auch noch ein origineller Aufsatz des Mediävisten Alois Haas findet ist eine wunderbare und wundersame Fügung!


Dass mich genau dieses Thema – Fotografie und Mönchstum – sofort anspricht hat biografische Gründe: Als Klosterschüler an der Stiftsschule Einsiedeln bin ich in den Jahren 1970 – 1974 à fonds mit der Fotografie vertraut geworden. Schuld daran war unsere Zeichungslehrer, Pater Damian, der ein professionelles Fotostudio unterhielt und dort nicht etwa Mönche und Nonnen ablichtete, sondern vor allem die reichen Kunstschätze des Klosters dokumentiert und natürlich auch als Schulfotograf amtete. Wir Buben beteiligten uns bei seinen teilweise äusserst aufwendigen fotografischen Arbeiten als Kabel- und Kofferträger und wurden so en passant mit der Kunst des Ausleuchtens eines Bildes oder eine Statue vertraut gemacht. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein „Ausflug“ in ein benachbartes Kloster wo Pater Damian für den damaligen Verleger des Benziger Verlages Aufnahmen machen musste – wir krochen stundenlang auf einem wackeligen Gerüst herum und richteten Lampen und Blitze, bis Fotograf und Verleger zufrieden waren. Letzterer bedankte sich nach getaner Arbeit mit einem erstklassigen Essen im Pfauen-Restaurant, damals dem ersten Haus am Platz. Er ermunterte uns Buben dabei ausdrücklich, das teure Fleisch zu wählen…
Zurück zum Buch. Die Bilder haben mich beeindruckt und auch der Text. Dort bin ich unter anderem auf einen Text des Mediävisten Alois Haas gestossen. Alois Haas war offenbar selber Schüler in der Klosterschule Engelberg. Er gehört zu meinen Universitätslehrern, ich habe 1984 bei ihm in mittelalterlicher Literatur abgeschlossen.
Einige Textproben:
Die Rolle nun, welche die Fotografie seit ihrem Aufkommen im monastischen Raum spielen konnte, war die einer eminenten Verdeutlichkung und Bewahrung der Lichtgestalt, die Leben und Geist einer mönchischen Existenz prägt oder prägen sollte. Fotografie gehört in die Memoria -Kultur der Mönchsexistenz. Sie zeigt immer wieder auf ergreifnde und anschaulichste, das heisst realistische Weise die Lichtgestalt des von Gott erwählten Menschen und seiner Umgebung.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Grundvision des
heiligen Benedikt eine Lichtvision war, deren fotogrammatischer Charakter sofort in die Augen springt. Mitten während einer Nachtwache schaut der heilige Benedikt betend aus dem Fenster seines Schlafgemachs. «Während die Brüder noch schliefen, stand der Mann Gottes Benedikt schon vor der Zeit des nächtlichen Gebetes auf und hielt Nachtwache. Er stand am Fenster und flehte zum allmächtigen Gott.. Während er mitten In dunkler Nacht hinausschaute, sah er plötzlich ein Licht, das sich von oben her ergoss und alle Finsternis der Nacht vertrieb. Es wurde so hell, dass dieses Licht, das in der Finsternis aufstrahlte, die Helligkeit des Tages übertraf. Etwas ganz Wunderbares ereignete sich in dieser Schau, wie er später selbst erzählte. Die ganze Welt wurde ihm vor Augen geführt, wie in einem einzigen Sonnenstrahl gesammelt. Während der ehrwürdige Vater den Blick unverwandt auf den strahlenden Glanz dieses Lichtes gerichtet hielt, sah er, wie Engel die Seele des Bischofs Germanus von Capua in einer feurigen Kugel zum Himmel trugen.?

Roland Barthes hat die Fotografie ausgezeichnet sein lassen durch ihre Tendenz zum Vergänglichen, Sterblichen und Kontingenten. Genau das Umgekehrte geschieht in der benediktinischen Fotografie. Sie ist getragen von einem Zeit und Schöpfungsoptimismus, welcher ausschliesslich der monastischen Memoria-Kultur zugute kommen sollte.
Zwar ist und bleibt das Foto ein Monument der menschlichen Vergangenheit, aber gerade als solches wird es zum Träger dessen, was Eugen Biser als das ?bildhafte Transzendieren von Bildern und Bildelementen bezeichnet hat?. …. Hilfreich war natürlich als lebensspendender Hintergrund das Theologumenenon von Gen I, 26ff, wonach der Mensch ?nach Bild und Gleichnis Gottes? erschaffen wurde.
Alois Haas in: Emil Mahnig, Marianne Noser: Suchende im Bild. Fotografische Dokumente aus dem Kloster Engelberg. Zürich 2004. Verlag NZZ.

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