200 000 Soldaten haben im Ersten Weltkrieg Dienst an der Schweizer Grenze geleistet. Die lange Zeit des Wartens haben sie sich mit dem Schreiben von Fotopostkarten vertrieben. Die Fotostiftung Schweiz hat in den letzten Jahren eine einmalige Sammlung von solchen Fotopostkarten zusammengetragen und zeigt sie bis zum 12.Oktober im Fotomuseum Winterthur.
(Bildlegende: Unbekannter Fotograf. Maschschaftsbeobachtungsbaum an der französischen Grenze bei Réchésy. Mai 1916. Fotostiftung/Keystone)
Das Warten an der Grenze muss ganz schön langweilig gewesen sein. Und allerhand Allotria und Schabernack war deshalb ein willkommener Zeitvertreib. Erstaunlicherweise ist die Grundstimmung auf vielen Fotopostkarten ausgelassen. Da werden Turnerpyramiden gezeigt, supponierte Schlachten inszeniert, Kartonkanonen vorgeführt oder Soldaten beim Biertrinken gezeigt. Die Karten haben auch eine Rückseite mit kurzen Grüssen, die nicht selten einen Blick in die Seelenlandschaft unserer Grossväter erahnen lassen. Daneben gibt es auch ernstere Sujets, die Einblicke in den Alltag beim Marschieren, in der Küche oder im Lazarett geben.
Die Fotopostkarten zeigen, wie wichtig und populär die Fotografie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war. Die Fotografie war auch für den kleinen Mann erschwinglich geworden. Fotoateliers gab es überall und die Industrie sorgte dafür, dass auch Kameras günstig zu haben waren: «Es wurden sogar Leasingmodelle angeboten,» sagt Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz.
Neben den Amateuren waren auch die Profis aktiv in dieser Zeit. Das zeigt sich etwa bei den Bildern aus der Gebirge. Hier stimmt nicht nur Komposition, auch die Belichtung ist perfekt und das Foto könnte auch zu Propagandazwecken benutzt werden.
Über 70 Millionen Postkarten wurden in den Jahren 1914 – 1918 pro Jahr befördert. Das ergibt die unglaubliche Zahl von 180 000 beförderten Karten pro Tag. Tatsächlich hatte jeder Schweizer Soldat das Recht auf sechs Feldpostbriefe pro Tag und von diesem Recht wurde offenbar auch Gebrauch gemacht. Der Vergleich mit modernen elektronischen Kommunikationsmitteln wie SMS und MMS liegt deshalb nahe. SMS und Fotopostkarten haben dasselbe Bedürfnis abgedeckt und ermöglichen gestern und heute Verbindung mit seinen Liebsten zu haben.
Die Fotostiftung Schweiz hat über Jahre Fotopostkarten gesammelt. Und sie ist weiterhin an solchen Karten interessiert. Das sagt Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz im Gespräch mit Dominik Landwehr. Pfrunder weist im Gespräch auch auf die grosse kulturhistorische Bedeutung dieser Karten hin.
Die Fotopostkarten sind als Originale zu sehen. Genaues Hinschauen ist also gefragt. Der Katalog erleichtert diese Arbeit ein Stück weit durch Reproduktionen und durch Detailansichten.
Zum Gespräch von Dominik Landwehr mit dem Direktor der Fotostiftung Schweiz Peter Pfrunder
Katalog
Peter Pfrunder (Fotostiftung Schweiz): Schöner wär’s daheim. Zürich: Limmat Verlag 2013.
Einzelheiten auf den Seiten des Limmatverlags Zürich.
DVD
Unter dem Titel «Schöner wär’s daheim» ist auch ein Dokumentarfilm realisiert worden:
Der Film wird als Teil der Ausstellung präsentiert und ist Bestandteil der DVD «Bilderwelten
vom Grossen Krieg. 1914—1918» von Heinz Bütler und Alexander Kluge. Erhältlich via NZZ
www.fotostiftung.ch
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Winterthur 2014
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