Es ist schon einige Jahre her, dass ich die Sternwarte auf dem Winterthurer Eschenberg besucht habe. Kalt war es an jenem Winterabend im Januar ? gut verpackt standen wir auf der Beobachtungsplattform dieses Gebäude, das viel mehr an ein Einfamilienhaus als an eine Sternwarte erinnert. Zwei Instrumente standen uns zur Verfügung ? ein traditionelles Fernrohr mit Okular ? hier konnte ich die Ringe des Saturn mit eigenen Augen sehen ? und daneben ein modernes Gerät, dessen Bilder auf dem Bildschirm eines Laptops zu sehen waren. Mit diesem Gerät macht sich Markus Griesser, Leiter der Sternwarte nächtens auf die Jagd ? seine Spezialität sind Kleinplaneten, Asteroiden. Der Besuch hat mich nachhaltig beeindruckt und seither gehöre ich zu den Gönnern der Sternwarte Eschenberg. Und jedes Mal, wenn Markus Griesser und seine nächtliche Arbeit wieder in der Presse erwähnt werden ? und das ist gar nicht so selten der Fall ? bin ich auch ein klein bisschen stolz; nur meine weiteren Besuche auf dem Eschenberg lassen noch auf sich warten.
Die Suche nach Kleinplaneten und weiteren Himmelserscheinungen beeindruckt mich, aber ist nicht der wichtigste Grund für meine Sympathie für diese Winterthurer Institution. Sie wurzelt vielmehr in der Bewunderung für die Sternengucker, die Astronomen. Mit ihnen teile ich das Staunen über Himmel, Mond und Sterne. Und vielleicht bedauern auch sie, dass sich dieses Staunen heute nur noch selten einstellt. Am ehesten noch bei einem winterlichen Spaziergang in den Bergen, wo man dann ganz ohne Instrumente nicht nur Mond und Sterne, sondern vielleicht auch noch die Milchstrasse sehen kann.
Eine ganz ähnliches glückliches Staunen erlebte ich kürzlich beim Besuch der Ausstellung „Der geschmiedete Himmel ? Religion und Astronomie vor 3600 Jahren“, im Historischen Museum von Basel. Nicht nur die gezeigten Funde sind spektakulär, auch die Präsentation im Keller des Museums: Hier herrscht natürliches Dunkel ? nur die Objekte in ihren Vitrinen werden beleuchtet. Und der Besucher wird nicht durch eine Überfülle von Exponaten erschlagen, stattdessen zeigt man ihm ausgewählte Stücke, versehen mit den notwendigen Erklärungen. Im Zentrum der Ausstellung steht der bedeutendste archäologische Fund der letzten Zeit, die so genannte Himmelsscheibe von Nebra: Ein Bronzescheibe von 32 Zentimeter Durchmesser und zwei Kilo Gewicht, darauf sind Sonne, Mond und eine Hand voll Sterne zu sehen, ganz unten zudem zwei Bögen. Die Sterne, so erfahren wir, sind wohl die Plejaden, das Siebengestirn. Astronomen und Archäologen haben Gründe zur Annahme, dass das bronzezeitliche Fundstück den Bauern geholfen hat, den richtigen Zeitpunkt für Aussaat und Ernte zu bestimmen. Die goldenen Bögen symbolisierten vielleicht Barken. Diese Schiffe, so spekuliert man heute, hätten nach der bronzezeitlichen Auffassung die Sonne in der Nacht über den Ozean zurück zu ihrem Ausgangspunkt transportiert.
Zur Himmelsscheibe von Nebra gehört eine Entdeckungsgeschichte, die sich liest wie ein Krimi: Die Bronzescheibe wurde nämlich 1999 von Amateuren auf dem Mittelberg bei Nebra in der Nähe von Halle gefunden und auf dem Schwarzmarkt angeboten. In Hilton Hotel von Basel gelang es der Polizei die Verkäufer in eine Falle zu locken und das kulturhistorisch einmalige Fundstück zu beschlagnahmen. So kommt die Ausstellung heute an einen Ort zurück, der mit der Geschichte dieses Objekts eng verbunden ist!
Beim Besuch der Ausstellung gehen mir ähnliche Gedanken durch den Kopf wie bei der Sternwarte: Ich empfinde eine grosse Hochachtung für die kulturellen und vorwissenschaftlichen Leistungen der Menschen in der Bronzezeit, deren Schlüsse einzig auf Beobachtung basierten. Und eine merkwürdige Verbundenheit: Himmel und Erde, Sonne Mond und Sterne waren dieselben wie heute, 3600 Jahre später. Und wer sich Instrumente wie Dolche und Messer oder Schmuck- und Kultstücke ? zum Beispiel eine Bernsteinkette, die im bündnerischen Savognin gefunden wurde genauer anschaut kommt nicht umhin zu sagen: Formen und Farben sprechen uns auch heute an. Vielleicht waren die Menschen jener Zeit gar nicht so anders als wir. Vielleicht gibt es doch so etwas wie Ideen und Empfindungen, die allen Menschen zu allen Zeiten gemeinsam waren!
Die Ausstellung von Basel und die Sternwarte Eschenberg vermitteln neben Information auch Inspiration und geben vielleicht Motivation für eine kleine Exkursion in der nächsten Zeit. Die Sternwarte Eschenberg ist jeweils am Mittwochabend für das Publikum geöffnet (19.30 ? 21.30 Uhr). Mit etwas Glück lässt sich dort am 3./4. März eine totale Mondfinsternis beobachten. Spektakuläres gibt es gemäss Website der Sternwarte auch am 7.August: Da bedeckt der noch fast halbvolle, abnehmende Mond die Plejaden. Mehr dazu gibt?s im Internet unter www.eschenberg.ch
Die Ausstellung „Der geschmiedete Himmel“ im Historischen Museum Basel in der Barfüsserkirche ist noch bis zum 29.Januar zu sehen. Der grossformatige Katalog mit dem gleichen Namen? ein richtiger Prachtband mit grossen Bildern und leicht verständlichen Erläuterungen ? kann an der Ausstellung oder via Buchhandel bezogen werden. Preis 34.90 CHF. Nähere Infos zur Ausstellung gibt?s auch da im Internet unter www.hmb.ch. Eine umfangreiche Darstellung zum Thema der Sternenscheibe von Nebra findet sich übrigens auch in der deutschsprachigen Wikipedia.
Artikel als PDF
BILDLEGENDE
Hortfund von Nebra (D), Nachstellung der Fundsituation: Himmelsscheibe, Schwerter, Armringe, Beile um 1600 v. Chr. Foto: J. Lipták, Landesmuseum für Vorgeschichte Halle