Echo der Zeit

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Zum 60jährigen Bestehen der Radiosendung „Echo der Zeit“ ist im NZZ Verlag eine Jubiläumsschrift mit CD erschienen. Sie weckt auch persönliche Erinnerungen an Erlebnisse aus den 70er und 80er Jahren. Und nicht nur das: Das „Echo“ spielt auch heute in meinem (Medien) Leben eine wichtige Rolle.


Das Radio war in meinere Kindheit (geboren 1958) in den 60er und 70er Jahren das absolute Leitmedium. Das Fernsehen spielte noch kaum eine Rolle. Dafür kam die Neue Zürcher Zeitung dreimal täglich ins Haus und beschäftigte meinen Vater während Stunden. Wenn um halb eins die Nachrichten der Schweizerischen Depeschenagentur im Radio gesendet wurden, hatten wir Kinder zu schweigen. Meine erste Erinnerung ans Echo der Zeit datiert allerdings aus einer späteren Zeit: Ich mag ungefähr 14 Jahre alt gewesen sein und als Schüler der Stiftsschule Einsiedeln einem klar geregelten Tagesablauf unterworfen. Radiohören hatte darin keinen Platz und Fernsehen gabs nur am Sonntagnachmittag. Dabei wechselte Pater Fridolin, der gebieterisch vor einem merkwürdigen Projektoren-Kasten sass dass Programm, sobald ein Werbespot kam, der ihm missfiel. Triumph Werbung gehörte zum Beispiel dazu.
Eines Tages kam mein Klassenkamerad Peter Gehler – er neigte ungefähr ebenso stark dem rechten Spektrum zu wie ich dem linken – prahlend aus den Ferien zurück und berichtete, er hätte jeden Tag das Echo der Zeit gehört und sei infolgedessen nun politisch auf der Höhe. Er hatte mir mindestens diesbezüglich einiges voraus. Nicht nur hatte ich keinen Durchblick, sondern eigentlich überhaupt keine Ahnung. Wenn ich mich mit Politischem beschäftigte, dann mit Theorie, vorwiegend der marxistisch-leninistischen. Ich verstand zwar nicht viel, immerhin genug um zu merken, dass es wenig gab was meine Eltern und Lehrern mehr ärgerte als das – und diese insgeheime Feststellung war Motivation genug, darin fortzufahren. Das mag aus heutiger Sicht extrem witzig und überspitzt klingen – die ideolgische Polarisierung in der Zeit des Kalten Krieges war aber enorm hart und nicht wenige unserer Pädagogen verstanden sich als Speerspitze im Kampf gegen den Kommunismus.
Meine nächste Begegnung mit dem Echo datiert aus den frühen 8oer Jahren: Ich hatte eben meine ersten Gehversuche im Journalismus absolviert und war glücklich, im Studio Zürich gelegentlich Aufträge fürs Regionaljournal zu erhalten. Wenn ein Thema mal wirklich wichtig war, dann durfte man einen Beitrag fürs Echo der Zeit daraus gestalten. das erfüllte uns damals mit Stolz. In dieser prestigereichen Sendung vorzukommen, zumal noch mit einem selbst vorgetragenen Beitrag, das war fast das höchste der journalistischen Gefühle. Und wenn tags darauf sich eine Zeitung darauf berief, dann wars noch besser. Dem konnte man natürlich auch etwas nachhelfen, etwa indem man einen Kollegen (Frauen gab es damals recht wenige im politischen Journalismus) im voraus anrief. Besonders gut funktionnierte das wenn das Zitat über eine Nachrichtenagentur kam. Nicht die langweilige Schweizerische Depeschenagentur, sondern die kleine und freche ddp, die später von der Associated Press AP übernommen wurde…auch dort hatten wir Freunde. Zürich war damals wie heute keine richtige Stadt, schon eher ein Dorf mit höchst überschaubaren Verhältnissen. Vor Bern hatte man einen gewissen Respekt aber irgendwie lächelten wir auch über die Büromenschen im Studio Bern mit ihren Sitzungen und ihren ernsten Mienen…
Und heute: Das „Echo“ gehört zu meinem Tagesablauf. Wenn immer möglich versuche ich es so einzurichten, dass ich zu Sendebeginn um 18.00 oder um 19.00 zuhause bin. Das Kochen dauert bei mir genau 45 Minuten – ungefähr so lange wie die Sendung. Und dass es die Sendung auf dem Internet gibt ist natürlich hervorragend – nur nutze ich das selten. Vielleicht ändert sich das bald, weil man die Beiträge neuerdings auch als Podcast herunterladen kann…
Zum Buch gehört eine CD deren Originaltöne auch im Internet greifbar sind.
Nun also das Buch. Viele alte Bekannte. Ein wichtiger Beitrag zur Schweizer Mediengeschichte, die leider noch sehr wenig verschriftlicht ist. Die Ideen von damals haben gehalten, was sie versprochen haben. Journalismus statt Infotainment. Die Vorbilder kamen und kommen aus England und den USA – BBC und National Public Radio sind einige Stichworte. Das Buch ist von einem Journalisten (Hanspeter Gschwend) geschrieben und auch wenns in eigener Sache ist, gut und profund recherchiert. Dass manchmal die Distanz etwas fehlt, lässt sich wohl nicht vermeiden, wenn man sozusagen aus dem Innern des Mediums schreibt.
Zwei Bemerkungen zum Schluss: Die Sendung „Echo der Zeit“ ist ein Begriff. Das liegt nicht nur an der Qualität – das liegt auch an der Tatsache, dass die Sendung während Jahrzehnten von einem Medium kam, das ein Monopol hatte. Gab es in all den 60 Jahren nur die NZZ und das „Echo der Zeit“ – oder hat möglicherweise auch die eine oder andere Regionalzeitung hervorragendes geleistet?
Ach ja – nochwas: Das „Echo“ ist alles andere als Mainstream-Journalismus und von daher natürlich auch gefährdet. Norbert Bolz bringt diesen Mainstream-Journalismus sehr schön auf den Punkt indem er schreibt:
„Journalisten müssen Abschied nehmen von ihrem alten Aufklärungsideal. Ein Medienunternehmen ist in erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen. Das größte Problem liegt in den Köpfen der Journalisten selbst: Sie sollten weniger an sich und mehr an ihre Kunden denken. Die entscheidende Frage ist heute: Wie fasziniere ich meine Leser, Zuhörer oder Zuschauer in Zeiten, in denen es unzählige Medienangebote gibt?
Wer mehr darüber nachdenken möchte, der möge sich den Text von Bolz selber zur Brust nehmen. Er findet sich als Interview online in der Telepolis vom 14.12.2004 . Man kann ihn lesen und sich fragen: Hat er Recht? – Man kann ihn aber auch lesen unter der Prämisse: Was muss ich als Medientheoretiker sagen, damit ich wirklich auffalle…

Hanspeter Gschwend: „Echo der Zeit“. Weltgeschichte am Radio. NZZ Buchverlag. 48 CHF.
Weitere Einzelheiten.
Radio DRS hat eine eigene Jubiläumsseite eingerichtet.
Und: Zur Internetseite der Sendung

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