Burka oder Oben ohne

Gedanken zum Thema Burka – das grosse Thema in der Schweiz im Sommer 2016. Der Text erschien im Tössthaler vom 27.August 2016 in der Rubrik „Standpunkt“


Ich war diesen Sommer zum ersten Mal in meinem Leben auf dem Jungfrau. Top of Europe. Was gibts es da oben zu sehen? – Zum Beispiel ein Denkmal für den Erbauer der Jungfraubahn, Adolf Guyer-Zeller (1839-1899), der ja bekanntlich aus Bauma stammte; etwas weiter oben dann ein Selbstbedienungsrestaurant namens Bollywood; draussen lockt die Sonne bei frostigen 5 Grad, dazu ein Postkartenpanorama und der ewige Schnee und dort tummelten sich Touristen aus aller Herren Länder: Inder, Koreaner, Russen, Chinesen und Araber. Darunter auch solche in Burkas. Seit meiner Rotkreuz-Mission im afghanischen Grenzgebiet 1988/89 habe ich nie mehr so viele Burkas gesehen.

Ich mag das nicht, wenn Menschen sich einen Sack über den Kopf ziehen, genau so wenig, wie wenn sie sich ein Brett vor den Kopf schnallen. Das Thema bewegt die Schweiz diese Tage. Das überrascht irgendwie. Denn die allermeisten von uns sehen im Alltag keine Burkas. Und doch hast jeder dazu eine Meinung. Der Stammtisch ist sich einig. Burkas müssen verboten werden. Wirklich? Müssen wir jetzt Kleidervorschriften erlassen? – Mit Voltaire würde ich sagen: «Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äussern dürfen.» Anders gesagt: Wer sich einen Sack über den Kopf stülpen will, soll das tun können.
Rückblende: 1976 war der heisseste Sommer meiner Jugendzeit und wir hatten öfter mal hitzefrei. Dann gings an den See oder direkt in die Badi. Dort gabs einiges zu sehen, hatten doch die Frauen in jener Zeit gerade die Freuden des Oben ohne Badens entdeckt. Das war nicht ganz einfach für uns junge Männer, denn wir mussten so tun, als ob wir nicht speziell hinschauen würden, was wir aber natürlich taten. Die neue Mode gab zu reden und es gab auch vereinzelte Stimmen, die ein Verbot forderten. Hätte man uns damals gesagt, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft über ein Verbot der Kopfverschleierung diskutieren würden – wir hätten ungläubig den Kopf geschüttelt.
Nun will ich die Frage nicht kleinreden: Die Diskussion um ein Burkaverbot ist nur Symptom eines tiefliegenden Misstrauens gegenüber einer Religion, die einer wachsenden Zahl von Terroristen und Massenmördern als Rechtfertigung dient. Wäre es da nicht besser über die Angst und das Missbehagen gegenüber einer Religion zu reden, die wir nicht verstehen. Und über unsere Werte, wie sie in der Verfassung stehen. Dazu gehört zum Beispiele die Tatsache, dass Mann und Frau gleiche Rechte haben. Vielleicht müssen wir Migranten aus islamischen Ländern auf diese Werte verpflichten. Allerdings gilt das auch für fundamentalistische christliche Gruppierungen! SP und CVP fordern eine Anerkennung des Islams um unsere muslimischen Einwanderer besser zu integrieren.
Und wir brauchen einen Staatsapparat mit Menschen, welche die Sprachen des Orients beherrschen: Arabisch, Persisch, Syrisch, Kurdisch, Türkisch…. schon das ist nicht ganz einfach. Wie können wir sonst wissen, in welchen Moscheen gerade ein Hassprediger auftritt. Das wird uns Geld kosten. Und leider hat die Schweiz in der Vergangenheit gerade in diesem Gebiet nicht gut abgeschnitten. Was meinen Sie, wie viele Personen waren auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges beim Schweizer Nachrichtendienst für den so genannten Ostblock zuständig? – Nun, Sie werden nicht darauf kommen: Es waren gerade mal vier. Die Auskunft stammt aus erster Hand von einem der vier Personen selber. Das geht heute nicht mehr. Die Gefahr eines sowjetischen Überfalls auf die Schweiz war im Kalten Krieg klein. Die Gefahr eines terroristischen Angriffs auf unser Land heute ist ungleich grösser!

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Bild: Wikipedia

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