Feldpost 1914/18 (3): Kanonier Landwehr im Fotostudio

Unsere zweite Postkarte von Kanonier Joseph Landwehr ist vom 22.Januar 1915 datiert. Sie wurde in Wittersdorf geschrieben. Kanonier Landwehr ist seit einem halben Jahr im Krieg.
Wittersdorf ist eine kleine Ortschaft und liegt gleich vor Altkirch im Elsass. Wir wissen nicht, warum es Joseph Landwehr gerade dorthin verschlagen hatte. Wir dürfen davon ausgehen, dass der Kanonier an der Westfront diente. Noch war das Elsass in deutscher Hand. Irgendwo in diesem Stellungskrieg an der Westfront also Joseph Landwehr, mein Grossvater.


Zwischendurch findet er Zeit zum Fotografen zu gehen. Mit seinem Kumpel, dessen Namen wir nicht kennen. War es ein Freund? Oder hat man sich nur zusammengetan um sich die Kosten des Fotografen zu teilen? Wir wissen es nicht. Jedenfalls haben sich die beiden in voller Montur ins Fotostudio begeben. Mir scheint die Stiefel sehen nicht frisch geputzt aus, die Uniform ist etwas zu gross, eine Hand am Karabiner, die andere am Gürtel. Eine erstarrte Pose. Nichts an diesem Bild wirkt locker oder lieblich. Der Studiohintergrund ist merkwürdig zweigeteilt.

Die Rückseite der Karte bringt eine Überraschung: Ein einigermassen ausführlicher Text, der mindestens ein wenig von der Gefühlslage des Kanoniers, der 1915 schon kein junger Mann mehr war und in seinen besten Jahren stand, berichtet. Interpunktion und Orthografie des Originaltextes wurden beibeihalten.

«Meine liebe gute Emma. Um Dir eine Freude zu machen habe ich es doch noch möglich zu machen gesucht Dir mal ein Bild von mir als Soldat anfertigen zu können. Ich hoffe, dass Dir dieses gefällt und Dich ein wenig freut. Gelt Schatz, Du schreibst mir auch bald, wenn Du es erhalten hast. Wir haben vorläufig probeweise mal 1 Dz machen lassen miteinander. Was meinst Du, sollen wir ein weiteres Dz machen lassen? Dass wir unseren guten Freunden auch eins schicken können? Danke auch für Deinen so lieben Brief, den ich gestern Abend erhalten hatte. Die Jahr-Karte (?) von Frau Schär, die Du an August geschickt, habe ich letzten Samstag Abend erhalten. Die Päckli die Du an das rote Kreuz geschickt noch nicht. Vielleicht kommen sie doch noch. Werde es Dir sofort schreiben. Empfange für heute mit unserem liebsten Dank die innigsten Grüsse und Küsse von Deinem Joseph.»

Auch wenn der Kanonier Landwehr in diesem Text nur wenig preis gibt, es berührt doch, was er hier schreibt. Er wartet auf nichts sehnsüchtiger als auf Nachrichten, auf Post von seiner Liebsten, die zuhause im Zürcher Oberland sitzt und auf ihn wartet.

Besonders interessant ist aber der Hinweis auf die Postkarten: Bereits ein Dutzend haben die zwei Kameraden machen lassen. Die Fotografie erlebte im Ersten Weltkrieg einen ungeahnten Aufschwung. Eine Reihe von Erfindungen und Entwicklungen an der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert hatten das Verfahren massentauglich gemacht und dabei wohl auch Tausenden von Fotostudios Brot und Arbeit verschafft. Damit war die Voraussetzung geschaffen echte Bilder verschicken zu können. Die Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg ist deshalb auch ein gut untersuchtes Thema der Geschichtsschreibung geworden.

Der Historiker Bernd Ulrich hat sich eingehend mit dem Thema Feldpost im Ersten Weltkrieg befasst. Er schreibt 1997: «Feldpostbriefe sind mehr als private und persönliche Dokumente des Krieges allein. In Zeitungen und rasch aufgelegten Editionen publiziert, geraten sie zum Bestandteil der öffentlichen Darstellung des Krieges und wenig später zu allerdings schon minder wichtigen Versatzstücken in der propagierten Erinnerung an ihn. » (Ulrich 1997, S. 11)

Die Zahlen, die Bernd Ulrich präsentiert sind überwältigend: 29 Milliarden Sendungen wurden im Ersten Weltkrieg in Deutschland von der Feldpost verarbeitet. Sie beschäftigte 8000 Mitarbeiter. Pro Tag wurden 6.8 Millionen Sendungen von der Front Richtung Heimat geschickt. (Ulrich, S.40) Auch aus der Schweiz gibt es Zahlen: Hier ist von total 70 Millionen Sendungen die Rede, die wahrend des Krieges befördert wurden. (Kreis, 2013)

Literatur
Georg Kreis:
Schweizer Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg.
Bernd Ulrich: Die Augenzeugen. Deutsche Feldpostbriefe in Kriegs- und Nachkriegszeit 1914-1933, (= Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte; N.F. 8), Essen: Klartext Verlag 1997.
Online unter:
http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de/site/lang__de-DE/40208182/default.aspx
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Copyright Text und Bild: Dominik Landwehr
Winterthur 2014
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