„Bitte mit dem Chip touchen

Sie kennen das – die Klage über die Verluderung unserer Sprache. Schuld daran seien die Jugendlichen, die der Sprache nicht mehr genug Sorge tragen. Aber sind wirklich die Jugendlichen die treibende Kraft bei der Veränderung unserer Sprache? – Dieser Text erschien am Samstag 18.April in der Rubrik „Standpunkte“ des Tössthalers.


Tatsächlich fallen auch mir immer wieder Veränderungen in unserer Sprache auf. Wenn unsere Tochter zum Beispiel findet, sie wisse nicht, wie „dieses Teil“ funktioniert und uns nicht klar ist, meint sie jetzt den Fotoapparat, das Ladegerät, die Fernbedienung und weiss der Kuckuck was… Die Sprache der Jugendlichen, so sagen uns die Soziologen, dient auch der Abgrenzung – sie soll also anders klingen als die Sprache der Erwachsenen und wenn die sich darüber ein bisschen ärgern – umso besser. Jüngstes Beispiel: Ein Interview mit einem Schweizer Popmusiker in der Zeitung 20Minuten: „Soeben habt ihr einen Track releast, den ihr ‚The Brownie Song’ nennt“. Oops, das tönt jetzt doch speziell und wenn ich bei Track an die drei Comic-Enten Tick, Trick und Track denke dann ist das wohl eine total falsche Fährte.
Die meisten Veränderungen in unserer Sprache kommen aber nicht von den Jugendlichen. Da gibt es ganz andere Kräfte. Die Werbung, werden jetzt viele sagen. Die ist sogar manchmal noch ganz originell – der Begriff „Figugegl“ ist heute noch bekannt und hat es sogar bis zu einem Wikpedia-Eintrag geschafft. Dort lesen wir nämlich: „Figugegl ist ein Akronym für den Werbeslogan „Fondue isch guet und git e gueti Luune“ (Schweizerdeutsch für „Fondue ist gut und gibt eine gute Laune“). Es wurde 1981 von der damaligen Schweizerischen Käseunion zur Steigerung des Käsekonsums lanciert. Die Kampagne wirkt bis heute nach und die Bedeutung des Akronyms ist in der Deutschschweiz entsprechend bekannt.“
Weniger originell finde ich die Bemühungen Dingen und Institutionen einen neuen Namen zu geben. Auch dahinter stecken oft Werbeagenturen. Wenn ich mit der S-12 in Seen ankomme dann bin ich nicht mehr an der Endstation sondern an der Endhaltestelle. Der Begriff „Endstation“ passt offenbar nicht zum Verkehrsverbund, wahrscheinlich hat jemand herausgefunden, dass dieser Begriff auch einen Beiklang hat und für vieles gebraucht wird, was nicht mit Schienen- und Busverkehr verwandt ist. Endstation. Das tönt tatsächlich endgültig… Das Abfuhrwesen der Stadt Zürich nennt sich heute nobel „Entsorgung und Recycling“ und als eine Kollege von mir in einer Sitzung mal von der „Grünstadt“ redete verstand ich nur noch Bahnhof bis er mir erklärte, damit sei das ehemalige Gartenbauamt gemeint. Aha. Natürlich darf jedes Amt sich so nennen, wie es mag, respektive wie irgendwelche teuer bezahlten Medienagenturen vorgeschlagen haben. Aber mir stinkt das trotzdem.
Wenig Verständnis hab ich auch für Erziehungsbemühungen im Zug der Politischen Korrektheit – „Political Correctness“. Ein ziemlich überflüssiger Import aus den USA. Das europäische Parlament hat nun dazu sogar einen Leitfaden verfasst, also ob es nicht genug andere Probleme gäbe: Demnach gibt es bald keine Fahrer mehr sondern nur noch „fahrendes Personal“. Der Polizist wird dann zur „Polizeikraft“ und der Lehrer zur „Lehrkaft“. Erinnert mich daran, dass in der Schweiz vor einigen Jahren der Begriff der Soldaten abgeschafft und durch das Wort „Armeedienstangehöriger“ ersetzt wurde. Bei Radio DRS, wo die Seuche der Politischen Korrektheit besonders garstig wütete, schaffte es eine Journalistin mal von „Krankenschwesterin“ zu reden. Gratulation, eine wirklich gelungene Wortschöpfung. Kreativ und hundert Prozent politisch korrekt!
Zurück nochmals zum Begriff der „Verluderung“. Verludern ist ein anderes Wort für Verwahrlosen, der Übergang von einem einst geordneten in einen ungeordneten, chaotischen Zustand. Eine romantische Vision, denn weder die Welt noch die Sprache waren jemals „in Ordnung“ oder in einem „geordneten Zustand“. Früher, so wissen die Realisten, war die Welt nicht besser, höchstens anders.
Sprache ist – so sagen uns die Kulturwissenschafter – nicht nur die Beschreibung der Wirklichkeit, sondern auch ein Versuch, diese Wirklichkeit zu schaffen oder sie nach unseren Wünschen zu modellieren. Ein Beispiel dafür: Offenbar ist in der Psychiatrie die Behandlungsmethode des Elektroschocks – man denkt mit Schaudern an Filme wie „Einer flog übers Kuckucks-Nest“ – wieder zu Ehren gekommen. Um die alten Erinnerungen nicht mehr zu beschwören hat man den Namen der Behandlungsmethode etwas modifiziert und spricht jetzt nicht mehr von Elektroschock sondern von Elektrokrampf-Therapie. Voilà – eine saubere Sache. So räumt man auf mit unbequemen Erinnerungen.
Zum Gipfel der Gedankenlosigkeit gehört für mich aber die Beschriftung beim Drehkreuz für die Zutrittskontrolle in meinem Fitnesszentrum in Winterthur. Ich muss dort ein blaues Plastikarmband mit einem Metallknopf tragen um zu passieren. Und was steht auf dem Drehkreuz geschrieben? – „Bitte mit dem Chip touchen“. Voll krass!

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