Freude herrscht. Das Bonmot prägte der damalige SVP Bundesrat Adolf Ogi vor Jahren, als er den ersten Schweizer Astronauten im Space Shuttle per Funk begrüsste. Und es darf als Reverenz an den grossen und populären Politiker ? ein Mann aus dem Volk ? verstanden werden, wenn wir am heutigen Tag sagen: Freude herrscht. Freude und Erleichterung über die Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat.
Donnerstagmorgen, 13. Dezember kurz nach acht Uhr im Vorortszug zwischen Zürich und Winterthur: Die Leute scheinen noch mehr als sonst ?eingestöpselt? zu sein und nesteln nervös an ihren Handies herum, im Bestreben den Radiosender im Tunnel nicht zu verlieren. Es ist 08.10. Nein, es gibt noch nichts Neues weiss mein Gegenüber. ? Dann plötzlich ein helles weibliches Lachen irgendwo im Zug, gefolgt von einem für die schweizerischen Verhältnisse ungewöhnlich lauten Ausrufs: ?Sie hat angenommen?. Erleichterte Blicke überall im Zug. Doch, ein guter Tag nimmt seinen Anfang!
Die Sache ist für Aussenstehende vielleicht doch etwas erklärungsbedürftig: Eben war die Schweiz noch ?the dark heart of Europe?. Die letzten Wahl und die Zugewinne der rechten SVP sorgten für Aufmerksamkeit weit über die Schweizer Grenzen. Die kompromisslos harte, polarisierende und aus meiner Sicht auch demagogische Wahlkampagne mit den schwarzen (Ausländer) Schafen hatte offenbar verfangen.
Und nun das: Der rechte Christoph Blocher abgewählt. Selten wurde ein Politiker in der Schweiz derartig abgestraft.
Keine grosse politische Analyse. Vielleicht nur soviel: es geht weniger um politische Inhalte sondern um die Art und Weise, wie diese vertreten und durchgesetzt werden. Christoph Blocher hat nachweislich verschiedene Male gelogen, zum Beispiel als er wider besseres Wissen geheimdienstlich produzierte Vorwürfe gegen Kosovo-Albaner als erwiesen bezeichnetet oder als er ausgerechnet in der Türkei das Antirassismus Gesetz als fragwürdig einstufte und damit dem ultranationalistischen Leugnen des Armenier-Holocausts in die Hände spielte?
Nein, die Schweizer Probleme sind nicht gelöst. Natürlich haben wir ein Problem mit Ausländern und auch mit der europäischen Integration. Es gibt auch in der Schweiz ein zunehemndes Demokratie-Defizit. Immer mehr wichtige Dinge werden uns von der Wirtschaft diktiert.
So gesehen ist der heutige Tag in einer historischen Perspektive zu sehen. Die Frage lautet im Kerne: Wie bewältigen wir die Modernisierung. Mit Polarisierung, Zuspitzung, mit Angstmache ? oder mit nüchterner Analyse und auch mit Vertrauen in unsere Fähigkeiten, Traditionen als kleines Land im Herzen von Europa! – Dazu zählt auch unsere humanitäre Tradition mit dem Rotkreuz Gründer Henri Dunant, unsere Tradition in Industrie und Handel, unsere Bildungssystem und vieles mehr.
Yep. We can do it!