Feldpost 1914/18 (4): Post aus der Heimat

Kanonier Joseph Landwehr hat nicht nur fleissig fotografieren lassen und Karten geschrieben, er hat auch selber Post gekriegt. Einige Karten sind erhalten, so auch ein besonders schönes Gruppenbild vom 25.Juli 1915.


Endlich ein Bild, das nicht im Fotostudio aufgenommen wurde. Endlich ein Bild auf dem nicht nur Soldaten zu sehen sind! Das Gruppenbild aus dem Sommer 1915 ist auf einer Sitzbank vor einem Haus und einem üppig blühenden Garten aufgenommen. Im Zentrum drei Frauen mit einem Kleinkind. Emma Landwehr ist links im Bild. Neben ihr sitzt ihre Grossmutter, Euphrosina Oberholzer. Die übrigen Personen sind mir nicht bekannt. Der Mann links im Bild könnte der Bruder von Emma sein. Dessen Frau ist rechts zu sehen. Die drei Kinder dürften ihr gehören.

Emma Landwehr-Oberholzer hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Kinder. Ihr erstes Kind ist unterwegs, auch wenn man das nicht sieht und wird in einigen Monaten zur Welt kommen. In Erinnerung an den Vater werden Emma und Joseph es auf den Namen Joseph taufen. Josephli, wie ihn die Mutter später einmal zärtlich nennt. Noch weiss niemand, ob Vater Joseph aus dem Krieg zurückkehren wird. Und keiner weiss, wielange der Krieg dauern wird.

Das Foto ist gestellt, Schnappschüsse waren in jener Zeit nicht möglich, man hat wohl den Fotografen vors Haus bestellt. Ein schönes Foto, drei Generationen im Bild. Emma blickt konzentriert auf die Kamera, ihr Bruder, der Mann links im Bild selbstbewusst sportlich, locker, eine Zigarette in seiner rechten Hand. Der Blick von Grossmutter Euphrosina zielt ins Leere. Sie wirkt seltsam entrückt. Die andere Frau zur rechten der Grossmutter blickt entschlossen zum Bild hinaus. Der Bub – er geht barfuss – scheint gerade den Kopf bewegt zu haben. Die Kleider verleihen dem Bild eine zusätzliche Würde. Emma und ihr Bruder haben sich herausgeputzt.

Wie lange war Joseph Landwehr schon weg von zuhause und im Krieg, der gleich vor der Türe tobte? – Ein Jahr! Ein Jahr kann lange sein. Seine Frau hat er mindestens einmal besuchen dürfen. Ihr Kind wird bald da sein.
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Wir drehen die Postkarte um. Sie ist mit einer leuchtend roten Marke à zehn Rappen frankiert. Wilhelm Tell ist darauf zu sehen, darunter der Schriftzug HELVETIA. Dann folgt die Adresse:
FELDPOST DEUTSCHLAND
Kanonier Joseph Landwehr
Landwehr – Batterie 66
Armeeabteilung Garde
8.Landwehr-Division
Für den Text bleibt nicht mehr viel Platz. Immerhin reicht es für ein paar Worte:
Tann, d.25.Juli 1915
Mein lieber Joseph!
Wir alle senden Dir die besten Glück u Segenswünsche zu Deinem Geburtstag. Ich hoffe zuversichtlich die Gratulationen Dir mündlich überbringen zu können. Von Tag zu Tag erwarte ich mit Schmerzen die Depesche. Wird nun bald die freudige Stunde des Wiedersehens klappen.Empfange nun die besten Grüsse und Küsste von Deiner Emma und Deinem Bruder.
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Copyright Text und Bild: Dominik Landwehr
Winterthur 2014
dlandwehr at bluewin.ch

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