E-Books sind besser (Unser digitale Alltag 2)

Seit der Erfindung des digitalen Buchs sagt man dem Buch aus Papier sein baldiges Ende voraus. Dass es immer noch am Leben ist, mag an der Unentschlossenheit der Nutzer liegen. Oder besser: an deren Flexibilität.
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Der Eiffelturm ist nicht nur das Wahrzeichen von Paris. Mit seinen 324 Metern Höhe ist er auch ein Zeichen des Triumphs der Industrialisierung, gebaut 1887 und 1888, in der gleichen Zeit, als Europa zum ersten Mal von Eisenbahnlinien durchmessen wurde. Eisen und Kohle – das sind die Stoffe, aus denen das industrielle Jahrhundert gemacht ist. Züge, Schiffe, Dampfmaschinen, Fabriken seine Symbole.
Auch in Kunst und Kultur war das 19. Jahrhundert eine bewegte Zeit: Die Massenproduktion ermöglichte billige Konsumartikel. Das Warenhaus begeisterte das Publikum, zuerst in Paris, dann in allen Grossstädten der westlichen Welt. Lebensmittel aus fernen Ländern eroberten dank billiger Transporte als «Kolonialwaren» den Massenmarkt. In den Grossstädten entstanden die ersten Restaurants, die mehr waren als Imbiss-Stätten für Reisende. Den Lesehunger stillten Zeitungen und günstige Bücher. Die Oper erlebte eine Blütezeit. Und die Fotografie erlaubte es erstmals, Bilder auf einfachste Weise festzuhalten.
Gedrucktes Buch oder E-Book?

Warum erzähle ich das alles? Weil mir gerade eine umfassende Geschichte des 19. Jahrhunderts in die Hände gefallen ist: «Die Verwandlung der Welt» des Konstanzer Historikers Jürgen Osterhammel. Ich habe es auf Anraten meines Online-Buchladens gekauft. Als mir der Postbote das Paket übergab, staunte ich nicht schlecht: Der Wälzer ist 1568 Seiten dick und 1,5 Kilo schwer. Auf diese Daten hatte ich nicht geachtet. Das Riesenwerk kostet nur 30 Franken, zähneknirschend kaufte ich es ein zweites Mal, als E-Book für 25 Franken.
E-Books gehören seit einigen Jahren zu meinem Alltag. Seitdem ich auf einer endlosen Busfahrt in Laos zwei amerikanische Studentinnen mit ihrem Lesegerät beobachtete und mich über meine Bücher, die wie Ziegelsteine im Rucksack lagen, geärgert habe, ist mir klar: E-Books sind die Lösung für mein Transportproblem. Besonders konsequent bin ich aber nicht, denn es fällt mir schwer, an einer Buchhandlung vorbeizugehen. Und auch das Internet ist eine ständige Versuchung für meinen Bücherhunger.
Gedrucktes Buch oder E-Book? Das ist für mich wie die Frage «Fleisch oder vegetarisch?» – Ich mag beides. Auch andere Leser haben offenbar keine eindeutige Präferenz: Wer in den USA bei Amazon ein gedrucktes Buch kauft, kriegt neuerdings die elektronische Version gratis dazu. Das funktioniert bei Büchern hierzulande noch nicht, dafür bei CDs. Wer etwa das aktuelle Album von Leonard Cohen bestellt, bekommt kurz darauf gleich den Link zu den MP3 Files.
Werden E-Books die gedruckten Bücher ablösen? So wie es aussieht, wird das nicht einfach so passieren. Laut einer neueren Studie des Bertelsmann-Konzerns sind die Nutzer von E-Books keine Technologie-Enthusiasten, sondern einfach Menschen, die gerne lesen. Der grösste Teil von ihnen ist zwischen 40 und 49 Jahren alt, 60 Prozent davon sind Frauen. E-Book-Nutzerinnen lesen im Allgemeinen mehr als Leser, die nur gedruckte Bücher kaufen. Viele lesen auch nur ein Kapitel eines Buches – das mag an den verbreiteten «Leseproben» liegen, dabei bekommt man die ersten 20 Seiten in der Regel umsonst. Manchmal erübrigt sich dann die Lektüre des Rests.
Etwa 70 Prozent der E-Book-Leserinnen benutzen gleich mehrere Geräte. Also zum Beispiel ein Tablet wie das iPad und ein Lesegerät von Kindle oder Sony. Hierbei verdrängt das Tablet zunehmend die E-Book-Reader als wichtigstes Lesegerät. Das leuchtet ein, denn ein Tablet kann nebenbei noch ein paar andere Dinge. Nur am Strand in der direkten Sonne, da klappt es nicht mit der unbeschwerten Lektüre, da Tablets spiegelnde Bildschirme haben. Da ist ein Lesegerät wie das Kindle unschlagbar: Je mehr Licht auf den Bildschirm fällt, desto besser die Lesbarkeit.

Neue versus alte Medien

Die Studienergebnisse bestätigt eine alte Beobachtung: Die älteren Medien überleben oft und bekommen eine neue Bedeutung. Radio ist auch in Zeiten von Fernsehen und Internet gefragt, das Kino ist trotz TV populär geblieben. Überleben allein genügt allerdings nicht immer, das zeigen die Nischenmedien. Wer braucht heute noch einen Fax? Wer kauft noch Schallplatten oder CDs? Wer fotografiert noch analog?
Amazon verkauft in den USA mehr E-Books als gedruckte Bücher; ihr Anteil am gesamten Buchmarkt beträgt dort 22 Prozent gegenüber 2 Prozent in Deutschland und der Schweiz. Gute Nachrichten also für Buchhändler? Nein. Immer mehr schliessen ihre Türen. Denn was ihnen zu schaffen macht, das sind nicht die E-Books, sondern das Internet. Sie werden wohl nicht ganz verschwinden wie Platten- und CD-Läden oder Videotheken, aber ihre Zahl wird zurückgehen.
Das Verschwinden der Buchhandlungen bereitet auch mir Kummer. Aber es ist so wie oft, wenn Dinge sich ändern. Man begrüsst das Neue und vermisst doch das Alte. Der Wandel hat meistens zwei Seiten, es gibt Gewinner und Verlierer; und gerecht ist Wandel selten. Paradoxerweise gehöre ich zu den Leuten, die daran mitschuldig sind, denn ich kaufe gerne und viel via Internet ein.
Dieser Text erschien am 9.Oktober 2013 unter dem Titel „Elektronische Bücher sind bessere Bücher“ im Online-Magazin des Migros-Kulturprozent unter www.migros-kulturprozent.ch

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